+++ Meinung +++
„District 9“ ist dreckig, knarzig sowie unglaublich gewalttätig und dazu außergewöhnlich gemacht. Und doch liefert der von „Der Herr der Ringe“-Genie Peter Jackson produzierte Film auch jede Menge epische Bilder. Das vom südafrikanischen Regisseur und Autor Neill Blomkamp erschaffene Szenario mutet teilweise reichlich absurd an. Zudem hat es eine Hauptfigur, die alles andere als ein typischer Kinoheld ist. Dennoch ist das alles nicht nur originell und wirkt über weite Strecken tatsächlich wie aus dem Leben gegriffen, sondern ist obendrein auch emotional verdammt mitreißend.
Der extrem vielschichtige „District 9“ ist eines der immersivsten Kinowerke, die ich je gesehen habe. So bietet es auf den ersten Blick natürlich Sci-Fi- und Alien-Action mit ordentlich Krawall. In diesem Rahmen gibt es aber auch immer wieder Elemente aus Komödien-, Kriegs-, Horror-, Gangster- und Buddyfilmen sowie Sozial-Dramen, Polit-Parabeln und Survival-Thrillern zu erleben, die alle stimmig und der Story dienend eingebaut wurden.
Ein wahrlich wilder Ritt, der für mich auch 13 Jahre nach seiner Premiere und trotz vielfachen Genusses nichts von seiner Faszination, seinem Spaß-Faktor und der Fähigkeit, ernsthafte Denkanstöße zu liefern, verloren hat. Zudem lernte ich dank dieser Sci-Fi-Perle auch einen neuen Darsteller kennen: Sharlto Copley. Der Südafrikaner konnte sich mit seiner furiosen Performance gleich auf Anhieb auf meine zugegebenermaßen recht lange Favoriten-Liste spielen.
Aktuell ist der Science-Fiction-Actioner im Abo von Netflix enthalten, kann aber natürlich auch als Blu-ray, DVD oder Video-On-Demand über andere Anbieter bezogen werden:
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Darum geht‘s in "District 9" auf Netflix:
Über Johannesburg schwebt ein gigantisches, außerirdisches Raumschiff. Nachdem sich aber eine Weile nichts rührt, verschaffen sich die Menschen Zugang zu dem Flugobjekt und sperren die darin befindlichen, recht verwahrlosten Außerirdischen in ein slum-ähnliches Ghetto namens District 9. Schon bald treiben dort alle möglichen kriminellen Subjekte ihr Unwesen und das Verbrechen nimmt überhand. Deshalb sollen die Aliens nun in eine neue Einrichtung außerhalb der Stadt umgesiedelt werden.
Den Auftrag, dieses von Chaos und Gewaltausbrüchen begleitete Unterfangen zu leiten, erhält der naive Schreibtischhengst Wikus Van De Merwe (Sharlto Copley). Unterstützt wird er dabei von schwerbewaffneten, schießwütigen und rassistischen Söldnern. Während eines Handgemenges kommt Wikus mit einer geheimnisvollen Substanz in Kontakt, die seine DNA verändert und zuerst seinen Arm mutieren lässt. Plötzlich ist er in der Lage, damit Alien-Waffen abzufeuern, die von Menschen sonst nicht bedient werden können. Die Behörden wollen Wikus daraufhin zu einem Versuchskaninchen machen. Doch ihm gelingt die Flucht – und das ausgerechnet in Richtung District 9.
District 9Extrem effektiv reingeworfen
Schon der Einstieg fesselt mich jedes Mal. Er ist clever und im Rahmen eines so großen Films einzigartig. Denn es ist verdammt mutig, „District 9“ zunächst wie eine billige Fernseh-Reportage aussehen zu lassen. Anhand von „Archivbildern“ und „Experten“-Interviews kommt das eigentlich recht abgefahrene Szenario dank dieses Kniffs aber auch erstaunlich authentisch herüber. Alles, was wir zu Beginn wissen müssen, wird anhand der völlig realistisch wirkenden, da mit typischem TV-Doku-Equipment gedrehten Szenen absolut effizient vermittelt. Wir sind umgehend emotional involviert, lernen den Protagonisten hautnah kennen, erfahren innerhalb weniger Augenblicke, wie er tickt und über ihn, um was es im großen Rahmen geht.
Blomkamp erspart sich (und vor allem uns!) mit diesem ebenso simplen wie innovativen inszenatorischen Trick einen unbeholfenen Erklär-Prolog oder gar eine ewig lange schriftliche Einführung à la „Star Wars“. Stattdessen bringt er uns dank Copleys ungelenk-schusseliger Figur und ihrer hektischen Organisationsversuche nicht nur umgehend auf den Stand der durchaus komplexen Dinge, sondern auch gleich ein wenig zum Lachen.
Dabei ist das Ganze eigentlich alles andere als spaßig. Schließlich war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade mal eine gute Dekade vergangen, seit die Apartheids-Politik und die damit einhergehende systematische Unterdrückung, Ausgrenzung und Entrechtung großer Teile der Bevölkerung im Produktionsland offiziell abgeschafft wurde. Aber ersetzt in eurem Kopf bei den Dialogen einfach mal die Bezeichnung „Shrimps“ für die Aliens mit Worten wie „Schwarze“ oder vielleicht sogar „Juden“ und ihr werdet schnell merken, wie pointiert das Ganze geschrieben ist.
Der visuelle Ansatz passt perfekt zum erzählerischen
Blomkamps Art der visuellen Umsetzung ist ein weiterer entscheidender Faktor für das Gelingen und den emotionalen Effekt seines Films auf das Publikum. Klar, mit nur knappen 30 Millionen Dollar war das Budget für ein Projekt dieser Art nicht besonders hoch. Aber es war auch absolut sinnvoll, uns hier keine Hochglanz-Science-Fiction à la „Star Trek“ oder „Dune“, sondern etwas körnige, oft mit Handkameras gedrehte, schon mal recht wacklige und chaotische Bilder mit schnellen, harten Schnitten zu präsentieren.
Das Dranbleiben an dieser Welt – so verrückt und brutal sie auch sein mag – fällt den Zuschauer*innen mit dieser Art von realitätsnaher Optik viel leichter. Ebenso wie die Identifikation mit der Hauptfigur, die, je mehr sie sich – äußerlich und genetisch, aber auch ideell – den Aliens annähert, erstaunlicherweise immer menschlichere Züge bekommt.
Die besten Science-Fiction-Filme aller ZeitenNeill Blomkamp hat mit dem hoch budgetierten Hollywood-Debüt „Elysium“ und dem danach wieder in Südafrika gedrehten „Chappie“ in der Folge noch ein paar weitere, durchaus interessante Titel abgeliefert. Die Qualität, Originalität und den emotionalen Punch von „District 9“ erreichte er bisher aber nicht wieder.
Das aktuell letzte Werk der Regisseurs, der Horrorfilm „Demonic“, war sogar eine handfeste Enttäuschung. Aber vielleicht läuft der Mann ja irgendwann, mit dem seit Ewigkeiten immer wieder angekündigten, bisher aber nicht realisierten Sequel „District 10“, doch noch einmal zur Höchstform von 2009 auf. Bis es soweit ist (und selbst falls es nie passieren sollte), werde ich mir „District 9“ sicher noch diverse Male gönnen.
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