+++Meinung+++
Von allseits bekannten Klassikern wie „Taxi Driver“ und „Goodfellas“ bis hin zu „The Wolf of Wall Street“ und „The Irishman“: Regielegende Martin Scorsese und New York sind untrennbar miteinander verbunden. Doch neben seinen berühmten, zumeist rauen und gewalttätigen New-York-Filmen gibt es noch einige weniger beachtete Filme, in denen der Meisterregisseur die zahlreichen Facetten des Big Apple festhält. Zu diesen öfters vergessenen Regiearbeiten zählt auch das einst von der Kritik verrissene und gefloppte Jazz-Drama „New York, New York“, dessen Misserfolg Scorsese in eine Sinnkrise stürzte, aus der er sich erst Jahre später wieder kämpfen konnte.
Mittlerweile genießt der während des Siegeszugs des ersten „Star Wars“-Teils ins Kino entlassene Flop jedoch den Ruf eines verkannten Musical-Kleinods. Mit ein paar Monaten Vorlauf zum 45-jährigen Jubiläums des Dramas mit Robert De Niro spendiert Koch Media dem Film jetzt aber endlich eine gebührende Heimkino-Edition: Das neue 3-Disc-Mediabook enthält „New York, New York“ in sogleich zwei Schnittfassungen – die Kinofassung feiert somit ihre deutsche HD-Premiere!
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Während der Film zu den weniger bekannten Arbeiten Scorseses gehört, hat es ein Song aus ihm übrigens zu Weltruhm gebracht: „Theme from New York, New York“, komponiert von den Musicalgrößen John Kander und Fred Ebb, wurde durch die 1979 veröffentlichte Coverversion von Frank Sinatra förmlich unsterblich und zur inoffiziellen Hymne der „city that never sleeps“.
"New York, New York": "La La Land" im Big Apple
New York im Jahre 1945: Die begnadete Sängerin Francine (Liza Minelli) und der ambitionierte Saxophonist Jimmy (Robert De Niro) sind ineinander verliebt und teilen ihre Begeisterung für Jazz-Musik. Doch eben diese gemeinsame Leidenschaft wird noch zum Prüfstein ihrer Beziehung. Während Francine das Genre allmählich für ein breiteres Publikum adaptiert, schwört Jimmy auf die anspruchsvollen Fundamente des Jazz.
Die angeregten Debatten über Kunstgrundsätze sind mal Ausdruck von Leidenschaft, mal drohen sie, die Liebenden zu entzweien. Und die rasanten Entwicklungen im Unterhaltungsgeschäft sind ebenfalls kein Zuckerschlecken... Martin Scorsese verbindet eine schwärmerische, doch keinesfalls einfach gestrickte Liebesbeziehung mit einer komplexen Auseinandersetzung mit Kommerzialität, künstlerischen Passionen sowie mit stilistischen Wandeln in der Kunst.
Das sind die Themen, die Jahrzehnte später der Oscar-Abräumer „La La Land“ ebenfalls angepackt hat – inklusive des Schwerpunkts auf die Faszination Jazz und Dynamik. Ryan Gosling/Robert De Niro schwärmen dabei vom „puren“ Jazz, während Liza Minelli/Emma Stone Figuren spielen, die nach den Mainstream-Sternen greifen. Tonal liegen die beiden Filme allerdings weit auseinander:
La La LandWährend sich Regisseur Damien Chazelle in „La La Land“ stilistisch zu weiten Teilen auf die bunten, lebensfrohen Musicalklassiker der MGM-Studios bezieht und seine Tanzszenen zelebriert, zieht Scorsese mehr Parallelen zu dramatischen Musical-Geheimtipps ohne glamouröse Tanzsequenzen. Zudem wurde „New York, New York“ aufgrund seiner Ästhetik wiederholt als „Film-noir-Musical“ beschrieben – eine Kategorie, in die „La La Land“ wohl niemand stecken würde.
Ein Flop, zwei Fassungen
Um die Jazz-Mentalität, wie sie der Protagonist in „New York, New York“ vertritt, filmisch voll auszuleben, beschloss Martin Scorsese, am Set auf Improvisation zu setzen und seinem Cast in den Dialogszenen nahezu freies Geleit zu lassen. Das führte jedoch zu einer nahezu albtraumhaften Postproduktion: Während Scorsese und sein vierköpfiges Schnittteam hart daran arbeiteten, aus den improvisierten Dialogen einen kohärenten Film mit nahtlosem Erzählfluss zu formen, saß dem Regisseur ein ungeduldiges sowie unzufriedenes Studio im Nacken.
Das fürchtete, dass „New York, New York“ nicht massentauglich genug wird und nahm quasi die Position von Liza Minellis Figur ein, die befindet, dass eine engstirnige Prinzipientreue zu nichts führt, wenn man niemanden erreicht. Bei der Kinoveröffentlichung setzte sich das Studio durch, doch später feierte Scorseses über 20 Minuten längere Schnittfassung ihre Premiere im Heimkino.
In Deutschland wurde auf DVD die kompaktere Version veröffentlicht, 2011 feierte „New York, New York“ dann sein deutsches Blu-ray-Debüt. Auf der Edition war jedoch ausschließlich die Langfassung des Films enthalten. Darüber, welche Version die bessere ist, lässt sich allerdings eifrig streiten – daher ist die jetzt erschienene, neue Edition von Koch Media die optimale Lösung: Beide Schnittfassungen sind auf jeweils einer Blu-ray-Disc enthalten, darüber hinaus enthält das Mediabook eine Bonus-DVD.
Als Extras sind unter anderem ein Audiokommentar, geschnittene Szenen, ein alternatives Ende und eine zweiteilige Begleitdokumentation enthalten. Und die unterstreicht noch einmal deutlich, was bereits der Film (egal in welcher Schnittfassung) suggeriert: „New York, New York“ ist der persönlichste Spielfilm Scorseses, da er hier seine Liebe zu New York völlig unverblümt auslebt und seine komplexen Gedanken darüber, wie treu man sich in seiner Kunst bleiben sollte, nuanciert verbalisiert. Nicht zuletzt deshalb ist „New York, New York“ eine waschechte Empfehlung für alle Fans des Meisterregisseurs, die ihn primär durch sein Gangsterkino kennen.
Denn „New York, New York“ ist nicht nur eine Liebeserklärung an die komplexen Facetten New Yorks und die so leichtgängig wirkende, aber hochkomplizierte Kunst der Jazzmusik. Der Film ist auch ein Paradebeispiel für die sensiblere, emotional verletzlichere Seite Scorseses – verpackt in opulente, prächtig stilisierte Bilder, bereichert durch das völlig freidrehende Schauspiel seines Casts.
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