„The Batman“ ist für Matt Reeves ein sehr persönlicher Film, das wird im Interview mit dem Regisseur schnell deutlich. Immer wieder geht Reeves in unserem Gespräch auf seine eigenen Erfahrungen mit der Figur ein. Und selbst die Besetzung von Robert Pattinson war ein persönlicher Wunsch des Filmemachers, nachdem er diesen im atmosphärischen Gangster-Thriller „Good Time“ gesehen hatte, wie er uns im Interview erzählt.
FILMSTARTS: Warum ist Batman 80 Jahre nach seiner Erfindung immer noch so beliebt?
Matt Reeves: Viele Elemente des Batman-Mythos haben einen starken Bezug zum echten Leben. Er ist eine Figur aus dem Superhelden-Genre, aber er hat keine besonderen Kräfte, sondern nur einen besonders starken Antrieb durchzuhalten und für eine sehr persönliche Sache zu kämpfen.
Jeder kennt seine Origin Story, auch wenn wir sie hier im Film nicht zeigen. Aber man versteht in „The Batman“, dass er diese übermenschlichen Taten vollbringt, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Er wird nie wirklich überwinden, was damals mit ihm passiert ist, aber deswegen ist er auch perfekt geeignet, um sein Leben dieser Sache zu verschreiben. Dass er so menschlich und so voller Fehler ist, macht ihn so einnehmend. Auch wenn wir vielleicht einen anderen Hintergrund als er haben, sehen wir uns trotzdem in ihm wieder. Er ist ein Vorbild, aber auch sehr greifbar und diese Mischung macht ihn aus.
Batman ist der Gegenentwurf zu Superman.
Bob Kane und Bill Finger haben Batman damals im Umfeld von Supermans Erfindung erschaffen, doch das ist eine ganze andere Geschichte, sehr idealistisch, positiv, der amerikanische Traum. Kane und Finger wollten zwar von Supermans Popularität profitieren, aber haben Batman gewissermaßen als Gegenentwurf angelegt. Es hat einen gewissen Charme, dass Gotham so eine kaputte Stadt ist. Es ist ein Spiegelbild unserer Welt, aber es ist auch eine tolle Idee, dass darin ein Typ gegen Korruption und Verfall kämpft.
Als ich mit dem Film angefangen habe, habe ich schnell gemerkt, dass sich mein Blick auf die Figur verändert. Ich liebe Batman schon seit meiner Kindheit, aber als ich am Drehbuch geschrieben habe, habe ich auf einmal bemerkt, wie viele Leute da draußen Batman-Mützen und -T-Shirts und so weiter tragen. Die Leute haben ihre eigenen Vorstellungen von Batman und das war mit einer der schwierigsten Aspekte bei diesem Film.
Ich musste eine neue Version erschaffen, einen Grund, warum die Leute die Figur wiedersehen möchten. Gleichzeitig darf ich aber auch nicht die Aspekte aus den Augen verlieren, die für die meisten Leute zu Batman gehören.
Dieser Film überzeugte Matt Reeves von Robert Pattinson
FILMSTARTS: Was bedeutet Batman denn für dich persönlich?
Matt Reeves: Die „Batman“-Serie mit Adam West kam 1966 raus, meinem Geburtsjahr. Als Kind war ich also besessen von Batman und ich fand die Serie überhaupt nicht albern, sondern super cool. Das Auto, der Umhang, all diese Sachen. Und diese äußerlichen Merkmale liebe ich immer noch, aber als Filmemacher hat mich seine menschliche Seite angesprochen.
Seine Handlungen sind nicht rein altruistisch. Man kann ihn zwar bewundern, aber eigentlich macht er das nur, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Dieser Aspekt der Figur hat mich interessiert, jemand, der weiß, wie kaputt er ist, der einen Sinn sucht und versucht, das hinter sich zu lassen. Das hat mich angesprochen und ist auch der Grund dafür, dass ich Robert Pattinson für die Rolle wollte.
Als ich das Drehbuch geschrieben habe, habe ich einen Darsteller Anfang 30 gesucht, weil es ein Bruce Wayne in seinem zweiten Jahr als Batman sein sollte. Ich habe Robs Karriere schon lange verfolgt, aber dann habe ich den Film „Good Time“ von den Safdie-Brüdern gesehen, in dem Rob einen gewaltige, kinetische, verzweifelte Energie ausstrahlt. Er ist wie eine Naturgewalt. Und gleichzeitig habe ich eine starke Verletzlichkeit gespürt. Und die Verletzlichkeit hat ihn angetrieben.
Da stand für mich fest: Das ist die Version von Batman, die mir vorschwebt. Ich habe die Figur von da an wenigstens in meinem Kopf für Robert geschrieben. Und wie sich herausstellte, hatte ich Glück, weil er auch Batman liebt und die Rolle spielen wollte.
FILMSTARTS: Was war für dich und Robert das wichtigste Thema im Film und bei der Figur Batman?
Matt Reeves: Vergeltung. Die Idee ist, dass er sich noch nicht als Figur etabliert hat, von der die Stadt weiß, dass sie Gutes tun will. Wenn in einer Stadt auf einmal ein selbsternannter Rächer auftaucht und das Gesetz in die eigenen Hände nimmt, ist das eigentlich ziemlich erschreckend. Ich wollte, dass er wie eine Horrorgestalt rüberkommt, weil er versucht dieses Bild aufzubauen und die Kriminellen einzuschüchtern. Ich wollte, dass er aus dem Dunkel heraustritt und gruselig aussieht.
Ich wollte, dass das Publikum sich einer Rachefantasie hingibt.
Und ich wollte, dass sich auch das Publikum dieser Rachefantasie hingibt. Ich habe viel mit Rob darüber gesprochen, dass Batman aus persönlichen Motiven handelt. Jeder Kriminelle, der ihm gegenüber steht, wird für ihn zum Mörder seiner Eltern. Und das ist der Grund, warum es am Anfang nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat. Trotz allem, was er in den letzten zwei Jahren getan hat, ist es in Gotham nicht besser geworden, sondern schlimmer.
Ich wollte also, dass Batman und das Publikum zurecht nach Rache dürsten, aber dann im Laufe des Films anfangen darüber nachzudenken, ob das genug ist und ob das die richtige Vorgehensweise ist. Ich wollte, dass Batman eine Charakterentwicklung durchläuft. Es sollte kein Origin-Story werden, wir sehen ihn also nicht als zehnjährigen Jungen, dessen Eltern sterben.
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Viel interessanter fand ich eine fehlerhafte Figur, einen Typen, der damit ringt, Batman zu sein. Er hat eigentlich überhaupt keine Ahnung was er tut. Er ist besessen davon etwas zu ändern, was er womöglich nie ändern können wird. Und im Verlauf der Geschichte versteht er dann, dass er an sich arbeiten muss. Der Film ist ein Erweckungserlebnis für die Figur.
Das Publikum kann zwar anfangs noch genießen, dass er diese einschüchternde Erscheinung ist, und wir lassen ihn sein „Ich bin Vergeltung“ aufsagen, wenn er auf Verbrecher trifft. Aber im weiteren Verlauf denkt man darüber nach, ob das die richtige Botschaft ist. Sollte es nur um Vergeltung gehen? Wie muss er sich selbst darstellen? Und welchen Einfluss hat das auf die Stadt und ihre Bewohner? Wie kommen wir an einen Punkt, wo er den Antrieb findet, zu etwas Anderem, etwas Besserem zu werden?
Robert hat deswegen Batman aus einer sehr persönlichen Perspektive gespielt und ich habe versucht, den Film gewissermaßen aus Batmans Sicht zu inszenieren. Die Kamera zeigt ständig die Perspektive von Batman.
FILMSTARTS: „The Batman“ bietet nicht nur unglaubliche Bilder, sondern auch eine großartige Soundkulisse. Alleine schon Batmans Stiefel...
Matt Reeves: Meine Sounddesigner Will Files und Douglas Murray begleiten mich schon seit „Cloverfield“ und ich liebe Sound. Ich finde Sound ist einer der wichtigsten Aspekte von Filmen, um eine Atmosphäre zu erschaffen. Visuell wollte ich wie gesagt sehr auf Batmans Perspektive setzen und beim Sound sollte es genauso sein. Man hört immer den Regen um sich herum.
Und bei den Stiefeln haben wir ewig nach dem richtigen Sound gesucht. Ich wollte, dass es der Klang der Furcht ist und sich ein bisschen wie in einem Sergio-Leone-Film anhört. Wir sehen kleine Metallteile an den Stiefeln und haben uns daher überlegt, dass es sich fast wie Sporen anhören könnte. Es sind keine Sporen, aber wenn man die Stiefel aus dem Schatten kommen sieht, ist es wie beim Anfang von „Spiel mir das Lied vom Tod“.
Und dann ist da noch die Musik von Michael [Giacchino], die ebenfalls für eine sensationelle Atmosphäre sorgt, und in den Szenen ohne Musik ein ständiges Dröhnen wie in einem David-Lynch-Horrorfilm. Oder der Sound des Batmobils, daran haben wir auch ewig gearbeitet. Auch das Batmobil soll seine Gegner einschüchtern. Man kann damit nicht einfach vorfahren, das ist nicht der Sinn der Sache. Es muss sich anfühlen wie ein Monster, eine Erscheinung, es musste einschüchternd klingen.
FILMSTARTS: Bruce Wayne macht in deinem Film einige schmerzhafte Fehler. Wie kam es zu dieser Idee, einen Batman zu zeigen, der erst lernt, Batman zu sein?
Matt Reeves: Ich wollte, dass nichts perfekt ist. In der Wingsuit-Szene merken wir, dass Batman das nicht komplett durchdacht hat [einen kleinen Eindruck dieser Szenen gibt es im nachfolgenden Trailer ab Minute 1:46]
Ich habe mir mit meinem Stunt-Koordinator Robert Alonzo und meinem VFX-Supervisor Dan Lemmon alle mögliche Aufnahmen angesehen, etwa einen Motorradfahrer, der bei hoher Geschwindigkeit von seinem Motorrad gestürzt und danach weitergeschlittert ist. Der Mann hat das überlebt, aber irgendwann verfängt sich seine Hand und er fängt an sich zu überschlagen. Und am Schluss bleibt er einfach liegen nach dem Motto „Ich kann nicht glauben, dass ich das überlebt habe“. Und das wollte ich auch.
Batman hat alle möglichen Sachen für verschiedene Situationen erfunden, aber weiß noch nicht, wann und wie und ob er das einsetzen soll. Er weiß immerhin, dass Basejumping nicht das einfachste ist und die Landung nicht gerade weich wird und hat dafür vorgesorgt, aber er konnte es noch nie richtig ausprobieren. Ich wollte, dass Batman die Konsequenzen und die Auswirkungen von jeder seiner Handlungen spürt. Darum ist das auch eine meine Lieblingsszenen im Film.
Es gibt aber auch viele andere solcher Momente, etwa die Kämpfe. Ich habe zu Alonzo immer gesagt: Batman soll nicht nur austeilen, sondern auch einstecken. Er begibt sich in Gefahr und wir müssen den Preis, den er dafür zahlt, fühlen. Er ist keiner dieser komplett unbesiegbaren Superhelden, sondern nutzt seine Ressourcen und seinen inneren Antrieb, aber manchmal denkt man sich: Meine Güte, überlebt er das?
„The Batman“ läuft seit dem 3. März 2022 in den deutschen Kinos.
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