Es ist ein uraltes, doch nicht allzu sehr an den Haaren herbeigezogenes Klischee: Während in den USA Gewalt im Film oft schulterzuckend akzeptiert wird, flippen die Amis bei Sex im Kino völlig aus – und sind somit das genaue Gegenteil von uns Deutschen. Eines von vielen Beispielen, die das unterstreichen, ist das Erotikdrama „Wilde Orchidee“ mit Mickey Rourke, Jacqueline Bisset und Carré Otis. In den USA schaffte es der Film nämlich bloß in seiner zahmeren R-Rated-Fassung ins Kino. Auf DVD erschien zwar die unzensierte Fassung, auf Blu-ray kam aber wieder nur die Kinofassung heraus.
In Deutschland dagegen ist diese Woche die Unrated-Fassung im Blu-ray-Mediabook erschienen. Für diese Veröffentlichung hat der Verleih Capelight sogar die lange verloren geglaubte Stereo-Synchronfassung ausfindig gemacht – einzig für eine einzelne Dialogszene musste man auf Mono-Ton als Back-up zurückgreifen. Alternativ kann man beim Angucken natürlich auch schlicht zum ebenfalls auf der Disc enthaltenen Originalton wechseln.
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"Wilde Orchidee": Die Story und die Kontroverse
In „Wilde Orchidee“ spielt Supermodel Carré Otis die junge, unerfahrene Anwältin Emily, die kurzfristig einen Termin für eine Kollegin übernimmt – und daher den geheimnisvollen Millionär James Wheeler (Mickey Rourke) kennenlernt. Dieser hat eine magnetische Anziehungskraft auf Emily, und es dauert nicht lange, bis er sie in immer zügellosere sexuelle Spiele involviert...
Eine naive, junge Frau, die in eine Sexbeziehung mit einem mysteriösen Reichen mit ungewöhnlichem erotischem Appetit stolpert? Kneift man die Augen ein wenig zusammen, weckt dies Erinnerungen an „Fifty Shades of Grey“. Und ähnlich wie die Bestseller-Adaption mit Dakota Johnson und Jamie Dornan wurde auch „Wilde Orchidee“ seinerzeit für das Schauspiel des zentralen Filmpaars gescholten.
Trotz der für die Goldene Himbeere nominierten Performances hat „Wilde Orchidee“ allerdings den BDSM-Romanverfilmungen etwas voraus: Während die Sexspielchen von Johnson und Dornan von der Kritik als wenig prickelnd beurteilt wurden, knisterte es zwischen Rourke und Otis (die damals ein Paar waren) gewaltig. So sehr sogar, dass hartnäckige Gerüchte entstanden, die finale Sexszene sei gar nicht gespielt: Regisseur Zalman King habe angeblich seine zwei Stars beim echten Geschlechtsakt abgefilmt.
Diese Gerüchte brachten „Wilde Orchidee“ eine Kontroverse ein – aber auch ordentlich Publicity. Rourke und Otis dementierten die Berichte konsequent, King hingegen übte sich zu seinen Lebzeiten in eindeutig auffälliger Uneindeutigkeit. Ganz gleich, was denn nun wirklich am Set vorgefallen ist: Das 1989 produzierte Erotikdrama befindet sich damit in guter Gesellschaft, denn alle Jahre wieder kommt ein Film aus dem Mainstream (oder dem mainstream-tauglichen Arthouse) daher und kurbelt mit täuschend echten oder tatsächlichen Sexszenen gewaltig den Diskurs an.
Hier wird nicht (nur) vorgetäuscht!
Ein spannendes Beispiel ist Gaspar Noés sexuell explizites Drama „Love“ über eine Beziehung, die durch einen Dreier aus den Bahnen gelenkt wird. Viele der in sehr plastischem 3D gedrehten Sexszenen waren vorab nicht durchgeplant, weshalb sie auch so authentisch wirken. Bezüglich deren Echtheit gibt der Kinoprovokateur seinem Publikum ein Rätsel auf, denn laut ihm sind einige der sexuell drastischen Szenen real, manche dagegen simuliert – und Noé überlässt es unserem Vorstellungsvermögen, welche Sequenzen wir in welche Kategorie einordnen.
Ein anderer Provokateur hat in seinem drastischen Erotik-Drama ebenfalls getrickst. Und doch ist es ein Arthouse-Epos voller durch und durch echtem Sex. Gemeint ist Lars von Triers „Nymph()maniac“ mit Charlotte Gainsbourg, Mia Goth und Willem Dafoe: Die expliziten Sexszenen filmte von Trier mit Hilfe von Körperdoubles, die pornografische Erfahrung haben. Daraufhin wurden digital die Köpfe der Stars in die Szenen eingefügt – von Trier machte sozusagen Deepfakes, mehrere Jahre, bevor dies ein Begriff wurde. Der Sex ist also echt, nur sind andere Personen dran beteiligt, als man es den im Film zu sehenden Gesichtern ablesen würde.
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Ohne solche Trickserei kam derweil der britische Sex-und-Konzertfilm „9 Songs“ aus, der mit seiner sexuellen Drastik für hitzige Debatten sorgte. Regisseur Michael Winterbottom erzählt darin von einer jungen Liebe – und das anhand von neun Konzertbesuchen und dem anschließenden Sex.
Die zwei Stars des Films Kieran O'Brien und Margo Stilley werden unter anderem beim gemeinsamen Masturbieren sowie beim Cunnilingus und Fellatio gezeigt, ebenso wird Stilleys Penetration durch O'Brien auf Film festgehalten. Und all das unsimuliert. In Deutschland gab es übrigens trotzdem eine FSK-Freigabe ab 16 Jahren.
John Cameron Mitchells Dramödie „Shortbus“ blieb das dagegen verwehrt. Dem Film winkte, nicht zuletzt aufgrund der expliziten, echten Orgienszene in einem New Yorker Swingerclub, eine Freigabe ab 18 Jahren. Während der Suche nach Darsteller*innen für diese Szene erhielt der Regisseur übrigens etwa 500 Bewerbungsvideos – darunter eines des (letztlich auch für den Film besetzten) DJs Paul Dawson, der sich in dem Clip bis zur Vollendung oral selbst befriedigte.
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