Achtung, es folgen Spoiler zur gesamten ersten Staffel von „Hausen“!
Acht Folgen lang hat der 16-jährige Juri (Tristan Göbel) in seinem neuen Plattenbau-Zuhause versucht, dem dort hausenden Bösen, das zwischenzeitlich unter anderem Besitz von seinem Vater Jaschek (Charly Hübner) ergriffen hat, auf den Grund zu gehen und ihm Einhalt zu gebieten – was ihm letztlich auch gelungen ist.
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Doch was passiert da eigentlich genau am Ende der ersten Staffel von „Hausen“? Und was hat es nun mit dem finsteren Organismus und seinem Gehilfen Kater (Alexander Scheer) auf sich, die Juris Block so lange in ihrem Griff hatten.
Im zweiten Teil des ausführlichen Gesprächs mit FILMSTARTS liefert „Hausen“-Regisseur und -Co-Autor Thomas Stuber weitere spannende Hintergrundinfos und beseitigt auch so manche Unklarheit, die uns nach dem Schauen noch Kopfzerbrechen bereitet hat...
Juris Mutter
Die Geschichte um den Tod von Juris Mutter Anja ist der eigentlichen Handlung von „Hausen“ zwar vorgelagert, aber dennoch eng mit ihr verknüpft, schließlich haben sowohl Juri als auch Jaschek die Tragödie noch nicht verarbeitet und wagen nur ihretwegen den Umzug in den Plattenbau für einen Neuanfang (daraus leitet sich auch eine spannende Interpretationsmöglichkeit zur Serie ab, zu der wir später noch kommen).
Kein Wunder also, dass Anja noch immer eine prägende Präsenz in Jascheks und Juris Leben ist und ihnen beiden im Verlauf der Serie erscheint – allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise.
Während sie dem seherisch begabten Juri als zwar schlimm verbrannte, aber liebevolle Mutter im Krankenhaus sogar vor dem Tod rettet, als die schwarze Substanz mithilfe einer Motte wieder seine Fühler nach ihm ausstreckt (das Krankenhaus ist dabei übrigens das einzige Mal, dass wir in der Serie den Plattenbau-Block wirklich verlassen), quält sie Jaschek nicht zuletzt durch den finsteren Einfluss des Hauses als böse Hexe. Letzteres hat auch mit den Schuldgefühlen zu tun, die Jaschek nach wie vor plagen, wie auch Thomas Stuber noch einmal ausführt:
„Eine geheimnisvolle Krankheit hat Juris Mutter dazu gebracht, ihr Leben zu beenden – mit einer der schlimmsten Methoden, nämlich sich zu verbrennen. Daran angeknüpft ist eine Schuld des Vaters, der keine Kraft mehr hatte, mit dieser Krankheit umzugehen und sich wirklich gewünscht hat, dass es vorbei ist. Ab dem Augenblick, in dem es dann wirklich so kommt, schleppt er die ganze Zeit diese Schuld mit sich herum, dass er denkt, er sei dafür verantwortlich.
Jascheks unechter Bewerbungstermin
Auch Jascheks vermeintlicher Bewerbungstermin für einen anderen Job ist in Wahrheit nur ein Ausdruck der perfiden Spielchen, die das Haus und Anjas böser Geist mit ihm treiben, wie uns Thomas Stuber bestätigt:
„Jaschek hat das Haus nie verlassen. Das Haus spielt ihm einen Streich. Deswegen haben wir die Sekretärin, die es ja in Wahrheit gar nicht gibt, ebenfalls mit Constanze Becker besetzt, die auch Anja spielt. Charly [Hübner] sollte sie deswegen auch einen Augenblick länger irritiert anschauen.“
Wie wurde Dennis zu Kater?
Das Böse in „Hausen“ wirkt oftmals auch durch den verwahrlosten Kater, über dessen Hintergrund wir in der zweiten Hälfte der ersten „Hausen“-Staffel endlich noch mehr erfahren. Dabei wird auch endgültig enthüllt, was sich zuvor bereits an mehreren Stellen angedeutet hat: Der kleine Dennis (Ilja Bultmann), der Juri immer wieder erscheint, ist nicht nur irgendein Geist bzw. Echo, wie es in der Serie selbst genannt wird, sondern das Echo von Katers Kindheits-Ich.
Doch wie konnte aus dem kleinen Jungen, dem ersten Kind, das im in den 70er Jahren errichteten Plattenbau geboren wurde, eigentlich der diabolische Kater werden? Das fasst Thomas Stuber noch einmal wie folgt zusammen:
„Das Haus hat ihn zu sich eingeladen. Auch dort geht es wieder um Vernachlässigung und Schuld. Die Mutter ist abends immer nicht nach Hause gekommen. Der Junge weint und findet dann diese Katze, die eingesperrt ist, wahrscheinlich ähnlich wie er selbst. Er bleibt mit einem Trauma zurück. Irgendwann sagt das Haus: ‚Komm zu mir‘ – ähnlich wie Kater ganz zu Beginn Juri auf seine Seite ziehen will. Es lädt Dennis durch den Backofen ein, stattet ihn nach und nach mit diesen Superkräften aus und macht ihn so zu seinem Agenten.“
Das Monster
Die eigentliche düstere Macht in „Hausen“ ist aber natürlich der schwer greifbare Organismus, der zwar das gesamte Haus durchzieht, aber tatsächlich auch einen ganz klaren Ursprung hat: eine riesige Kreatur – die offenbar außerirdischen Ursprungs ist. Das wird nicht nur durch den Blick in ihren unheilvollen Schlund (und die immer wieder eingestreuten Visionen eines Planetensystems) nahegelegt, sondern der Meinung ist auch Thomas Stuber selbst:
„Ich bin mir sehr sicher, dass die Kreatur nicht terrestrischen Ursprungs ist. Da überschreiten wir die Grenze zum Sci-Fi. Es gibt ja auch die Andeutung, dass man durch den Schlund ein oranges Licht und Planeten sieht, eine ferne Sonne und ein fernes Universum. Wo dieses Sonnensystem genau ist, ist unklar, aber es ist sehr, sehr weit weg. Da kommt es her.
Es hat offenbar Möglichkeiten zu reisen, die wir nicht haben. Es kann große Entfernungen überbrücken und Juri dabei auch mitnehmen. Aber man sollte das Reisen gar nicht so menschlich denken. Wer weiß, wie die Bewohner in fernen Galaxien funktionieren, das hat vielleicht überhaupt nichts Menschliches. Das ist völlig außerhalb unserer Denkmöglichkeiten. Wenn man sich einmal darüber einig ist, dass das Universum unendlich ist, muss es auch extraterrestrisches Leben geben.“
Das Monster ist demnach irgendwann auf die Erde gekommen und hat sich in den Eingeweiden des Plattenbaus eingenistet, wo es die marode Baustruktur komplett übernommen hat und sich als Parasit von den Bewohnern und ihrem Leid ernährt, um zu überleben. Alles Schlechte lässt sie größer und stärker werden.
„Immer wenn die Figuren leiden, geht es der Kreatur gut“, führt Thomas Stuber weiter aus. „Das sieht man schon in Folge 1. Wenn das Baby verschwindet, geht die Heizung an. Dann wird es warm. Und wie jeder Parasit will die Kreatur natürlich nicht, dass der Wirt weggeht. Sie schafft es, das zu verhindern, z.B. indem es Anrufbeantworter-Nachrichten löscht, die dazu hätten führen könnten, dass sich Scherbe und Cleo irgendwo eine andere Wohnung anschauen.“
Das Ende von "Hausen"
Um die Kreatur zu bezwingen, konfrontiert Juri sie schließlich im Staffelfinale, wo wir sie dann in ihrer ganzen „Pracht“ sehen:
„Ich mag die Vorstellung, dass die Kreatur etwas Schreckliches, etwas Böses ist, aber zugleich auch eine große Anziehungskraft ausstrahlt und auch etwas Schönes hat“, so Thomas Stuber. „Der Blick in diese Galaxie hat etwas Schönes.“
Juri gibt sich am Ende scheinbar der Kreatur hin, damit diese vom Haus und seinen Bewohnern ablässt. Jedoch stellt Thomas Stuber klar, dass er das nicht mit seinem Leben bezahlt:
„Juri bringt ein Opfer, wodurch die anderen befreit werden, aber er stirbt nicht. Ich glaube, dass er zusammen mit der Kreatur in ihr Universum reist. Deshalb heißt Folge 8 auch ‚Juris Reise‘ und nicht ‚Juris Tod‘.“
Warum das Wesen Juri nicht einfach nur verschlingt, sondern ihn mit sich mitnimmt, wird offen gelassen. Womöglich hat es in ihm ein außergewöhnliches Potential erkannt, vielleicht kamen Juri seine besonderen Fähigkeiten aber auch auf andere Weise zu Gute oder die Tatsache, dass er seine eigene Negativität besiegt hat, indem er mutig zur Tat geschritten ist, sich von seiner Mutter endgültig verabschiedet und obendrein mit seinem Vater ausgesöhnt hat.
Alles nur ein Traum?
Es gibt allerdings auch noch eine ganz andere potentielle Deutung für das Ende bzw. die ganze surreale Serienhandlung, die im direkten Zusammenhang mit dem so zentralen Tod von Juris Mutter steht und auf die der Regisseur sogar selbst zu sprechen kommt:
„Eine Interpretationsmöglichkeit der Serie ist auch, dass die ganze Geschichte, die wir hier sehen, nur ein fieser Albtraum von Jaschek und Juri ist, um den Verlust der Mutter psychologisch zu verarbeiten. Vielleicht träumt jeder für sich – oder nur Juri oder nur Jaschek – die ganze Haus-Geschichte von vorne bis hinten einmal durch. Und es ist eine reine Verarbeitung dieses Schmerzes.“
Stein und Schleim in "Hausen": Das hat es mit den bösen Erscheinungen auf sichDazu passt auch die gesamte unwirkliche Atmosphäre der Serie und sogar schon die allererste ungewöhnliche Einstellung, mit der wir zu Beginn in die Staffel geführt werden:
„Durch diesen Kasten, der sich dort auftut, bekommt man das Gefühl: ‚Hier wird eine Geschichte erzählt.‘ Ich steige nicht sofort in ein Drama ein, sondern da kommt erst langsam etwas auf mich zu, vielleicht sogar traumartig. Insbesondere in Verbindung mit der Musik und der Länge der Einstellung entsteht eine Art Trance.“
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