+++ Meinung +++
Was man sich unter „Popcornkino“ vorstellen darf, dürfte allen Filmfans ein Begriff sein. Bombastischen Eskapismus, der danach schreit, dass man währenddessen einen Eimer Popcorn verschlingt. Aber „Nachokino“? Diese Bezeichnung hat sich bislang nicht durchgesetzt, trotzdem werde ich nicht müde, dieses Etikett zu verwenden – irgendwann muss es ja bei anderen Filmfans haften bleiben. „Nachokino“ ist das hohlere, derbere Pendant zum „Popcornkino“. Filme, die so laut sind und in denen so viel Unfug geschieht, dass das laute Knuspern, das beim Essen von Maischips entsteht, nicht mehr stört.
Und selbst der penetrante Geruch des stark gewürzten Snacks inklusive scharfem und/oder käsigem Dip stellt keinen Störfaktor mehr da. Mehr noch, er ist ein das Erlebnis intensivierender Bonusfaktor, da das fettig-deftige Nacho-Aroma die Schmierigkeit des gezeigten Films unterstreicht. Wer mag, spült das alles noch mit einem kühlen Bier runter und lässt sich vom Gezeigten berauschen. Appetit bekommen? Der Free-TV-Sender Nitro zeigt heute ab 22 Uhr „Machete Kills“ uncut – und damit ein Paradebeispiel für „Nachokino“.
"Machete Kills": Irgendwo in Mexiko
Machete (Danny Trejo) trauert um seine Geliebte Sartana (Jessica Alba) – und bekommt alsbald den aufregendsten Auftrag seines rachegetriebenen Lebens: Der US-Präsident (Charlie Sheen) will, dass er den Kartellboss Mendez (Demian Bichir) aufhält. Zwar lautet die Ansage, ihn lebend zu schnappen. Trotzdem verspricht Machete sich von der Mission Ablenkung und Genugtuung. Während der exzentrische Waffenhändler Luther Voz (Mel Gibson) Hilfe verspricht, heftet sich Superkiller Chamäleon (Walton Goggins, Cuba Gooding Jr., Lady Gaga und Antonio Banderas!) an Machetes Fersen. Aber wie sich zeigt, ist ein tödliches Chamäleon weitaus weniger gefährlich als ein grinsender Waffenhändler mit „Star Wars“-Fetisch...
„Machete Kills“ entstand mitten in einer kuriosen Karrierephase von Robert Rodriguez: Beginnend mit seinem „Grindhouse“-Beitrag „Planet Terror“ galoppierte seine Begeisterung für's Schundkino völlig frei. Also steckte er riesige, namhafte Casts in zunehmend seltsamere Handlungen mit geradezu mikroskopischem Niveau. In „Machete Kills“ irren mit ansteckender Spielfreude neben den bereits genannten Namen „Fast & Furious“-Star Michelle Rodriguez, „Modern Family“-Publikumsliebling Sofía Vergara, „High School Musical“-Hauptdarstellerin Vanessa Hudgens und Amber Heard genauso durchs Bild wie „Spy Kids“-Heldin Alexa Vega. Und „Iron Man 2“-Randdarsteller Elon Musk guckt auch mal vorbei.
Er war über 20 Jahre indiziert: Einer der besten Horrorfilme aller Zeiten erscheint endlich (wieder) ungekürzt fürs HeimkinoDoch dieser Starauflauf, der weitaus mehr Glanz und Glamour verspricht als der Film jemals einhalten könnte (oder wollte), hat Methode: „Machete Kills“ ist eine Hommage an das völlig sinnbefreite, mit seinem Wahnwitz und Unfug jedoch amüsierende Schundkino. Inklusive dort gelegentlich auftauchendem „Moment, was sucht so jemand in solch einem Käse?“-Casting. Das mündet in eine massive Diskrepanz zwischen dem Star-Ensemble und dem Unterste-Schublade-Skript und somit in einen schwer zu erklärenden, aber unverschämt großen Fun-Faktor.
Überhaupt ist bei „Machete Kills“ der Humor das Ass in Rodriguez' Ärmel. Neben dem absurden Casting gilt das auch für die unentwegte Parade an haarsträubenden Twists und absurden Gadgets, Gizmos und Waffen, mit denen hantiert wird. Ebenso amüsant ist die süffisante Schmierigkeit, nach der diese Exploitation-Filmwelt operiert. Hier entkommt Machete dem Tod durch den Strick, weil er seinen Henker mit durchdringendem Blick anstarrt. An anderer Stelle will jemand einer Gruppe Rassisten entkommen, indem er sich als Kanadier zu erkennen gibt, muss dann aber erfahren, dass ausgerechnet diese Rassisten Kanadier weit oben auf ihre Abschussliste gesetzt haben.
Ob Absicht, ob Versehen: Machete gestattet kein Wiedersehen
Dass Action-Setpieces in „Machete Kills“ nicht sonderlich dynamisch inszeniert sind, ist derweil ein Jammer. Doch wenigstens während der brutal-kreativen Kills tobt sich der Regisseur munter aus! Von einem herausgerissenem Darm, der in die Rotorblätter eines Helikopters geschmissen wird, bis hin zum Elektroschock-Tod, der von Machete mit einer Machete ausgelöst wird (muss man gesehen haben, um es zu verstehen): An blutigen Geschmacklosigkeiten wird nicht gespart. Und Lust auf eine Extraportion Salsa-Dip macht das Ganze auch noch.
Was ich jedoch lange als Wermutstropfen angesehen habe: „Machete Kills“ endet mit einem gemeinen Cliffhanger inklusive Fake-Trailer für „Machete Kills Again... In Space!“, der die Saga rund um Danny Trejos grantigen Helden abschließen sollte. Doch das C-Klasse-Sci-Fi-Abenteuer ist bislang nicht entstanden – und sind wir mal ehrlich: Von Jahr zu Jahr wird es unwahrscheinlicher, dass es jemals kommt. Allmählich finde ich allerdings, dass das offene Ende das parodistische Element von Machete Kills“ (ungewollt) verbessert:
Die Anzahl an Filmen, die vollmundig ein Sequel versprechen, ohne je eines abzuliefern, ist absurd lang. Mit seinen großkotzigen und narrativ ultradämlichen Einblicken in einen weiteren Teil schlitzt sich „Machete Kills“ feist und deftig durch die Hybris solcher Vorfälle. Auch wenn es Absicht war, sich über absurde Sequels lustig zu machen und weiterzumachen, geht die Gag-Ankündigung am Schluss für sich stehend als herrlich-hirnrissig und zielsicher durch. Insbesondere, wenn man am Ende von „Machete Kills“ eh im Fett-Kohlyenhydrate-Salz-Überdosis-Fresskoma liegt und nicht mehr die Kraft hat, sich gegen diese (Un-)Logik zu wehren.
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