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    "Gänsehaut um Mitternacht" auf Netflix bricht schon in Folge 1 Horror-Weltrekord – aber ist die Serie auch gut?
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Ob "Rosemaries Baby", "Halloween", "Cannibal Holocaust" oder "Scream": Pascal liebt das Horrorkino in seiner ganzen verstörenden Schönheit.

    Mit „Gänsehaut um Mitternacht“ startet heute das neue Format von Mike Flanagan („Spuk in Hill House“) auf Netflix. In der ersten Episode bricht die Serie sogar gleich einen Horror-Weltrekord. Aber kann sie auch darüber hinaus überzeugen?

    Mit Mike Flanagan („Doctor Sleeps Erwachen“) hat sich Netflix die Dienste des vielleicht interessantesten Horror-Regisseurs der Gegenwart gesichert. „Spuk in Hill House“, „Spuk in Bly Manor“ und „Midnight Mass“ haben dort zuletzt eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie virtuos Flanagan es doch beherrscht, verstörenden Grusel und tieftragische Schicksale auf einen stimmigen Nenner zu bringen. Mit „Gänsehaut um Mitternacht“ steht ab dem heutigen 7. Oktober 2022 seine neue Serie auf dem Streamingdienst zur Verfügung. Und erneut kommt der Schrecken auf leisen Sohlen.

    Jedenfalls größtenteils, denn obwohl Mike Flanagan dafür bekannt ist, dass er wenig bis gar nichts von Jump Scares hält, hat „Gänsehaut um Mitternacht“ genau damit nun einen Weltrekord gebrochen. Direkt in der ersten Episode fährt Flanagan mit 21 (!) Jump Scares auf, was ihm eine Urkunde einbrachte, die ihm im Zuge der New Yorker Comic Con ein Beamter des Guiness World Records für „die meisten gescripteten Jump Scares in einer Fernsehepisode“ überreichte. Mike Flanagan äußerte sich diesbezüglich folgendermaßen:

    „Das ist mir besonders wichtig, weil ich Jump Scares hasse und sie für das Schlimmste halte. Während meiner Karriere haben die Leute mir immer gesagt, dass ich mehr Jump Scares einbauen und sie schneller machen soll. [...] Ich hasse sie, weil ich das Gefühl habe, dass es sehr simpel ist, hinter jemanden zu treten und Dinge zu zerschlagen.“

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    Wer nun aber vermutet, dass Mike Flanagan von seinem üblichen Kurs abweicht und mit „Gänsehaut um Mitternacht“ ein absurdes Jump-Scare-Fest zündet, der täuscht sich. Stattdessen ist es nur eine Szene, in der sich Flanagan diesem doch sehr durchschaubaren Schockmittel bedient, um es dann auch von Spence (Chris Sumpter) als „verdammt billig“ kommentieren zu lassen. Die Jump Scares funktionieren hier also auf einer sehr amüsanten Meta-Ebene, während die Serie selbst ganz andere Töne anschlägt.

    Lohnt sich "Gänsehaut um Mitternacht"?

    +++ Meinung +++

    Mike Flanagan bleibt sich mit „Gänsehaut um Mitternacht“ auf jeden Fall treu, das kann ich bereits nach den ersten zwei Episoden sagen, die ich bislang gesehen haben. Wie schon in „Spuk in Hill House“ oder „Midnight Mass“ steht hier nicht der Horror im Vordergrund (und schon gar nicht soll das Publikum durch billige Taschenspielertricks permanent erschreckt werden), sondern ein charakterorientiertes Drama. Die Geschichte, die auf den gleichnamigen Roman von Christopher Pike zurückgeht, ist in den 1990er-Jahren in dem Hospiz Brightcliffe angesiedelt. Hier wird die an Schilddrüsenkrebs leidende Ilonka (Iman Benson) eingeliefert und trifft nach und nach auf weitere Jugendliche, die sich im Endstadium ihrer jeweiligen Erkrankungen befinden.

    Wie man es von Mike Flanagan kennt, der bei „Gänsehaut um Mitternacht“ übrigens mal wieder Regisseur, Drehbuchautor, Produzent und Entwickler in Personalunion ist, wird sich viel Zeit gelassen, um nicht nur die wunderbar besetzten Charaktere vorzustellen, sondern auch den Handlungsschauplatz. Das Hospiz gleicht einem viktorianischen Herrenhaus, in dessen labyrinthischen, in sich verwinkelten Gängen man sich nicht nur verlaufen, sondern auch verloren gehen kann. Dadurch versprüht „Gänsehaut um Mitternacht“ oftmals den Charme klassischer Gruselgeschichten, um die es hier im Prinzip ja auch geht, wenn sich der sogenannte „Midnight Club“ im Keller des Anwesens trifft, um sich gegenseitig das Fürchten zu lehren.

    Mike Flanagan gehört zu den Film- und Serienmachern, die sich auf die klassischen Tugenden des Horrorkinos besinnen. Während die Protagonist*innen an erster Stelle stehen, darf sich der Horror auf leisen Sohlen anschleichen, wird oftmals nur im Hintergrund angedeutet, um dann von Episode zu Episode deutlicher Form anzunehmen. Auch in „Gänsehaut um Mitternacht“ ist schnell klar, dass das Hospiz viele Geheimnisse in sich birgt, die von Ilonka und Co. gelüftet werden wollen, damit diese dadurch auch etwas über sich selbst erfahren. In den ersten beiden Episoden wirkte „Gänsehaut um Mitternacht“ auf mich jedenfalls wie eine mit wohligem Gruselflair versehene Variation der deutschen Hit-Serie „Club der roten Bänder“.

    Wer sich also von „Gänsehaut um Mitternacht“ Horror der gröberen Gangart erhofft, sollte stattdessen lieber ins Kino gehen und sich den starken „Smile“ anschauen, den wir zu den besten Schockern des Jahres zählen, wie ihr der offiziellen FILMSTARTS-Kritik entnehmen könnt. Mike Flanagan hingegen widmet sich einer Zuschauerschaft, die Lust hat, in eine Geschichte einzutauchen und sich in dieser zu verlieren. Das entschleunigte Tempo ist vielleicht nicht für jede*n ansprechend, doch die Liebe und Aufmerksamkeit, die Flanagan seinen so liebenswerten wie unterschiedlichen Figuren bereits in den ersten beiden Episoden entgegenbringt, kann man sich meiner Meinung nach kaum entziehen.

    Was für ein Fiasko! Dieser katastrophale Kino-Flop hat trotz Superstars die Karriere eines angesehenen Regisseurs zerstört
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