Im Mittelpunkt von „Vikings: Valhalla“ stehen wie schon bei der Originalserie „Vikings“ zahlreiche Figuren, die wirklich gelebt haben. Den legendären Seefahrer Leif Erikson (Sam Corlett) gab es genauso wie seine Schwester Freydís Eiríksdóttir (Frida Gustavsson) und auch Harald Hardråde (Leo Suter) existierte wirklich. Der würde später König von Norwegen, wie in „Vikings: Valhalla“ fleißig geteasert wird. Die zahlreichen Nebenfiguren wie der die Wikinger-Invasion anführende König Kanute (Bradley Freegard) und der Adel auf britischer Seite rund um den im Verlauf der Season eine immer größere Rolle einnehmenden jungen Thronfolger Edmund (Louis Davison) sind historisch belegte Figuren, aber ...
… wie schon „Vikings“ nimmt sich auch die rund 100 Jahre später spielende Nachfolgeserie viele Freiheiten. Ereignisse, die in Wirklichkeit Jahrzehnte auseinanderlagen, werden hier zu einer kurzen Abfolge verdichtet und auch deutlich dramatisiert. Dabei treffen Figuren aufeinander, obwohl das in der Realität wohl nie passierte und sie teilweise an diesen Ereignissen nicht beteiligt waren. Und es werden wieder fleißig Figuren erfunden – so auch Estrid Haakon (Caroline Henderson).
Eine fiktive Herrscherin für einen fiktiven Ort
Diese Figuren braucht es in „Vikings: Valhalla“ auch aufgrund der Verbindung zur Ursprungsserie. Schließlich will man sich dem immer weiter entwickelnden, nun schon zu einer Art Küsten-Metropole angewachsenen Kattegat eine Linie von der Originalserie zur neuen Produktion zeichnen. Doch schon Kattegat war eine reine Erfindung von „Vikings“-Macher Michael Hirst. Den Ort gab es in echt nicht.
Da sein Nachfolger Jeb Stuart („Stirb langsam“) auch darauf achtet, dass die realen Figuren zumindest mit ihren realen Herrschaftsgebieten verknüpft sind, kann keine reale existierende Figur dort regieren. Es braucht für die Regentschaft über Kattegat als wichtigen Handlungsort der neuen Serie also eine fiktive Figur: So entstand Estrid Haakon, die von ihrem verstorbenen Mann die Position als Jarl (quasi das Wikinger-Gegenstück zu einem Grafen oder Earl) geerbt habt. Und für diese Rolle besetzte man mit Schauspielerin Caroline Henderson auch bewusst eine Person Of Color.
Eine vielfältigere Wikinger-Welt
In einem Interview mit Den Of Geek zum Serienstart verriet Henderson: Ihre Figur zeige, dass die Wikinger-Welt eben deutlich vielfältiger war, als wir so allgemein annehmen. Dabei stützt sie sich auch auf moderne DNA-Forschungen. Diese zeigen, dass die Wikinger unter anderem auch nach Nordafrika und Asien gereist sind: „Natürlich haben sie von dort Sklaven und Wissen mitgebracht – aber sich auch verliebt. Wahrscheinlich haben PoC daher immer in der Wikinger-Gemeinschaft existiert.“
Daher ist der Einbau dieser fiktiven Figur mit diesem Hintergrund für Henderson ein Gewinn, denn „ich denke, das ist näher an der Wahrheit, als was wir bisher [in Wikinger-Geschichten] gesehen haben.“
Die ersten Kritiken zu "Vikings: Valhalla" sind da: Die Netflix-Fortsetzung ist blutig – aber auch gut?Am Hof von Kattegat, wo schon in der Erzählung der Originalserie viele Wikinger von ihren Raubzügen zurückkehrten und dann in dieser Logik auch die Sklaven abgeladen haben, sind so auch weitere PoC zu sehen.
Die in Schweden und Dänemark vor allem als Sängerin erfolgreiche Henderson zieht zudem Verbindungen zu ihrer eigenen Geschichte: „Ich bin selbst in einer sehr hochrangigen, vornehmen, schwedischen und fast ausnahmslosen weißen Familie aufgewachsen. Und mein Vater war ein Afroamerikaner. Meine Vorfahren auf schwedischer Seite kann ich verfolgen, da sie so etwas wie Priester waren und Land schon vor hunderten Jahren besessen haben. Es fühlt sich an, als wäre ich sie – nur in einer modernen Version“, so Henderson gegenüber Den Of Geek.
Schon "Vikings" wusste: Fiktion ist spannender als Historie
Auch wenn die Figur Estrid Haakon eingebaut wurde, um damit die Vielfältigkeit der Wikinger-Welt zu unterstreichen, haben die insgesamt zahlreichen Abweichungen und Dramatisierungen der wahren Geschichte natürlich vor allem eine andere Funktion.
Schon „Vikings“-Erfinder Michael Hirst erklärte zu seiner 2013 auf dem amerikanischen History Channel gestarteten Serie, warum es trotzdem keine historische Nacherzählung ist: Damit erreiche man ein paar Hundert, vielleicht auch ein paar Tausend Menschen. Ihm gehe es aber um ein Millionenpublikum.
Das trifft auf die nun groß auf Netflix gestartete Nachfolgeserie noch mehr zu. Dass unter anderem viel Action bei„Vikings: Valhalla“ den Vorrang vor historischer Korrektheit hat, zeigt sich ja schon daran, dass ein echter Action-Spezialist nun das Ruder in der Hand hat. Die Verantwortung trägt schließlich Jeb Stuart, der Ende der 80er bis Mitte der 90er ein erfolgreicher Action-Autor in Hollywood war und die Drehbücher zu Klassikern wie „Stirb langsam“, „Lock Up“ und „Auf der Flucht“ schrieb, bevor er sich aus privaten Gründen für über ein Jahrzehnt zurückzog.