+++ Meinung +++
Über Charlton Heston lässt sich viel Positives und Negatives sagen. Doch eines muss man der Schauspiellegende lassen! Sie hatte enormes Talent dafür, eh schon griffig geschriebene Zeilen vollkommen unsterblich zu machen: Heston schloss sogleich zwei Sci-Fi-Meilensteine mit einem Mark und Bein erschütternden Ausruf ab, die für Filmfans quasi Grundwissen darstellen. Hestons Kniefall inklusive Klageruf in „Planet der Affen“ ist längst tief, tief in die Mainstream-Popkultur gesickert. Und dann gibt es den bei versierten Sci-Fi-Fans ebenso ikonischen „Jahr 2022 ... die überleben wollen“.
Der mittlerweile eher unter seinem Originaltitel „Soylent Green“ bekannte Thriller ist nicht nur eine fesselnde, zügig erzählte Kriminalgeschichte in einer finsteren Zukunft. Der Sci-Fi-Meilenstein hat auch als beißender Öko-Thriller über die Folgen des ungezügelten Kapitalismus auf Mensch und Umwelt eine Art Vorreiterstellung. Und er hat einen oft zitierten, unvergesslichen Ausgang. Inklusive markant schmetterndem Heston.
arte zeigt „Soylent Green“ heute, am 10. Oktober 2022, ab 20.15 Uhr sowie direkt im Anschluss die Begleitdoku „Der Ökothriller Soylent Green – Alarmstufe rot aus Hollywood“. Darin erfolgt eine Gegenüberstellung der bitteren Zukunftsvision des Jahres 1973 mit der harschen Realität von heute.
"Soylent Green": Die Zukunft von gestern ist heute
Wir schreiben das Jahr 2022, und der Zustand der Erde ist besorgniserregend. Trinkbares Wasser wird immer kostbarer, Nahrung wird knapp und auch der brauchbare Lebensraum wird zu einem raren Gut. Nur noch Privilegierte können sich gute, ökologische hergestellte Nahrung leisten, die meisten ernähren sich von den günstigen, massenhaft produzierten Nahrungsmitteln des Großkonzerns Soylent.
Die Ankündigung eines neuen Soylent-Produkts, das nahrhafter und schmackhafter als seine Vorgänger sein soll, wird von der Bevölkerung mit großer Freude und Ungeduld empfangen. Doch der New Yorker Polizist Thorn (Heston) und sein Zimmergenosse Sol Roth (Edward G. Robinson) haben andere Dinge im Kopf: Simonson, einer der leitenden Angestellten von Soylent, kam unter seltsamen Umständen ums Leben, denen sie nun nachgehen. Doch je näher sie einer heißen Spur kommen, desto mehr Todesfälle stellen sich ihnen in den Weg...
Neu im Heimkino: Ein brandneuer Sci-Fi-Katastrophen-Thriller, von dem ihr bestimmt noch nie gehört habtObwohl Richard Fleischer mit „Soylent Green“ längst nicht die erste Dystopie Hollywoods inszeniert hat, gelang dem „Die phantastische Reise“-Regisseur ein Film, den man sehr wohl als wegweisend bezeichnen darf: Statt eine Zukunft des beeindruckend aussehenden, technischen Fortschritts zu skizzieren, setzt „Soylent Green“ weitestgehend auf Zerfall und die Eskalation bereits bekannter, unangenehmer Entwicklungen. Und das, ohne sogleich in eine post-apokalyptische Welt zu springen.
Als hätte das denkbar unsauberste Industrieviertel von der gesamten Welt Besitz ergriffen, spielt „Soylent Green“ zwischen qualmenden Schornsteinen, Betonklötzen und Asphaltwüsten, in denen sich das verarmte Volk tümmelt. Fleischer und Kameramann Richard H. Kline („King Kong“) zeigen diese karge Welt nicht mit mahnender Ehrfurcht, sondern schmeißen ihr Publikum mit einer staubtrockenen Selbstverständlichkeit in diesen trostlosen Wust der Beengtheit.
Allein schon durch die Bildsprache wird eine Argumentationskette aufgebaut, dass mangelnde Sorgfalt im Umgang mit der Umwelt zum Anstieg der sozialen Ungleichheit führt. Dem Thema nahm sich bereits der Roman „New York 1999“ von Harry Harrison an, auf dem „Soylent Green“ lose basiert. Aber Drehbuchautor Stanley R. Greenberg verknüpft diese Aspekte im Laufe der schwitzigen Kriminalgeschichte noch enger. So kommt es auch zum grandiosen Twist, den bereits damals der Trailer praktisch vorweggenommen hat, und dem zumindest Sci-Fi-Fans heutzutage kaum noch entgehen können.
Sei es durch Referenzen, Hommagen oder Filme, die den für die Romanadaption neu erdachten Twist in ähnlicher Form umsetzen. Trotzdem sei er an dieser Stelle einfach mal nicht verraten, um Uneingeweihten die Chance zu geben, selbst zu entdecken, wie zugespitzt, aber symbolisch konsequent „Soylent Green“ endet. Zumal der wahre Mega-Twist vielleicht gar nicht in Thorns Erkenntnissen liegt. Sondern darin, dass sich niemand für seine mahnenden Schreie interessiert...
Soylent Green: Jahr 2022… die überleben wollen