+++ Meinung +++
Manchmal laufen selbst Filme mit besten Startvoraussetzungen am Publikum vorbei – sogar an ihrem Kernzielpublikum. So leider auch „Petite Maman – Als wir Kinder waren“. Wohl niemand hätte erwartet, dass das fantasievolle, kurzweilige und wunderschöne Drama zum Rekorde aufstellenden Kassenschlager wird. Jedoch hatte der Film das Zeug zum Programmkino-Hit: Regisseurin Céline Sciamma sorgte zuvor immerhin mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ für reichlich Furore, und ihr neuer Film wurde während seiner Premiere auf der diesjährigen Berlinale ähnlich begeistert aufgenommen.
Es folgten zahlreiche Nominierungen, darunter für den BAFTA, sowie sensationelle 97% bei Rottentomatoes und hervorragende 93 Punkte bei Metacritic. Dennoch wurde „Petite Maman“ während seiner regulären deutschen Kinoauswertung geradezu ignoriert. Wenigstens erhielt der Film eine gebührende Heimkino-Aufmachung: „Petite Maman“ erschien kürzlich als Teil einer stilvollen Sciamma-Box mit all ihren Langfilm-Regiearbeiten auf Blu-ray:
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Beim dem limitierten Set handelt es sich um ein Digipack in einem Schuber mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“-Motiv und Booklet. Neben Infos zu den fünf im Set enthaltenen Filmen umfasst das Booklet ein Essay der Autorin Elif Batuman, in dem sie sich mit den Erzählungen und der Bildsprache Sciammas befasst. Alternativ gibt es aber natürlich auch die Möglichkeit, sich den famosen „Petite Maman“ einzeln zu besorgen:
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Leider ist Sciammas ebenso ruhiges wie bezauberndes Drama hierzulande bislang nicht als einzelne Blu-ray erhältlich, stattdessen müssten sich Sammler*innen mit dem Set oder der DVD begnügen – oder mit der Option, den Film als VOD zu kaufen oder zu leihen.
"Petite Maman": Schlicht und betörend
Die achtjährige Nelly (Joséphine Sanz) betrauert den Verlust ihrer Großmutter, während ihre Mutter Marion (Nina Meurisse) damit beschäftigt ist, deren Haus auszuräumen – und somit den Ort, an dem sie ihre gesamte Kindheit verbracht hat. Auch in Marion toben die Gefühle, selbst wenn sie davor zurückschreckt, das ihrer Tochter zu offenbaren. Kurz darauf bricht sie überstürzt auf, sodass nun Nelly und ihr Vater (Stéphane Varupenne) allein aufräumen müssen. Spaß sieht anders aus. Doch zum Glück begegnet Nelly während einer kurzen Spielpause im umliegenden Wald einer Gleichaltrigen namens Marion (Gabrielle Sanz), mit der sie sich blendend versteht...
Sciamma erzählt in „Petite Maman“ einen Stoff, den sie auch ganz groß hätte aufblasen können. Stattdessen hat sie sich für eine kleine und zärtliche Herangehensweise entschieden – sowie für eine zierliche Laufzeit von gerade einmal 73 Minuten. Und schöner könnten diese 73 Minuten kaum sein: In ruhigen, klaren Bildern zeigt sie die aufgeweckt von Zwillingen gespielten Nelly und Marion beim Smalltalk, wie sie hoch amüsiert kochen oder sich energisch in selbst erdachte Theaterstücke hineinsteigern.
Und hin und wieder philosophieren sie miteinander – mit beiläufiger Selbstverständlichkeit, auf die man als Erwachsener glatt neidisch werden kann, und dennoch durchweg mit einem für Kinder glaubhaften Vokabular. Es ist eine goldige Freundschaft, die in „Petite Maman“ entsteht, und Nelly hilft, ihren Kummer zu verarbeiten – und das ist nur die äußerste Oberfläche dieser mit betörender Leichtigkeit erzählten Geschichte.
Petite Maman – Als wir Kinder warenWie schon erwähnt, neben dem ebenso schlichten wie magischen Drama „Petite Maman“ befinden sich in der Céline-Sciamma-Box auch ihre vier anderen abendfüllenden Regiearbeiten: Das dialogarme, inszenatorisch minimalistische, doch mit Gefühlen überbordende Pubertätsdrama „Water Lilies“, „Tomboy“ (Sciammas bislang leichtfüßigster Film) und der Slice-of-Life-Film „Mädchenbande“ über weibliche Jugendkultur in der Banlieue, sowie natürlich ihre bildgewaltige und gleichermaßen einfühlsam wie eindringlich erzählte Programmkino-Sensation „Porträt einer jungen Frau in Flammen“.
Sciammas Kurzfilme „Pauline“ und „La Coupe Bernard Tapi“ sind derweil nicht in dem Set enthalten. Trotzdem: Dieses 5-Disc-Set ist eine schön aufgemachte Feier ihres bisherigen Schaffens, und somit eine tolle, kompakte Möglichkeit, sich (fast) die komplette inszenatorische Arbeit eines der besten Regietalente Europas auf einen Schlag nach Hause zu holen.
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