+++ Meinung +++
„Dexter“ war für mich nie eine besonders smart oder subtil geschriebene Serie. Doch die hoch spannende Prämisse rund um einen Serienkiller, der ein Doppelleben führt, und die grandiose Darstellung der Hauptfigur durch Michael C. Hall haben mich dennoch acht Staffeln lang bei der Stange gehalten. Leider nahm die Qualität der Serie nach den ersten vier Jahren deutlich ab. Die Handlung wurde immer unglaubwürdiger, es mussten immer krassere Killer gefunden werden und am Ende hatte Dexter sein Geheimnis schon so vielen Leuten verraten, dass man es gar nicht mehr als Geheimnis bezeichnen konnte.
Die Serie hatte einfach den Ausstieg verpasst. Ein so extremes Doppelleben wie das von Dexter Morgan, lässt sich eben nur für eine begrenzte Zeit glaubwürdig aufrechterhalten. „Breaking Bad“-Autor Vince Gilligan wusste das und beendete sein Serien-Meisterwerk um Drogenkoch Walter White nach knackigen fünf Staffeln. Alle waren zufrieden. Doch „Dexter“ lief so lange, bis Season 8 das Crime-Drama auf eine Art und Weise beendete, das als eines der enttäuschendsten Serien-Finales aller Zeiten in die TV-Geschichte einging.
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„Dexter: New Blood“ soll nun Wiedergutmachung leisten und dafür wurde extra Clyde Phillips, der Showrunner der starken ersten vier Staffeln, wieder an Bord geholt. Doch nachdem ich nun die erste Episode des Revivals gesehen habe, muss ich leider sagen: Der Auftakt von „New Blood“ erinnert schmerzlich daran, wie plump und dumm „Dexter“ in seinen schwächsten Momenten sein kann.
Die Handlung von "Dexter: New Blood"
Spoiler-Warnung zum „Dexter“-Finale und der ersten Folge „Dexter: New Blood“:
Dexter Morgan (Michael C. Hall) hat seine Serienkiller-„Karriere“ an den Nagel gehängt. Nachdem er in seiner alten Heimat Miami seinen Tod vortäuschen konnte, flüchtete er in den Bundesstaat New York, wo er sich in den vergangenen zehn Jahren in einer verschneiten Kleinstadt eine neue Identität aufbauen konnte. Dexter heißt nun Jim Lindsay, ist in der Gemeinde sehr beliebt und mit der örtlichen Polizeichefin Angela Bishop (Julia Jones) liiert.
All die Zeit lang konnte Dexter seine nach Blut lechzenden Triebe zurückhalten, auch dank seiner verstorbenen Schwester Debra (Jennifer Carpenter), die ihn als sein personifiziertes Gewissen immer wieder von bösen Taten abhielt. Doch als eines Tages ein gemeingefährlicher Depp auftaucht und sich mit Dexter anlegt, wird der abstinente Serienmörder auf eine harte Probe gestellt. Zu allem Überfluss bekommt er dann auch noch Besuch von seinem Sohn Harrison (Jack Alcott), den er aus Sorge, kein guter Vater zu sein, einst aus seinem Leben verbannte.
Mit Spannung erwartet
Was mich an „Dexter: New Blood“ besonders reizte, waren zwei Aspekte: Erstens das unverbrauchte Setting. Im Vergleich zum heiß-schwülen Miami liefert der kühle Nordosten der USA stattdessen klirrende Kälte und anstelle der multikulturellen Großstadt erwartet uns eine eher ländliche Gegend mit einem fast schon familiären Zusammenhalt. In dieser Hinsicht liefert „New Blood“ auch gut ab. Das Revival schafft es in der ersten Folge sehr gut, das Lebensgefühl und die Bräuche der Einheimischen zu transportieren und somit einen interessanten neuen Schauplatz zu kreieren.
Noch spannender fand ich es aber, wie sich die Figur Dexter Morgan seit dem Finale von Staffel 8 entwickelt hat. Der Killer war ganze zehn Jahre lang ohne Mord – so lange hat er es seit seiner Kindheit nicht ausgehalten! Ich war gespannt, wie Dexter das geschafft hat und was passieren muss, damit er nach so langer Zeit dann doch wieder zum Messer greift. Die Antworten auf beide Fragen fielen für mich jedoch enttäuschend aus.
Ein unglaubwürdiger Auftakt
Denn „Dexter: New Blood“ will mir tatsächlich weismachen, der blutrünstige Killer hätte seine Triebe allein damit unter Kontrolle gebracht, weil er nun Tag für Tag eine feste Routine hat, etwa indem er einen weißen Hirsch durch den Wald jagt, dann aber im entscheidenden Moment nicht den Abzug drückt, um ihm am nächsten Tag wieder durch den Wald zu jagen. Das kauf ich ihm aber zu keinem Zeitpunkt ab!
Ich habe mir schließlich acht Staffeln „Dexter“ angesehen, in denen der Protagonist ständig damit kämpfte, seinen „dunklen Begleiter“ – wie er seine Mordlust nennt – unter Kontrolle zu kriegen. So viele schlimme Dinge hat er angerichtet, so viele Auswege gesucht. Nie hat irgendetwas davon geklappt. Ein bisschen Routine, um sich auf andere Gedanken zu bringen: Das darf doch einfach nicht reichen!
Klar, Debras Tod war ein besonders harter Schicksalsschlag und die Schuldgefühle, die er deshalb hat, waren sicher erdrückend. Doch als entscheidender Grund für Dexters plötzliche Disziplin wurde mir das in der ersten Folge nicht klar genug herausgestellt. Dennoch hätte ich wahrscheinlich noch ein Auge zugedrückt, würde „New Blood“ nicht einen weiteren großen Fehler machen.
Ein nerviger Widersacher
Denn wie bringt man Dexter dazu, plötzlich wieder einen Mord zu begehen, nachdem er zehn Jahre lang „trocken“ blieb? Stellt man ihn vor ein moralisches Dilemma und zwingt ihn in eine Situation, in der er töten muss, um ein anderes Leben zu retten? Lässt man vielleicht einen anderen Serienmörder sein Unwesen treiben, der nach und nach die Bevölkerung seiner lieb gewonnenen Kleinstadt dezimiert und Dexter keine andere Wahl lässt, als einzuschreiten?
Nein, die Autor*innen von „New Blood“ entwickelten dafür einfach eine unerträgliche und eindimensionale Figur, die so lange wie eine penetrante Stubenfliege um Dexter kreist, bis dieser völlig entnervt zuschlägt.
Zum Verständnis für alle, die den Serienauftakt nicht gesehen haben: Dexter arbeitet als Verkäufer in einem Waffengeschäft, als Matthew Caldwell (Steve M. Robertson), der Sohn eines stinkreichen Anwohners, den Laden betritt und ein Sturmgewehr kaufen will. Allerdings ist er vom FBI vorübergehend für Waffenkäufe gesperrt, weshalb Dexter das „Sportgerät“ erstmal für ihn zurückhält.
Caldwell ist die unsympathischste Figur, die man sich vorstellen kann: Er ist ein hoch arroganter Schnösel, der sich für unantastbar hält, macht sich einen Spaß daraus, mit einem Messer vor Dexters Nase herumzufuchteln wie ein Wahnsinniger und hat in der Vergangenheit schon Menschen auf dem Gewissen, konnte es aber wie einen Unfall darstellen (wie Dexter später herausfindet).
Und um den Ganzen noch die Krone aufzusetzen, erschießt Caldwell ausgerechnet den weißen Hirsch, der als Symbol für Dexters langjährige Abstinenz dient, während Dexter direkt daneben steht! Dazu kommentiert er das Geschehen mit einem provokanten Spruch à la: „Haha, ich hätte fast dich getroffen.“
Matthew Caldwell ist eine extrem schlecht geschriebene, weil auf plumpe Weise nervige und bösartige Figur, wie sie es auch in der Vorgängerserie hin und wieder gab. Das ist auch zu verkraften, wenn sie keine allzu große Rolle spielt. Dass es aber ausgerechnet diese strunzdoofe Nervensäge ist, die Dexter in „New Blood“ dazu bringt, wieder zu morden und man somit bei diesem wichtigen Moment nur die Hände über den Kopf zusammenschlagen kann, ist extrem schade.
Hinzu kommt, dass die gesamte erste Episode extrem vorhersehbar ist. In dem Moment, als Caldwell das Sturmgewehr in die Hände bekam, war mir klar, dass er damit Dexters Hirsch erschießen wird und dass er der erste sein wird, der mit Plastikfolie umwickelt auf dem Tisch des ehemaligen Forensiker landet.
Ein Hoffnungsschimmer
Trotz dieser doch enttäuschenden ersten Folge möchte ich noch kein vorschnelles Urteil fällen. Möglicherweise bessert sich „New Blood“ in den nächsten Episoden. Vor allem eine Sache macht mir Hoffnung: Nachdem Dexters „dunkler Begleiter“ für fast die komplette erste Folge stummgeschaltet war (ein zugegebenermaßen recht geschickter Kniff der Autor*innen), meldet er sich nach dem Mord an Caldwell wieder zu Wort.
Die inneren Monologe zählten für mich immer zu den Highlights von Dexter und steckten oft voller schwarzem Humor, der mir in „New Blood“ bisher noch etwas zu kurz kam. Vielleicht findet unser liebster Serienkiller damit wieder zu alter Form. Meine Erwartungen sind nun aber erstmal gedämpft...
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