+++ Meinung & Spoiler zu „Doctor Strange 2“ und „Wanda Vision“ +++
„Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ ist für mich ein extrem durchwachsener Film. Zwar bringt Sam Raimi mit seinem durchgeknallten Horror besonders im Finale frischen inszenatorischen Wind ins MCU, aber was das Drehbuch angeht, habe ich mich über weite Strecken des Films sehr geärgert. Keine Figur symbolisiert diesen Zwiespalt so sehr wie Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen), die in „Doctor Strange 2“ zur multiversalen Mörderin wird und damit vieles wieder einreißt, was die Serie „WandaVision“ aufgebaut hat.
Es ist so schade, denn Wanda a.k.a. Scarlet Witch ist eines der Highlights des neuen Marvel-Films. Elizabeth Olsen holt aus Schauspielerin alles aus der Figur raus und es macht einfach Spaß, mal eine Figur im MCU völlig durchdrehen zu sehen. Auch die Brutalität, mit der sie sich durch ihre Gegenüber metzelte, fand ich begrüßenswert. Und dennoch: Als Fan von „WandaVision“ fühlte ich mich vom Umgang mit Wanda in „Doctor Strange 2“ regelrecht hintergangen.
Wandas Leidensweg in "WandaVision"
Lange Zeit hat mir Wanda Maximoff kaum etwas bedeutet. Ich sah sie als eine von vielen mittelinteressanten Nebenfiguren im riesigen Marvel-Ensemble. Doch mit „WandaVision“ nahm sich das MCU erstmals Zeit, bestimmten Charakteren eine gesamte Serie zu widmen. Im Verlauf der neun Episoden wurde mir nicht nur Vision immer sympathischer, sondern auch die zukünftige Scarlet Witch entwickelte sich zu einer der tiefgründigsten Figuren des gesamten Marvel-Universums.
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Was Wanda durchgemacht hat, ist auch wirklich die Hölle. Sie ist eine der wenigen Menschen überhaupt, die durch Thanos eine geliebte Person verloren haben, die nicht wieder von den Toten zurückgebracht wurde. Noch dazu war die Art und Weise wirklich grausam. Denn um Thanos aufzuhalten (was am Ende nicht mal geklappt hat), musste sie Vision mit ihren eigenen Kräften töten. Völlig verständlich, dass sie daraufhin durchdrehte. Mit ihren eigenen Mächten erschuf sie sich ihre persönliche Utopie, in der sie ein friedliches Kleinstadtleben führte, Vision noch am Leben war und sie sogar zwei Söhne großzog. Die Schattenseite: Um die Illusion aufrecht zu erhalten, musste sie den realen Einwohner*innen deren freien Willen rauben.
Wanda hielt eine ganze Kleinstadt gefangen. Doch am Ende von „WandaVision“ sah sie ihren Fehler (scheinbar) ein, opferte ihre Illusion und bekam so doch noch ihren Heldenmoment. Nun, so dachte ich, sei Wanda eine geläuterte Frau, die den ersten Schritt genommen hat, um ihr Trauma zu überwinden...
...doch dann kam „Doctor Strange 2“ und machte Wanda zu einer solch brutalen und rücksichtslosen Mörderin, dass es in Zukunft unmöglich sein wird, jemals wieder mit ihr mitzufühlen.
"Doctor Strange 2" macht mir die Figur Wanda kaputt
Mir ist völlig bewusst, dass „WandaVision“ eine Post-Credit-Szene hat, in der Wanda das Darkhold bereits benutzt. Und mir ist auch klar, dass es sich bei diesem diabolischen Buch um ein gefährliches Artefakt handelt, dass in der Lage ist, den Verstand von seinen Benutzer*innen zu korrumpieren. Wenn ein solcher Gegenstand ausgerechnet in die Hände einer ohnehin schon psychisch instabilen, mächtigen Hexe gerät, dann sind brutale Konsequenzen vorprogrammiert. Rein logisch betrachtet ergibt das schon irgendwie Sinn, doch aus emotionaler Sicht ist die Entscheidung, Wanda zur Killerin zu machen, ein Stich ins Herz.
Womöglich könnte ich mich aber sogar damit abfinden, wäre diese Wandlung nicht so dermaßen schlampig umgesetzt...
3 Gründe, warum Wandas Wandlung enttäuscht
Der zentrale Konflikt von „Doctor Strange 2“ ist dem von „WandaVision“ viel zu ähnlich und es fühlt sich an, als hätte das MCU einen Sprung in der Platte: Wanda trauert, dreht durch, will ihr Schicksal nicht akzeptieren, nutzt sie ihre unglaubliche Macht, um die Realität nach ihren Wünschen zu verändern und geliebte Menschen in ihr Leben zurückzuholen, richtet dabei großes Leid an und sieht am Ende ein, dass sie falschlag. Das alles haben wir als Marvel-Fans doch schon durchgemacht!
Wandas Taten sind nicht mehr nachvollziehbar: Zwar wird immer wieder erklärt, dass das Darkhold an allem Schuld sei, aber andererseits handelt Wanda viel zu kalkuliert und scheint sich jederzeit voll unter Kontrolle zu haben. (So versucht sie ja zunächst noch mit ihrem Freund Doctor Strange zu verhandeln.) Außerdem ist ihre Motivation, Kinder haben zu wollen, tief in ihrer Persönlichkeit verankert. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich deshalb das Gefühl, dass das Darkhold Wanda zu den bösen Taten verführt, sondern dass es ihr nur die Macht gibt, ihre wahres Ich zu offenbaren. In „WandaVision“ waren ihre Taten schlimm, aber noch nachvollziehbar. In „Doctor Strange 2“ ist sie einfach nur grausam, um als Vehikel für den Horror zu dienen. Den Amoklauf habe ich ihr einfach nicht abgekauft...
Vision spielt plötzlich keine Rolle mehr: In „WandaVision“ ist Wandas Trauer um Vision so enorm, dass sie sich ihre eigene alternative Realität erschuf, um so zu tun, als wäre er noch am Leben. Doch in „Doctor Strange 2“ versucht sie nicht mal, das Multiversum nach einem anderen Vision abzusuchen (die Serie „What If...“ hat ja gezeigt, dass es auch noch andere Universen gibt, in denen er existiert). Stattdessen ist Wanda nur noch auf ihren Kinderwunsch fixiert und scheint eine der wichtigsten Personen in ihrem Leben einfach vergessen zu haben. Sie erwähnt ihn nur einmal kurz, zeigt dabei aber keine Emotionen. Das passt so gar nicht zu Wanda und schadet der Glaubwürdigkeit der gesamten Handlung von „Doctor Strange 2“.
"Doctor Strange 2" und "WandaVision" behindern sich gegenseitig
Für mich ist der erste Versuch des MCU, Filme und Serien organisch zu einer großen Erzählung miteinander zu verbinden, damit gescheitert. Ich habe oft die Kritik gehört, dass man „WandaVision“ gesehen haben muss, um der Handlung von „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ folgen zu können. Doch ehrlich gesagt frage ich mich, ob man „Doctor Strange 2“ nicht mehr genießen kann, wenn man die Disney-Plus-Serie gar nicht kennt.
Highlight in "Doctor Strange 2": Darum ist die Illuminati-Szene alles andere als eine überflüssige Cameo-ParadeZwar würde man von dem ein oder anderen Story-Detail dann etwas verwirrt sein. Doch andererseits würden sich die Geschehnisse von „Doctor Strange 2“ dann auch nicht wie eine uninspirierte Wiederholung des „WandaVision“-Konflikts anfühlen. Wer die Disney+-Serie nicht gesehen hat, muss sich außerdem nicht darüber ärgern, dass einer komplexen Figur, mit der neun Episoden lang so mitgelitten und mitgefühlt hat, innerhalb weniger Minuten jegliche Menschlichkeit genommen wird – und sie zur eindimensionalen Killermaschine verkommt.
Ja, aus inszenatorischer Sicht habe ich es gefeiert, wie eine Marvel-Schurkin sich mal absolut resolut durch Superheld*innen durchmetzelt und dabei eine Aura der Bedrohung ausstrahlt, die man sonst nur von Monstern und Mördern in Horrorfilmen kennt. Dem MCU tun solche Abweichungen von der Formel gut!
Doch der Umgang mit Wanda, der damit einherging, hat mir diese Momente zunichtegemacht...
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