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    Das neue Meisterwerk auf Netflix erklärt: Wie historisch korrekt ist "Mank"?

    Endlich läuft „Mank“ auf Netflix, der neue Film von „Fight Club“-Regisseur David Fincher. Darin wird auch der alte Streit um die Autorenschaft hinter „Citizen Kane“ neu befeuert. Wir erklären euch nicht nur die Hintergründe dazu...

    Netflix

    1971 sorgte die berühmte Filmkritikerin Pauline Kael mit einem Essay für großes Aufsehen. In über 50.000 Zeichen (!) legte sie dar, dass Herman J. Mankiewicz der einzige und alleinige Autor von „Citizen Kane“ sei, folglich Orson Welles zu Unrecht als genialer Auteur dafür gefeiert wird. Kael bekam viel Gegenwind und längst ist ziemlich unumstritten, dass sie die Dinge doch sehr vereinfacht dargestellt hat.

    Seit dem 4. Dezember 2020 ist David Finchers „Mank“ auf Netflix verfügbar. Darin spielt Gary Oldman jenen Herman J. Mankiewicz und es ist zu sehen, wie er „Citizen Kane“ schreibt.

    Damit tobt die alte Debatte wieder auf. Denn auf den ersten Blick scheint es so, als würde David Fincher der Theorie von Kael anhängen. Doch ganz so einfach ist das wiederum nicht, weswegen wir hier versuchen, die spannende Geschichte hinter „Mank“ und „Citizen Kane“ ein wenig für euch aufzudröseln.

    Fokus durch den Schwerpunkt auf Mank

    Fakt ist erst mal: Als Autoren von „Citizen Kane“ werden Herman J. Mankiewicz und Orson Welles in den sogenannten Credits gemeinsam genannt. Es stimmt auch, wie es in „Mank“ zu sehen ist, dass ursprünglich vertraglich vereinbart war, dass hier nur der Name von Welles zu lesen ist. Das war damals kein ungewöhnlicher Vorgang. Gerade Mankiewicz arbeitete an sehr, sehr vielen Projekten, ohne genannt zu werden, was ihm extra vergütet wurde.

    Doch Mank ist trotzdem nicht der alleinige Autor, wie vielleicht in „Mank“ der Eindruck erweckt wird, wo er scheinbar alleine auf einer abgelegenen Ranch die Geschichte aus seinen persönlichen Erfahrungen entwickelt.

    Mank

    Fincher konzentriert sich in seinem Drama komplett auf den von Gary Oldman herausragend verkörperten Herman J. Mankiewicz und nimmt dessen Arbeit am Drehbuch für „Citizen Kane“ nur als Anlass, um viel mehr zu erzählen. Denn es geht vor allem um eine persönliche Geschichte, um den Hass des von allen nur Mank genannten Autors auf Hollywood und auf Zeitungsmogul William Randolph Hearst (in „Mank“ gespielt von Charles Dance).

    Durch diesen Fokus entsteht natürlich der Eindruck, dass Mank der alleinige Autor ist, weil man nur ihn an „Citizen Kane“ arbeiten sieht und auch komplett Manks Perspektive übernimmt. Er selbst sah sich übrigens auch als der alleinige Autor, macht das in seiner Oscar-Dankesrede am Ende des Films ja auch klar.

    Doch das ist nicht die ganze Wahrheit...

    Historische Freiheiten in "Mank"

    „Mank“ ist ein Spielfilm – und nimmt sich als solcher Freiheiten, wo es für die Dramaturgie nützlich ist. Es stimmt zwar, dass Mank ohne Welles auf einer abgelegenen Farm das erste Skript schrieb, doch er schöpfte die Ideen nicht aus dem Nichts. Fincher lässt zum Beispiel weg, dass Mank und Welles schon vorher viel zusammen an dem Projekt arbeiteten und die Story schon grob gemeinsam entwickelten.

    So nahm Mank mehrere hundert Seiten Notizen mit zu seinem Rückzugsort, um daraus ein erstes Drehbuch zu schreiben. In „Mank“ ist davon nichts zu sehen, stattdessen sehen wir nur, wie sich plötzlich Notizbücher füllen – mit seinen Ideen auf Grundlage seiner Erinnerungen an die Vergangenheit.

    Fincher zeigt nur einen Abschnitt des Entstehungsprozesses

    Wenn man argumentiert, dass Fincher nur Mank als „Citizen Kane“-Autor zeigt, muss man auch bedenken, dass der Regisseur uns hier nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Entstehungsprozess liefert. Das Drehbuch, welches Mank abgibt, ist schließlich nicht final. Fincher deutet das auch an: Bei einem (in exakt dieser Form wohl fiktiven bzw. stellvertretend für mehrere reale Auseinandersetzungen stehenden) Streit zwischen Mank und Welles kommt ersterem noch die Idee für eine Änderung.

    Vor allem hat Welles selbst natürlich noch viele Änderungen vorgenommen. Es gibt zwar keinen Beweis, dass das „Wunderkind“ selbst parallel zu den Ereignissen in „Mank“ sein eigenes „Citizen Kane“-Drehbuch verfasste und darin Manks Version einbaute, wie Welles später behauptete. Doch es steht zweifelsfrei fest, dass er viel beitrug. In „Mank“ sehen wir das nicht, weil der Film abgesehen vom Oscar-Epilog ja mit Manks erstem Entwurf endet und nicht mehr spätere Überarbeitungen oder den Filmdreh zeigt.

    Erklärt David Fincher Mank zum "Citzen Kane"-Autor?

    David Fincher erklärte in Interviews, dass sein Vater Jack, der das Drehbuch zu „Mank“ bereits vor über 20 Jahren schrieb, in ersten Entwürfen sehr stark der Kael-Theorie nachging. Doch ihn selbst habe das nicht so interessiert, weswegen er damals seinem Vater auch riet, die Geschichte umzugestalten. Und man merkt „Mank“ auch an, dass Fincher gar nicht so wirklich in den Streit eingreifen will. Er hebt „Mank“ zwar durch den Fokus auf den Autor selbst auf ein Podest, lässt bei der Oscarverleihung den Applaus schon bei seinem Namen und vor dem „und“ aufbrausen und gibt ihm auch die letzten Worte, doch der wahre Kern ist ja die Geschichte, die in Rückblenden erzählt wird.

    Es scheint auch so, als wolle Fincher ganz allgemein die Rolle des Autors feiern. So wird sein Vater Jack Fincher sehr prominent und alleine im Vorspann als einziger „Mank“-Autor genannt, obwohl der Regisseur gemeinsam mit Autor Eric Roth („Forrest Gump“) noch mal Hand ans Skript gelegt hat. Ohnehin wird David Fincher bei keinem seiner Kinofilme als Autor genannt, obwohl er immer wieder auf das Skript Einfluss nahm und Dinge selbst umschrieb.

    Wenn es um die wahre Entstehung des Drehbuchs von „Citizen Kane“ geht, könnte man übrigens auch noch über die Rolle von John Houseman (in „Mank“ gespielt von Sam Troughton) sprechen. Der behauptete, auch viel zum Skript beigetragen zu haben, was aber umstritten ist. In Finchers Film ist er nur ein Aufpasser und Redigator, der im Dorf wohnt und dort die Seiten von Mank korrigiert. In Wirklichkeit war sein Part wohl ein wenig größer, so wohnte er auch auf dem Anwesen und war so deutlich näher an Mank beim Schreiben dran...

    Historische Freiheiten sind kein Problem für einen Spielfilm

    Am Ende ist der Autor dieser Zeilen der Meinung, dass man Finchers Film hinsichtlich der Debatte um die Autorenschaft von „Citizen Kane“ nicht überbewerten soll. Es ist offensichtlich nur sekundär, wird doch so viel mehr erzählt.

    Und am Ende ist „Mank“ ein Spielfilm – und gerade in diesen Tagen (siehe die Debatte um „The Crown“) scheinen manche zu vergessen, dass viele Geschichten zwar auf der Historie basieren, diese aber nicht exakt so wiedergeben, wie sie abgelaufen ist. Dass Gary Oldman kein bisschen wie der echte Mankiewicz aussieht? Geschenkt! Er ist ein grandioser Schauspieler für diese Rolle – und auch bei der Spielfilmdramaturgie geht es schließlich ja immer darum, was der Erzählung nützt, und nicht darum, etwas nur stupide nachzuerzählen.

    Und auch sonst nimmt sich David Fincher – übrigens auch bei den Rückblenden (zum Beispiel mit der fiktiven Figur des sich das Leben nehmenden Nachwuchsregisseurs) – zahlreiche Freiheiten gegenüber der wahren Geschichte. Aber er macht daraus ein herausragendes und fesselndes Meisterwerk – und genau darauf kommt es für den Autor dieser Zeilen an!

    "Mank" im Podcast Leinwandliebe

    Wenn ihr noch mehr über den neuen Netflix-Film von David Fincher wissen wollt: In der aktuellen Ausgabe unseres Podcasts Leinwandliebe sprechen wir auch ausführlich über „Mank“.

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