+++ Meinung mit Spoilern zu „The Suicide Squad“ +++
Viele Meinungen zu „The Suicide Squad“ gehen in die gleiche Richtung wie das Fazit der 4,5-Sterne-FILMSTARTS-Kritik, in dem es heißt: „Aber das trauen die sich jetzt nicht wirklich, oder? Doch, das tun sie! ‚The Suicide Squad‘ ist der ultimative WTF-Film und ein riesiger abgefuckter Anti-Helden-Spaß!“ Nun ja.
Auch wenn der DC-Film über eine Gruppe Freaks auf tödlicher Mission tatsächlich den einen oder anderen Moment bietet, der in Sachen Gewaltgrad und bösem Witz deutlich über das hinaus geht, was zum Beispiel bei der Konkurrenz des Marvel Cinematic Universe geboten wird, so traut sich Regisseur James Gunn am Ende halt doch nicht genug, damit „The Suicide Squad“ für mich fundamental anders wäre als andere Superheldenfilme.
Kalkulierte Tabubrüche
Ohne Frage ist es überraschend und – im doppelten Sinne – ein Mordsspaß, wenn uns in der Eröffnung des Films ein Team aus Superschurk*innen vorgestellt wird, nur um dann direkt bei der Invasion des Strands von Corto Maltese genüsslich in alle blutigen Einzelteile zerlegt zu werden. Und es ist ein grandioser Gag, wenn der verrückte Weasel bei dieser Landung direkt ertrinkt, weil ganz offensichtlich niemand vorher überprüft hat, ob das Viech schwimmen kann.
Doch nicht nur erfahren wir ganz am Ende des Films, dass Weasel trotzdem überlebt hat – vor allem geht Gunn mit seinen Hauptfiguren, die nach dem Auftakt-Gemetzel eingeführt werden, auffallend vorsichtig um und schont sie umso länger. Nicht nur gibt erst mal überhaupt keine mehr von ihnen den Löffel ab, mit Polka-Dot Man (David Dastmalchian) und Flag (Joel Kinnaman) sterben am Schluss insgesamt auch nur zwei der sieben Hauptfiguren (falls jemand nicht bis nach dem Abspann sitzengeblieben ist: Peacemaker (John Cena) überlebt).
Das mögen für einen Superheldenfilm immer noch ungewöhnlich viele Tode sein, es ist nach der blutigen Ansage am Anfang – und auch nach der Jeder-ist-entbehrlich-Werbekampagne zum Film – aber ziemlich enttäuschend.
Helden retten auch hier den Tag
Superhelden sind unbesiegbar, dieser aus den Comics bekannte Grundsatz gilt also mit kleineren Einschränkungen auch für „The Suicide Squad“, wirkt doch das blutige Auftakt-Gemetzel am Strand im Rückblick eher wie eine Ouvertüre und weniger wie ein Teil der Haupthandlung, die erst einsetzt, nachdem sich das Gehirn des gesprengten Savant (Michael Rooker) im Meer verteilt hat. Und ja, ich verwende das Wort „Superhelden“ an dieser Stelle im vollen Bewusstsein für die damit einhergehende, positive Bedeutung:
Das Suicide Squad mag in einer der fiesesten Filmszenen aus Versehen eine ganze Basis an Guerilla-Kämpfern abschlachten, die für Feinde gehalten werden, doch diese Sequenz bleibt nach ihrer bitterbösen (und tatsächlich sehr lustigen) Pointe halt ohne Relevanz für die sonstige Handlung. Ganz im Gegenteil lässt Gunn anschließend keine Gelegenheit aus, uns die Mitglieder seines Suicide Squads als gebrochene und in ihren Fehlern irgendwie dann doch ganz liebenswerte Figuren zu zeigen, mit Ausnahme von Peacemaker natürlich, denn dieses ignorante Voll-Arschloch kann nicht mal ein James Gunn liebhaben (außer in der kommenden TV-Serie vielleicht).
Vor allem aber werden Bloodsport (Idris Elba) und das ach so antiheldenhafte restliche Suicide Squad spätestens dann zu Vollblutheld*innen, wenn sie schließlich auf eigene Faust gegen die Befehle ihrer drakonischen Vorgesetzten Amanda Waller (Viola Davis) rebellieren und dem amoklaufenden Riesen-Seestern im Finale den Kampf ansagen. Das wäre der Moment gewesen, in dem sie als echte Antiheld*innen aus der Handlung hätten laufen können, aber sie drehen stattdessen um, machen das Monster platt und retten damit den Tag, ganz so eben, wie es Superman auch getan hätte.
Ein Film voller Posen
Das Antiheldenhafte in „The Suicide Squad“ ist also mehr Pose als Substanz. Ähnlich verhält es sich mit der Kritik am außenpolitischen, interventionistischen Verhalten der USA, das James Gunn im Film zwar ganz offen anprangert – dabei aber wirkt wie ein Salon-Linker, der beim Partygespräch innerhalb der eigenen Filterblase gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft wettert und davon abgesehen nichts weiter unternimmt, um die Zustände zu ändern.
Ja, in „The Suicide Squad“ wird ganz explizit gesagt und gezeigt, dass Amanda Wallers Organisation als verlängerter, für die Drecksarbeit zuständiger Arm der US-Regierung rücksichtslos die eigenen Interesse im Blick hat und nicht die Menschen in Corto Maltese – das an ein fiktionalisiertes Chile erinnert, wo die USA 1973 den Militärputsch gegen die demokratisch gewählte, sozialistische Regierung unterstützten, vor allem durch CIA-Geheimoperationen.
Doch die Menschen in Corto Maltese sind für den Film kaum mehr als Statist*innen in der Kulisse einer Banenrepublik – ganz so, wie die nicht übernatürlich begabten Menschen in vielen Superhelden-Blockbustern immer nur im Hintergrund bleiben, während sich die Held*innen ihre Kämpfe liefern.
Die Guerilla-Truppe kommt in „The Suicide Squad“ jedenfalls nur am Rande vor, in Szenen, die geradezu pflichtschuldig wirken. Und im zynischsten Gag des ganzen Films hat Harley Quinn vergessen, wer eigentlich der lokale, treue Fahrer Milton (Julio Cesar Ruiz) war, der im Feuergefecht gestorben ist. Der Gag ist gleichsam lustig und entlarvend, denn auch James Gunn interessiert sich kaum für Milton. „The Suicide Squad“ ist eben ein unterm Strich doch recht gewöhnlicher Superhelden-Film und hat als solcher keine Zeit für einen langweiligen Normalo wie Milton.
Podcast zu "The Suicide Squad"
Dass es in der Redaktion aber auch ganz andere Meinungen zu „The Suicide Squad“ gibt als die von mir, hört ihr in der Folge unseres Kino-Podcasts Leinwandliebe mit Julius, Christoph und Yves: