Als jüngst Netflix eine große Filmvorschau für das Jahr 2022 veröffentlichte, war von „Blonde“ mal wieder keine Spur. Und einige Filmfans waren direkt besorgt: Hat Netflix das Projekt nun endgültig fallengelassen? Schließlich ranken sich seit geraumer Zeit die wildesten Gerüchte um „Blonde“, nachdem Regisseur Andrew Dominik sein Biopic über Schauspiellegende Marilyn Monroe mit Ana de Armas in der Hauptrolle bereits 2019 drehte und es eigentlich in der Oscar-Saison 2020 erscheinen sollte, doch noch immer jede Spur davon fehlt.
Es hieß, dass Netflix einen Skandal fürchte. Der Film sei zu hart, zu kontrovers und müsse komplett neu geschnitten werden, weil ihm mit einem NC-17-Rating die höchste mögliche Altersfreigabe erteilt wurde. Diese Freigabe, die seit 1990 das vorher Pornos vorbehaltene X-Rating ersetzt, bedeutet, dass der Film nur Erwachsenen gezeigt werden darf. In den seltenen Fällen, in denen es verteilt wird, greifen die traditionellen Hollywood-Studios fast immer zur Schere, um den Film doch auf ein R-Rating runter zu kürzen. So erscheinen nur ganz selten Filme mit einem NC-17-Rating im Kino.
Am Rande der Premiere seiner neuen Nick-Cave-Dokumentation „This Much I Know To Be True“ auf der Berlinale 2022 sprach Regisseur Andrew Dominik nun über „Blonde“ und räumt mit Gerüchten auf.
"Blonde" ist der beste Film, den es gerade in der Welt gibt
Ja, sein Film sei kontrovers. Und das Publikum müsse eine Menge schlucken. „Blonde“ verlange einem eine Menge ab, aber er sei unglaublich zufrieden. Und Andrew Dominik zeigt sich selbstbewusst: „‚Blonde‘ ist der beste Film, den es gerade in der Welt gibt. Er ist ein Knockout. Er ist ein Meisterwerk!“, so der „Killing Them Softly“-Regisseur gegenüber ScreenDaily.
Ob das Publikum das auch so sieht? Das scheint Dominik egal zu sein: „Wenn das Publikum ihn nicht mag, dann ist es das Problem des verdammten [„fucking“] Publikums.“
"Blonde": Bald in Cannes? Später auf Netflix!
Doch wann können wir „Blonde“ nun sehen? Bei den Filmfestspielen von Cannes im Mai 2022 soll sein Film Premiere feiern. Cannes-Chef Thierry Frémaux habe „Blonde“ bereits gesehen und liebe den Film, so Dominik. Problem ist aktuell noch, dass in Frankreich vorgeschrieben ist, dass Festivalpremieren danach ins Kino kommen müssen und erst 15 (!) Monate später auf Netflix laufen dürfen. So lange will man nicht warten. Man habe acht Monate Exklusivität angeboten, um im Wettbewerb von Cannes laufen zu können, was aber abgelehnt wurde. Das sei lächerlich, so Dominik. Es sehe nun so aus, als würde „Blonde“ so außer Konkurrenz laufen, um jener Regelung aus dem Weg zu gehen. Allerdings betrifft die Regel bisher alle Vorführungen auf dem renommierten Festival. Es bleibt also abzuwarten, ob doch noch irgendeine Ausnahmegenehmigung getroffen wird.
Über einen Netflix-Start spricht er noch nicht, doch der dürfte dann womöglich Ende des Jahres 2022 erfolgen. Doch was ist nun all den Problemen hinter den Kulissen? Auch hier hatte Dominik einige Dinge zu sagen.
Dominik: "Die Altersfreigabe ist ein Haufen Pferdescheiße"
Andrew Dominik bestätigt, dass auf Drängen von Netflix der Film noch einmal überarbeitet wurde und Editorin Jennifer Lame („Tenet“, „Marriage Story“) an Bord kam. Er sei deswegen zuerst sehr negativ eingestellt gewesen, aber Lame habe es geschafft, den Film dichter zu machen. „Ich habe entschieden, ihr dabei zu helfen, was sie tun wollte. Ich habe für sie gearbeitet. Und wir haben den Film besser gemacht.“
Um eine niedrigere Altersfreigabe ging es bei den Änderungen auch nicht. Dominik räumt zwar ein, dass Netflix keinen Film mit einem NC-17-Rating wollte, aber als es darauf ankam, habe ihn der Streamingdienst unterstützt. Und so bekomme „Blonde“ in der nun finalen Fassung auch das NC-17-Rating, was Dominik aber nicht verstehen kann: Die Freigabe sei ein „Haufen Pferdescheiße“ und politisch motiviert: „Wenn ich mir eine Episode von ‚Euphoria‘ anschaue, ist das viel grafischer als alles, was wir in ‚Blonde‘ zeigen.
Kontroverse Szenen in "Blonde"
Über einige der grafischen Szenen in „Blonde“ spricht Dominik auch – und widerspricht dabei der Berichterstattung, dass Netflix sein Veto gegen einzelne Szenen eingelegt habe. Dass Netflix Probleme mit einer angeblich sehr blutigen Szene rund um Oral-Sex während der Menstruation hatte, wie teilweise berichtet wurde, sei „lächerlich“.
Zudem bestätigt er, dass eine Vergewaltigungsszene aus der gleichnamigen Vorlage von Joyce Carol Oates in seinem Film enthalten ist. Bei Oates' „Blond“ handelt es sich nicht um ein Sachbuch, sondern um einen Roman, bei dem Teile von Monroes Leben fiktionalisiert wurden.
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Dominik verteidigt Ana de Armas
Und wo wir schon bei Gerüchten sind: Bei den Gründen für die Verzögerungen wurde auch viel über Hauptdarstellerin Ana de Armas gemunkelt. Die gebürtige Kubanerin, welches zuletzt in „Keine Zeit zu sterben“ einen beeindruckenden Auftritt hinlegt, habe einen zu starken Akzent. Daher hätte ihre Rolle komplett neu eingesprochen werden müssen, hieß es.
Dominik bestätigt nun, dass man natürlich daran arbeiten musste, dass de Armas amerikanischer klinge. Aber das sei nicht so umfangreich gewesen. Und sonst hat er nur lobende Worte für seinen Star: „Das Einzige, worüber sich niemand beschweren wird, ist Anas Performance. Ich habe mit vielen Schauspieler*innen gearbeitet – und dieses Mädchen kann alles. Sie hat mehr Speed als alle anderen.“
Schon jetzt steht „Blonde“ bei vielen Filmfans auf der Liste der meisterwarteten Projekte des Jahres ganz weit oben. Das dürfte sich mit diesen Worten von Dominik nicht ändern. Ob der Film dann wirklich den forschen Tönen des Regisseurs gerecht wird, bleibt abzuwarten. Wir dürften es noch im Laufe des Jahres 2022 bei Netflix und vielleicht auch in ausgewählten Kinos erleben.
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