+++ Meinung +++
Evan Peters spielt nicht den „X-Men“-Quicksilver, sondern einen Typen namens Ralph Bohner. Es gab keine Gastauftritte von Mephisto oder Doctor Strange (Benedict Cumberbatch). Und was ist eigentlich aus dem Raumfahrtingenieur geworden, den Monica Rambeau (Teyonah Parris) mehrmals erwähnt hat?
Das „WandaVision“-Finale war eine große Enttäuschung – zumindest, wenn man sich allzu sehr auf eine oder mehrere der vielen (vielen!) Fantheorien versteift hatte, die seit der ersten Folge im Internet zu kursieren begannen. Aber damit hat man auf das komplett falsche Pferd gesetzt.
Falsche Fährten ja, falsche Hoffnungen nein
Dass in „WandaVision“ einige falsche Fährten gelegt wurden, ist unbestreitbar. Aber nicht jedes Easter Egg, von denen etwa im animierten Vorspann zur zweiten Folge einige versteckt sind, muss etwas zu bedeuten haben. Und hätte irgendjemand wirklich gedacht, dass Emma Caulfield Ford mehr als eine schnippische Vorstadtkönigin spielt, wenn sie das nicht in einer Marvel-Serie getan hätte, in der viele Fans einen Auftritt von weiteren Hexen (Stichwort: Cleo) oder dem Dämon Mephisto erwarteten?
Sehr bewusst haben uns Showrunnerin Jac Schaeffer und Co. auch mit dem Casting von Evan Peters als angeblicher Pietro Maximoff in die Irre geführt. Mit dem Wissen um den nächsten „Doctor Strange“-Film im Hinterkopf, der den Untertitel „In The Multiverse Of Madness“ trägt, konnte man ja eigentlich nur vermuten, dass Marvel-Mastermind Kevin Feige die Mutanten durch das Multiversum (ein aus vielen Parallelwelten bestehendes Universum) ins MCU holt oder?
Auch das mit Quicksilver stellte sich im Finale als falsche Fährte heraus, aber ich bin ehrlich gesagt ziemlich froh darüber: Wenn die Mutanten irgendwann ins MCU kommen, dann bitte von neuen Schauspielern und Schauspielerinnen gespielt – und am liebsten sogar mal ganz neue Figuren, nicht immer dieselben Magnetos, Wolverines und Quicksilvers.
Der Mutanten-Figurenfundus in den Marvel-Comics ist so reichhaltig, dass es fast einer Schande gleichkäme, wenn auch im dritten Kino-Aufguss der „X-Men“ wieder der ewige Konflikt zwischen Magneto und Professor X und ihren jeweiligen Anhängern im Mittelpunkt stünde – nur dann eben von wieder neuen Darsteller*innen verkörpert.
Was wirklich wichtig ist
„Wir haben immer unsere Geschichte erzählt. Wir haben nie versucht, irgendjemanden absichtlich zu sehr in die Irre zu führen“, behauptete Matt Shakman kürzlich in einem Interview, das wir mit dem Regisseur aller neun „WandaVision“-Folgen geführt zu haben. (Shakman gibt aber auch zu, dass es natürlich einige falsche Fährten gegeben habe.)
Und ich kann Shakman da nur zustimmen: Denn genauso wie damals in der letzten „Game Of Thrones“-Staffel sehr schnell klar wurde, dass nicht mehr alle der unzähligen Fantheorien in Erfüllung gehen würden, hat sich auch bei „WandaVision“ ab einem gewissen Punkt herauskristallisiert, was hier eigentlich im Zentrum steht.
Und wie beim „Game Of Thrones“-Finale sind auch Schaeffer, Shakman und Co. auch nicht in der Pflicht, sämtliche Fantheorien in Erfüllung gehen zu lassen. Denn vorrangig ist immer noch die Geschichte, wie ja auch Shakman betont.
Und das ist bei „WandaVision“ eine wirklich starke Geschichte über Trauer, Verlust und neue Chancen. Über eine junge Frau, die eine traumatische Vergangenheit mit sich herumträgt, deren große Liebe vor ihren Augen gleich zweimal starb und die nach „Avengers: Endgame“ völlig alleingelassen in der Luft schwebt.
Starkes Finale
Dass sich Wanda aus ihrer tristen Realität in die vermeintlich heile Sitcom-Welt flüchtet, wird von Anfang deutlich und findet im „WandaVision“-Finale einen ebenso berührenden wie passenden Schlusspunkt:
Da sie die Augen nicht länger vor dem Leid verschließen kann, das ihre Taten hervorgerufen haben, verabschiedet sich Wanda von ihren Kindern und ihrem Vision – eine starke Sequenz, für die sich Shakman viel Zeit nimmt und die er als wahren Höhepunkt des Finales inszeniert (und nicht etwa die vorherigen Kämpfe gegen Agatha und White Vision).
MCU-Filme wie „Avengers 2: Age Of Ultron“ und „Iron Man 2“ und DCEU-Filme wie „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ werden häufig dafür kritisiert, dass sie keine eigene Geschichte erzählen, sondern hauptsächlich aufbauen sollen, was danach kommt. Eine Kritik, die ich nicht unbedingt teile, aber auch ich finde:
Dass es in einem MCU-Beitrag mal neun Folgen mit ingesamt knapp sechs Stunden Laufzeit vordergründig um den Seelenzustand einer Figur geht und nicht darum, den neuen großen Schurken oder die nächste große Storyline anzuteastern, ist sehr erfrischend und eröffnet ganz neue erzählerische Möglichkeiten. Davon darf es in Zukunft gerne mehr geben.