Als Margot Robbie für Martin Scorseses „The Wolf Of Wall Street“ eine Masturbationsszene drehte, dauerten die Aufnahmen insgesamt 17 Stunden – und am Set schauten ihr ausschließlich Männer dabei zu. Die Schauspielerin beschrieb den Dreh selbst als „sehr seltsame Situation“. Dabei waren ähnliche Abläufe für Schauspieler*innen allerdings jahrzehntelang absoluter Alltag, sobald eine Sexszene anstand.
Obwohl es um die Darstellung eines intimen Vorgangs geht, bei dem auch Schamgrenzen überwunden werden müssen, wurden solche Szenen und die beteiligten Darsteller*innen nämlich in der Regel nie großartig anders behandelt, als wenn ein x-beliebiger Dialogmoment auf dem Drehplan stehen würde.
Ein Umdenken – langsam auch in Deutschland
Erst 2018 begann eine Trendwende: So schickte etwa der US-Sender HBO, bei dem freizügige Sexszenen in Serien wie „Game Of Thrones“ oder „Sex And The City“ schon immer mit zum Markenkern gehören, ein deutliches Signal in die Brache:
Der Sender entschied, dass fortan stets ein sogenannter Intimicy Coordinator engagiert wird, sobald der Dreh einer HBO-Produktion auch eine Sexszene umfasst. Meistens ist der Intimicy Coordinator eine Frau. Sie ist Ansprechpartnerin, Choreographin und Kontrollperson für alle intime Szenen.
Die kommende „Herr der Ringe“-Serie von Amazon hat ebenfalls eine Intimitätskoordinatorin – und auch beim Netflix-Hit „Bridgerton“ gab’s einen solchen Posten. Nun scheint die Entwicklung aber auch in Deutschland langsam Fuß zu fassen:
Bei der neuen Serie „Even Closer – Hautnah“, die am 14. Februar auf TVNOW startet, war nämlich die Erotik-Expertin Paulita Pappel dafür zuständig, dass sich die Darsteller*innen während der (zahlreichen) Sex-Szenen wohl fühlen.
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Sex, der echt – und weiblich – aussieht
„Even Closer – Hautnah“ spielt in einer Hamburger Clique junger Tänzer*innen. Bei der Studentin Feli (Vivien König) und ihren Kolleg*innen dreht sich das ganze Leben um ihre Körper, ob auf der Tanzfläche im Studio oder beim Sex in der WG.
Intimitätskoordinatorin Paulita Pappel sollte sicherstellen, dass die erotischen Szenen in „Even Closer“ natürlich aussehen. Schon freizügiger, als man es aus dem Fernsehen sonst gewohnt ist, aber eben auch ruhig mal unsicher – sowie aus einer weiblichen Perspektive statt mit dem meist vorherrschenden voyeuristisch-männlichen Blick.
„Ich habe viele Tipps und Tricks vermittelt, wie man bestimmte Emotionen in authentische Handlungen umsetzt“, so Paulita Pappel. „Leidenschaft kann über ein starkes Zupacken z.B. authentischer dargestellt werden als mit übertriebenem Stöhnen. So etwas lernen Schauspieler nicht zwingend, dafür gibt’s dann mich.“
Sex als Teamarbeit
Paulita Pappel ist vom Fach: Sie ist Mitglied der alternativen Berliner Porno-Szene und Mitbegründerin der Online-Plattform Lustery.com. Ihre Arbeit an „Even Closer“ begann bereits vor dem Dreh: Pappel sprach mit der Crew von „Even Closer“-Produzentin Helga Löbel und dem Cast über die anstehenden Sex-Szenen, die Sequenzen wurden gemeinsam erarbeitet und geplant.
Die Schauspieler*innen wurden also nicht am Set damit überfallen. Sie wussten vorher Bescheid und konnten sich einbringen, was in dieser Form in Deutschland nicht üblich ist – und kein Vergleich etwa zur Erfahrung der 19-jährigen Maria Schneider, die für den Skandal-Klassiker „Der letzte Tango in Paris“ (1972) eine Sexszene mit Marlon Brando drehte und 2007 darüber sagte, dass ihr bestimmte Details der Szene verheimlicht wurden und sie sich deshalb „wie vergewaltigt“ gefühlt habe.
Beim Dreh von „Even Closer“ wurde hingegen darauf geachtet, dass die Schauspieler*innen jeweils ihre Einwilligung gaben, bevor es zu Berührungen bei den Sexszenen kam.
Pappel: „Wir haben zuerst viel über Consent und Kommunikation gesprochen und dazu auch Übungen gemacht. Als Beispiel wird die einfache Frage gestellt: ‚Darf ich deine Hand anfassen?‘ Eigentlich ist es selbstverständlich, dass man die Antwort abwartet und dann erst handelt. Im Eifer des Gefechts zeigt sich in der Praxis dann aber doch häufig, dass es gar nicht so umgesetzt wird. Bei der Hand ist das vielleicht noch ok, aber etwa bei der Brust wird da schon eher die Intimsphäre verletzt.“
Mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zeigte sich Pappel sehr zufrieden:
„Ich war beeindruckt, wie viel Energie alle Schauspieler in die Serie gesteckt und wie professionell sie gearbeitet haben. Sie haben alle eine extrem starke persönliche Motivation mitgebracht, das Beste für die Szenen rauszuholen und sich über die Maßen eingebracht. Das war schon toll und sehr besonders.“
Die ersten drei Folgen „Even Closer – Hautnah“ sind ab dem 14. Februar 2021 auf TVNOW verfügbar*. Die restlichen drei Folgen werden am 21. Februar veröffentlicht.
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