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    Black Dog - Weggefährten
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Black Dog - Weggefährten

    "Lassie" für Erwachsene

    Von Susanne Gietl

    Nach dem actiongeladenen Propaganda-Kriegsspektakel „The 800“, das 2020 mehr als 450 Millionen Dollar und damit das Zehnfache seines Budgets eingespielt hat, überrascht der chinesische Blockbuster-Regisseur Guan Hu mit dem für seine Verhältnisse fast schon minimalistischen Drama. In „Black Dog – Weggefährten“, der in Cannes in der Sektion Un Certain Regard mit dem Hauptpreis der Jury ausgezeichnet wurde, bedient sich Guan eines uralten Bildes: Verlässt der Mensch einen Ort, erobert sich die Natur ihr Territorium zurück. Indem er Mann und Hund erzählerisch auf eine Ebene stellt, erschafft er zudem eine poetische Liebeserklärung an den besten Freund des Menschen.

    Schon im ersten Bild bringt er Mann und Hund zusammen. In der kargen Landschaft der Wüste Gobi stürmen unzählige verwilderte Hunde bellend einen Hang hinunter. Sie stürmen auf eine Straße zu und verursachen so einen Unfall. In dem umgestürzten Bus sitzt auch Lang (Eddie Peng), die Hauptfigur aus „Black Dog“. Als der ehemalige Sänger nach zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, hat er sein Image als lokale Rockstar-Größe längst hinter sich gelassen. Noch immer trägt er die Schuld am Tod des Neffen des Schlangenzüchters „Metzger Hu“ mit sich herum.

    Filmwelt
    Seit Wochen wird der schwarze Hund gejagt. Aber erst Lang (Eddie Peng) hat Erfolg.

    Lang erwartet ein farbloser Ort. Nur sein roter Pullover sticht aus der grau-weißen Gebäudelandschaft hervor. Der Ex-Knacki sucht einen Neuanfang in seiner alten Heimatstadt, die inzwischen jedoch gespenstisch leer wirkt. Viele Menschen haben die Stadt verlassen, nur noch ihre Hunde sind zurückgeblieben. Wo einst Menschen lebten und arbeiteten, streunen nun ihre verlassenen Haustiere durch die verlassenen Straßen. Als in Vorausschau auf die Olympischen Spiele 2008 in Peking eine große Säuberungsaktion ansteht, bei der alle unregistrierten Vierbeiner für ein attraktiveres Stadtbild eingefangen werden sollen, nimmt auch Lang einen Job als Hundefänger an.

    Vor allem ein offenbar tollwütiges Tier, das schon mehrere Menschen gebissen hat, aber seinen Häschern dennoch immer wieder entkommt, sorgt für Aufruhr. Erst Lang gelingt es, den Übeltäter zu fangen, doch damit findet der wortkarge Mann in dem dürren schwarzen Hund einen unerwarteten Gefährten. Beide sind vom Schicksal verstoßene, die sich vor dem wahren Leben verstecken und lieber einsam durch die Gassen ziehen. Um zu überleben, müssen sie etwas finden, für das es sich zu kämpfen lohnt. Ihre Beziehung zueinander stärkt sie. Eine Art „Lassie“-Moment mit dem namenlosen schwarzen Hund gibt es auch, aber der ist ungleich rauer inszeniert als bei seinem amerikanischen Vorbild.

    Ein so enge Mann-Hund-Beziehung hat man selten gesehen

    Beeindruckend ist nicht nur Eddie Pengs Spiel, der im Film wenige Worte nutzt. Hund und Mensch sprechen in der Stille dieselbe Sprache. Oft haben Eddie Peng und Filmhund Xin sogar einen ähnlichen Ausdruck. Blicken sich Peng und Xin an, dann spürt man eine echte, gegenseitige Zuneigung. Wenn der schwarze Hund etwa bei gemeinsamen Motorradfahrten zu seinem neuen Herrchen blickt, dann ist die Kopfhaltung der beiden so ähnlich, dass es schon fast unwirklich wirkt. Um das zu erreichen, schlief der Schauspieler mit seinem tierischen Leinwandpartner sogar in einem Bett. Nach dem Dreh adoptierte Peng den Hund, weil sie durch ihr Spiel eine so tiefe Beziehung zueinander aufgebaut hatten.

    Glück verortet Regisseur Guan Hu in dieser zunehmend verlassenen Einöde vor allem in der Beziehung von Menschen und Tieren – nur durch sie ist plötzlich auch wieder so etwas wie Zwischenmenschlichkeit möglich: Im verfallenen Zoo von Langs trinkendem Vater haust noch immer ein einsamer Tiger. Lang soll sich um die Tiere kümmern, wenn sein Vater einmal nicht mehr ist (stattdessen wird er sie frei lassen, was zu einer Sequenz führt, bei der man sich schon fragt, wie zum Teufel die das eigentlich gedreht haben). Auf dem Gebiet des Zoos macht auch ein Zirkus Zwischenstopp. Lang trifft die Artistin Grape (Tong Liya), über seinen Hund und den Tiger kommen sie ins Gespräch.

    Filmwelt
    Man kennt es ja, dass ein Mann und sein Hund sich mit der Zeit ähnlicher werden. Aber die Ähnlichkeit der beiden in „Black Dog“ ist tatsächlich frappierend.

    Die Kamera von Weizhe Gao, mit dem Guan unter anderem auch schon bei „The Sacrifice“ zusammengearbeitet hat, nimmt keinen konkreten Standpunkt ein, zeigt mehr Panoramabilder als Nahaufnahmen. Dadurch ist das Publikum mehr in einer beobachtenden Position. Es ist fast so, als würde Guan Hu auf seine Art und Weise Langs Märchen erzählen wollen. Lang als taoistische Schutzgottheit Erlang Shen (Lang ist eine Kurzform von Erlang), die in chinesischen Mythen oft mit einem magischen Jagdhund umherzieht. Shen wird als edler und ruhmreicher Krieger beschrieben, Lang als stiller Held, der erst durch seinen Gefährten wieder zu sich findet.

    Fazit: Eine zeitlos-schöne und dabei atemberaubend-episch gefilmte Parabel voller beeindruckender Panoramen und poetischer Parallelen zwischen Mann und Hund.

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