+++ Meinung mit Spoilern zum Filmende +++
Der Plan von Warner, das dünne, fiktive Schulbuch „Fantastische Tierwesen“ zu einem Film-Franchise auszubauen, geriet schon zwei Jahre nach dem Start ins Wanken. 2018 blieben die Kino-Einnahmen des zweiten Teils „Grindelwalds Verbrechen“ hinter den Erwartungen des Filmstudios zurück. Offenbar wurde anschließend versucht, dem dritten Film eine bessere Story zu verpassen, jedenfalls wurde 2019 der Drehstart um mehrere Monate nach hinten verschoben (und anschließend dann auch noch der Darsteller des Bösewichts Grindelwald ausgetauscht, da Johnny Depp wegen seines skandalträchtigen Prozesses gegen seine Ex-Frau Amber Heard in den Augen von Warner nicht mehr tragbar war).
„Phantastische Tierwesen 3: Dumbledores Geheimnisse“ ist nun deutlich anzumerken, dass die ursprünglich auf fünf Teile ausgelegte Reihe hiermit bereits ihren Abschluss haben könnte, sollten keine weiteren Filme produziert werden. Das zeigt sich besonders deutlich im überhasteten Finale – das außerdem unter Beweis stellt, dass es nicht die beste aller Ideen war, eine im Kern politische Geschichte ausgerechnet rund um possierliche, magische Kreaturen zu stricken, die auf Voldemort komm’ raus in der Handlung auftauchen müssen.
Dumbledore und Grindelwald: Ein doch nicht ganz so fester magischer Bund
Das einstige Liebespaar aus Hogwarts-Chef Albus Dumbledore (Jude Law) und Schwarzmagier Gellert Grindelwald (neu dabei: Mads Mikkelsen) ging im liebestrunkenen, jugendlichen Überschwang einen magischen Bund ein, der verhindert, dass sich die beiden jemals bekämpfen dürfen. Von der durchaus interessanten metaphorischen Bedeutung dieses Bunds mal abgesehen hatte diese Plot-Idee in erster Linie die Funktion, eine Erklärung dafür zu liefern, warum Dumbledore nicht selbst gegen den dunklen Magier Grindelwald zu Felde zieht und stattdessen ausgerechnet Freunde wie den Zoologen Newt Scamander (Eddie Redmayne) vorschickt (den man aus irgendeinem Grund zur Hauptfigur der „Tierwesen“-Reihe gemacht hatte).
Wie auch immer: Im finalen Kampf von „Phantastische Tierwesen 3“ wird der magische Bund zwischen Dumbledore und Grindelwald ganz schnell bedeutungslos.
Albus und Gellert können nun schließlich doch gegeneinander kämpfen und beschießen sich eifrig mit Zauberstrahlen, nachdem der vormals ach so feste Blutschwur in Form der Phiole beim Aufeinanderprallen zweier Zaubersprüche zerplatzte. Dem ob dieser Wendung verdutzten Newt, der hier die Stellvertretung des Publikums übernimmt, erklärt Albus nach dem Duell noch fix, dass das alles eben irgendwie Schicksal gewesen sei. Ihm und Grindelwald war zwar der gegenseitige Angriff verboten, er hat aber zunächst ja nur den attackierten Credence (Ezra Miller) gegen Grindelwald verteidigt (an dieser Stelle bereut Dumbledore vermutlich innerlich, dass er vorher nicht schon ins Kleingedruckte des Paktes schaute, denn wäre nicht sowieso auch jeder Angriff auf den gefährlichen Dunkelmagier Gellert als eine Verteidigung der freien Welt zu werten?).
Die echte Erklärung dafür, warum das Duell nun doch möglich ist, dürfte wie so oft in Erwägungen liegen, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben. Vermutlich war sowohl dem Studio als auch dem Kreativteam um Regisseur David Yates klar, dass „Phantastische Tierwesen 3“ bereits der Abschluss der Reihe sein könnte, wenn die Kino-Einnahmen wieder nicht den Erwartungen gerecht werden. Also musste eben schon jetzt ein Kampf zwischen Albus und Gellert her (der zwar nicht das sagenhafte Duell von 1945 ist, das im Potter-Kanon beschrieben wird, aber wenigstens etwas). Es fehlte nur eben die Zeit, den magischen Bund aufwändig – soll heißen: als Höhepunkt eines weiteren Films, wo vielleicht irgendein Anti-Zauber gefunden werden muss – zu brechen. Ähnlich verhält es sich mit Credence alias Aurelius Dumbledore (Ezra Miller).
Credence alias Aurelius Dumbledore: Jetzt mal schnell den Sack zumachen
Aurelius teilt zwar die Frisur und den wütenden Gesichtsausdruck mit Kylo Ren (Adam Driver) aus den „Star Wars“-Sequels, für seine Rückkehr ins Licht braucht er im Unterschied zu seinem Sternenkriegs-Pendant aber nur wenige Szenen in nur einem Film. Albus Dumbledore muss sich den fehlgeleiteten Jungen, der als Sohn von Aberforth Dumbledore enthüllt wird, nur mal anständig zur Brust nehmen und ihn im Endkampf vor Grindelwald beschützen, dann ist Aurelius auch schon wieder beruhigt und auf der Seite des Guten und Gerechten angekommen.
Auch Queenie (Alison Sudol), die sich am Ende des zweiten Films gerade erst in die Gefolgschaft von Grindelwald begeben hatte, braucht kaum mehr als eine liebgemeinte Erinnerung an die guten alten Zeiten mit ihrem Jacob (Dan Fogler), damit sie ihren Irrtum erkennt und seine Braut werden kann – so als wäre nichts gewesen, so als hätte sie nicht gerade eben erst aufseiten der Zauberer-Version von Adolf Hitler gestanden.
Magische Rehe aka Quilins und große Politik passen nicht zusammen
Handelt es sich bei den bisher beschriebenen Auflösungen von „Phantastische Tierwesen 3“ nur um Twists, die zwar holprig erzählt sind, für sich genommen aber keinen großen Schaden anrichten, ist die ganze Nummer mit den magischen Rehen (offiziell werden sie Qilins genannt) Ausdruck einer völlig gescheiterten Verknüpfung von Fantasy und Politik. Weil sich Warner dazu entschied, ausgerechnet ein fiktives Hogwarts-Schulbuch über magische Tiere als Ausgangsmaterial für eine „Harry Potter“-Vorgeschichte zu nutzen, die von politischen Kämpfen in der verborgenen Welt der Zauberer*innen handelt, werden auch in „Phantastische Tierwesen 3“ allerhand Kreaturen in die Handlung gequetscht und die wichtigste Rolle kommt dabei – insbesondere am Ende – zwei Qilin-Kitzen zu.
Da Qilins die Fähigkeit haben, in die Seele von Menschen zu schauen, werden sie bei der Wahl über den neuen Chef der internationalen Zauberer-Gemeinschaft dazu eingesetzt, den am besten geeigneten Kandidaten oder die beste Kandidatin zu finden. Am Anfang des Films werden praktischerweise zwei dieser seltenen Tiere geboren und Gellert Grindelwald konnte sich eines davon schnappen, killen und als per Zauber manipuliertes Zombie-Quilin einsetzen, auf dass es der im Finale versammelten Zauberer-Menge versichere, dass er der beste Kandidat sei.
Dieser Plan wird vom Team Dumbledore in letzter Sekunde vereitelt und das noch lebende Zauber-Reh entscheidet sich für eine Kandidatin aus Brasilien (Maria Fernanda Cândido), die im Unterschied zu Grindelwald keinen Krieg mit den Muggels vom Zaun brechen will.
Undemokratische Botschaft zum Schluss
Man kann es lustig oder niedlich finden, welche Kraft hier einem so zerbrechlichen Wesen wie einem kleinen magischen Reh zugesprochen wird. Womöglich steckt auch eine Aussage zur unterschätzten Weisheit von Tieren drin und vielleicht ist das Qilin einfach nur die „Potter“-Version eines Orakels, das in der Sagenwelt ja ganz unterschiedliche Formen annehmen kann. Nur leider verbindet sich mit den seherischen Fähigkeiten des Quilins eine Botschaft, die undemokratisch ist, ohne als solche problematisiert zu werden.
In der Welt von „Harry Potter“ entscheidet die internationale Zauberer-Gemeinschaft offenbar nur so lange demokratisch über ihren neuen Chef oder ihre neue Chefin, bis gerade ein magisches Reh zur Hand ist, das diese Entscheidung faktisch übernimmt. Nachdem sich das Tier im Finale gegen Grindelwald entschieden hat, wird diese Wahl direkt von den Wählenden akzeptiert. Dabei gehört es ja gerade zum Wesenskern einer Demokratie, dass alle Wähler*innen die anstrengende Arbeit auf sich nehmen sollen, selbst herauszufinden, wer für ein Amt am geeignetsten ist.
Doch die Auflösung mit dem Quilin ist nicht nur undemokratisch, sondern sie verharmlost auch noch die anti-demokratische Ausrichtung faschistischer Bewegungen wie der von Grindelwald.
Denn als das magische Reh der versammelten Menge gezeigt hat, dass Gellert Grindelwald zur Führung der internationalen Zauberergemeinschaft nicht in der Lage sei, scheinen auch Grindelwalds jubelnde Massen direkt davon überzeugt zu sein. Eine noch eben offensichtlich fanatisierte Menge ist ganz plötzlich bekehrt? Man könnte den Macher*innen von „Phantastische Tierwesen 3“ diese Lesart als irgendwie liebenswürdige Naivität auslegen, böte nicht die echte Welt genug Beispiele dafür, dass die Anhängerschaft von Diktatoren, autoritären Herrschern oder populistischen Politikern eben nicht so einfach die Meinung wechselt – selbst Fakten haben darauf keinen Einfluss.
Die treue Gefolgschaft eines Donald Trump etwa glaubte ihrem Anführer, der 2020 die Wahl verloren hatte, dass diese Abstimmung manipuliert worden sei und einige von ihnen stürmten im Januar 2021 das Kapitol. Vor dem Hintergrund solcher Ereignisse wirkt das Ende von „Phantastische Tierwesen 3: Dumbledores Geheimnisse“ kaum wie eine träumerische politische Utopie und mehr wie eine ignorante und verharmlosende Träumerei.
Meine Kollegin Annemarie Havran hat sich für die offizielle FILMSTARTS-Kritik neben dem Ende natürlich auch mit dem Rest von „Tierwesen 3“ beschäftigt und kommt zu einem insgesamt eher positivem Urteil. Hier könnt ihr die Besprechung lesen:
Phantastische Tierwesen 3: Dumbledores Geheimnisse