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    Do You Like Hitchcock?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Do You Like Hitchcock?
    Von Christoph Petersen

    „Do You Like Hitchcock?“ ist der erste Beitrag einer italienischen TV-Reihe, in der Filmemacher Hommagen an verschiedene Regiegrößen präsentieren. Dabei ist es wahrlich keine Überraschung, dass bei einer solchen Serie mit Alfred Hitchcock, der mit seinen bahnbrechenden Techniken und Montagen stilgebend wie kaum ein anderer war, einer der bedeutendsten Meisterregisseure überhaupt an allererster Stelle steht. Überraschend ist hingegen, dass sich mit Horror-Kultregisseur Dario Argento (Suspiria, Masters Of Horror: Jenifer) einer der ebenfalls ganz Großen für diese einfache TV-Produktion begeistern konnte. Insgesamt ist Dank dieser Besetzung des Regiestuhls ein hochinteressantes Experiment entstanden, das für einen Argento-Film allerdings ungewohnt stringent und storylastig daherkommt – statt großer Filmkunst bekommt man vielmehr einen extrem verspielten Thriller geboten, der zwar gut unterhält, aber auch einige von Argentos unbestreitbaren Qualitäten vermissen lässt.

    Schon länger beobachtet der voyeuristisch veranlagte Filmstudent Giulio (Elio Germano) seine attraktive Nachbarin Sasha (Elisabetta Rocchetti) von gegenüber mit einem Fernglas. Als Sashas Mutter (Milvia Marigliano) brutal in ihrer Wohnung ermordet wird, hat Giulio sofort ihre Tochter in Verdacht, doch die hat ein wasserdichtes Alibi. Bei seinem täglichen Gang in die Videothek um die Ecke, wo er sich mit deutschen Expressionisten für seine Diplomarbeit eindeckt, sieht er Sasha gemeinsam mit einer anderen Frau (Chiara Conti), die sich beide Hitchcocks Der Fremde im Zug ausleihen wollen. So kommt ihm der Gedanke, dass die beiden vielleicht den perfiden Mordplan aus diesem Filmklassiker übernommen haben könnten: In dieser Highsmith-Verfilmung verabreden sich die wildfremden Robert Walker und Farley Granger dazu, für den jeweils anderen einen Menschen umzubringen – so haben beide in Bezug auf den Mord, mit dem sie persönlich in Verbindung gebracht werden könnten, ein bombensicheres Alibi…

    Vor allem im Animationsgenre hat das häufig sinnfreie Einstreuen von Zitaten mittlerweile jedes gesunde Maß überschritten, aber auch in Realfilmen wird dieses selten wirklich kreative Vorgehen immer beliebter. Es ist also keinesfalls per se begrüßenswert, wenn ein so originärer Regisseur wie Dario Argento ankündigt, eine Hommage zu inszenieren. Aber auch, wenn die Zitate nicht gerade subtil in den Film integriert sind, nähert er sich dem Schaffen Hitchcocks hier glücklicherweise nicht bierernst, sondern im Gegenteil angenehm locker und verspielt. Von der Ausgangslage und dem Gipsbein aus Das Fenster zum Hof über den Mordplan aus Der fremde im Zug bis hin zu einzelnen Szenen aus Vertigo und Bei Anruf Mord sind die Kopien so geschickt in die Story eingeflechtet, dass sie zwar sofort ins Auge springen, aber auch das spannende Erzählen der neuen Geschichte ungebremst zulassen. An einem Punkt hätte Argento aber definitiv lieber darauf verzichten sollen, Hitchcocks Vorbild zu folgen – wie einige seiner letzten Filme hat Argento auch „Do You Like Hitchcock?“ trotz der zum Teil katastrophalen Sprachkenntnisse seiner italienischen Darsteller in Englisch gedreht.

    Dario Argento hat seinen Ruf als Horror-Altmeister vor allem der visuellen Kraft und der intensiven Atmosphäre seiner Filme zu verdanken, komplexe Charaktere oder geschickt konstruierte Geschichten haben ihn dabei bisher offensichtlich nie sonderlich interessiert. Aber wenn man sich schon an eine Hitchcock-Hommage wagt, kann man diese Herangehensweise natürlich auf keinen Fall aufrechterhalten – und so ist „Do You Like Hitchcock?“ im Endeffekt auch absolut Argento-untypisch geraten: Das spannende Story-Konstrukt steht ganz klar im Vordergrund, Argentos visuelle Spielereien scheinen nur selten – zum Beispiel beim Vertigo-Zitat auf dem Dach – durch. Natürlich würde man sich nun kaum wünschen, dass sich alle Argento-Filme zukünftig in diese Richtung entwickeln, aber als kleine Abwechslung für Zwischendurch macht dieses Nebenwerk doch verdammt viel Spaß. So ist „Do You Like Hitchcock?” sicherlich kein neuerliches Meisterstück aus Argentos Filmographie, sondern vielmehr eine unterhaltsame und auf verspielte Art zitatenreiche Fingerübung, die in erster Linie für Hitchcock-Fans und andere Filmverrückte von größerem Interesse sein dürfte.

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