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    Bushido-Doku bei Amazon Prime: Unterhaltsam, aber mit großer Vorsicht zu genießen
    Pascal Reis
    Pascal Reis
    -Redakteur
    Roman Polanski entfachte Pascals Leidenschaft für das Kino. Bevorzugt hält er sich in den 1970er-Jahren auf und fühlt sich in jedem Genre heimisch.

    Seit Freitag ist die Doku-Serie „Unzensiert - Bushido's Wahrheit“ auf Amazon Prime Video. Das Zerwürfnis zwischen dem Gangsterrapper und Clan-Chef Arafat Abou-Chaker irritiert als krude Mischung aus Trash-TV, True-Crime-Saga und Hip-Hop-Historie.

    Amazon Prime Video

    +++ Meinung +++

    Es als Medienereignis zu beschreiben, wäre vielleicht etwas zu hochgegriffen. Ein ausgeprägtes Interesse an der Dokumentation „Unzensiert - Bushido's Wahrheit“, die seit vergangenem Freitag via Amazon Prime Video gestreamt werden kann, lässt sich jedoch nicht bestreiten. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zum einen wird den Zuschauer*innen hier ein intimer Einblick in das Privatleben des vielleicht größten Deutschrappers aller Zeiten versprochen, zum anderen erhält das sechs Episoden umfassende Format durch seine Bezüge zur Clankriminalität augenscheinlich gesellschaftspolitische Relevanz.

    Man könnte es auch anders zusammenfassen: Anhänger*innen, Gegner*innen und neutral eingestellte Personen in Bezug auf Bushido sollen bei „Unzensiert“ auf ihre Kosten kommen, weil hier für alle Parteien thematisch durchaus etwas geboten wird. Jedenfalls soll einem dieser Eindruck zu Anfang vermittelt werden. Nachdem man sich die sechs Folgen angeschaut hat, ist die titelgebende Wahrheit allerdings nicht als schockierende oder eindrückliche Offenbarung zu verstehen, stattdessen funktioniert die Serie vielmehr als Imagepflege von Bushido, dessen Standing in der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren mehr als nur gelitten hat. Aber überrascht dieses Resultat wirklich jemanden?

    ›› "Unzensiert" bei Amazon Prime Video*

    "Bushido's Wahrheit" ist mit Vorsicht zu genießen

    Man begibt sich mit „Unzensiert“ auf einen überaus schmalen Grat. Nicht nur in dem Fall, wenn man treue*r Beobachter*in des Rappers ist und den seit nunmehr einem Jahr anhaltenden Gerichtsprozess verfolgt, in dem Bushido als Zeuge und Nebenkläger gegen seinen Ex-Manager und mutmaßlichen Clan-Führer Arafat Abou-Chaker sowie dessen drei Brüder antritt. Bedenklich ist die Dokumentation, weil sie quasi Vetternwirtschaft betreibt und damit jeglichen investigativen Gedanken von vornherein negiert. Inszeniert wurde die Serie nämlich vom Regie-Duo Rossberg/Gregorski, enge Vertraute von Bushido, während die Axel-Springer-Tochter Content Factory die Produktion übernommen hat.

    Inzwischen ist es kein Geheimnis mehr, spätestens seit dem letzten Auftritt von Bushido in Kurt Krömers Sendung Chez Krömer, wissen nun auch Bushido-ferne Bürger, dass der skandalumwitterte Künstler eng mit der BILD zusammenarbeitet. „Unzensiert“ folgt daher dem Auftrag, Bushido zu vermenschlichen, nachdem er mehr als 20 Jahre damit beschäftigt war, über seine Musik und Interviews eine eiserne Härte in die Gesellschaft zu tragen, die stetig von Arafat Abou-Chaker in seinem Rücken geschützt wurde. Bushido hatte Narrenfreiheit. Jedenfalls bis zum auch in der Doku lang und breit besprochenen Bruch zwischen Bushido und seinem ehemaligen Freund, Förderer, Beschützer und Geschäftspartner.

    Das Problem an der Doku ist nun, dass sie auf Biegen und Brechen versucht, Bushido als sensiblen Menschen darzustellen, der gleichmaßen fragil und liebenswert ist. Immer wieder darf er mit glasigen Augen seine Vergangenheit bereuen, mit seinen Kindern spielen und seine Frau umarmen. Nie traut sich die Serie wirklich, die ambivalente Persona Bushido kritisch zu durchleuchten. Stattdessen bekommt man in dieser etwas ungelenken, aber nichtsdestotrotz unterhaltsamen Mischung aus Hip-Hop-Historie, Familiengeschichte und True-Crime-Saga den psychisch wie physisch gezeichneten Vollzeitpapa Anis Ferchichi vorgestellt. Bushido war einmal, jedenfalls hier.

    Bushido macht auf Kardashian

    Der journalistische Auftrag einer Dokumentation, nämlich die wertneutrale Wiedergabe und Kombination von Tatsachenmaterial, unterliegt zwei elementaren Aspekten: Der Authentizität und dem Wirklichkeitsanspruch. „Unzensiert“ allerdings ist tendenziös, verklärend, mitleidheischend und final auch belanglos. Es gibt keine Gegenperspektive, die hier in irgendeiner Form in der Lage wäre, Bushidos Beharren darauf, dass er sich verändert hat, ein besserer Mensch geworden ist und seine Vergangenheit im höchsten Maße bereut, widerlegt – oder eben außenstehend bestätigt. Der innere Kreis, in dem sich die Doku bewegt, ist befangen und damit als Statement irrelevant.

    „Unzensiert - Bushido's Wahrheit“ ist das weit unglamourösere Pendant zum Reality-Hit „Keeping Up With The Kardashians“. Man wohnt der Familie Ferchichi bei und die drehen sich ihre Welt vor der Kamera, wie sie ihnen gefällt – respektive wie sie in dieser am besten dastehen können. Dass Bushido mit Sicherheit kein Kind von Traurigkeit ist, steht außer Frage. Dass Menschen sich ändern können, ist ebenfalls Tatsache. Um eine Entwicklung glaubwürdig darzustellen, benötigt es aber den Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen. Das passiert in diesem Falle nicht. Die Wahrheit, die der Titel verspricht, liegt hier nicht einmal im Auge des Betrachters. Sie ist inszeniert, ein Rettungsanker, der dem Rapper vor Gericht aber kein Stück weiterhelfen wird.

    Das sollte man sich stets vor Augen führen. Doch wenn man sich damit anfreunden kann, ist die Serie durchaus kurzweilig. Denn so fragwürdig und teilweise auch am Thema vorbei „Unzensiert“ auch sein mag, man muss gestehen, dass die Dokumentation allein durch ihr Tempo eine gewisse Sogwirkung entwickelt und in den (in vielerlei Hinsicht) hermetisch abgeriegelten Kosmos von Bushido und seiner Familie hineinzieht – sei es letztlich auch nur aus voyeuristischen Gossip-Gründen. Langeweile kommt hier jedenfalls defintiv nicht auf. Zu welchem Preis für Bushido das nun geschieht, wird sich am Ende der Verhandlungen vor Gericht herausstellen.

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