+++ Meinung +++
Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die physischen Datenträger ausgestorben sind. Aber es ist nun mal bequemer und günstiger, einen Film digital zu leihen oder zu kaufen, anstatt ihn sich als DVD oder Blu-ray zu holen (und bei Nichtgefallen womöglich wieder verkaufen zu müssen).
Natürlich sind da draußen immer noch viele Cinephile, die sich Filme nach wie vor lieber ins Regal stellen oder sich auch über Bonusmaterial zu den jeweiligen Filmen freuen, das Streaming-Plattformen oft nicht anbieten. Doch selbst um diese Sammler müssen die Verleiher heute offenbar mehr denn je kämpfen.
Ein übliches Mittel, um Filmfans zum Kauf zu bewegen, sind limitierte Sammlereditionen – in Streaming-Zeiten mehr denn je. Doch die Mittel und Wege, um neue Kaufanreize zu schaffen und die Nerd-Gemeinde damit bei der Stange zu halten, werden derzeit immer verrückter.
Jetzt sichern: "Herr der Ringe" und "Der Hobbit" erscheinen erstmals in 4K [UPDATE]Als bekennender Sammler, der viele Steelbooks, Mediabooks und Ähnliches im Regal stehen hat, fiel mir in der jüngeren Vergangenheit vor allem eines auf: Im Kampf gegen den Untergang physischer Datenträger ist mittlerweile jedes Mittel recht.
Da werden Preise in die Höhe geschraubt, 3D-Drucker angeschmissen und brandaktuelle Filme in Retro-Verpackungen verkauft – und Leute wie ich machen das auch noch mit. Es ist allerdings die Frage, wie lange das noch gut gehen wird...
Mediabooks – einmal durch das ganze Alphabet
Es muss ja jeder selbst wissen, wofür er sein Geld ausgeben will. Auch ich hab schon öfter 30 Euro für alte Schinken ausgegeben, von denen die stinknormale Blu-ray seit Jahren für 5 Euro auf dem Wühltisch rumliegt. Was tut man als Fan nicht alles, wenn’s halt um einen Lieblingsfilm geht und das neue Cover-Design einfach zum Niederknien schick ist? Doch so langsam wird der Mediabook-Spaß echt zu teuer.
Zum Vergleich: Die neuen Mediabooks der (einzelnen!) „Kill Bill“-Filme kosten in einschlägigen Shops 47,99 Euro – zu diesem Preis bekommt man dann die altbekannten Scheiben (DVD und Blu-ray) mit altbekanntem Cover, nur dass das Cover eben gezeichnet ist (wer genau hinsieht, erkennt den Unterschied zum Standard-Postermotiv). Und die Neuauflage der „From Dusk Till Dawn“-Trilogie im Mediabook kostet gleich ganze 80 Euro!
Ja, die verantwortlichen Labels wie NSM Records oder '84 Entertainment haben sich über Jahre durchaus einen guten Ruf aufgebaut, sind vor allem unter Fans von Genrefilmen und indizierter Kost beliebt – und das auch nicht zu unrecht. Wenn der gefühlte Normalpreis dieser Repacks (also Neuauflagen altbekannter Discs) mittlerweile aber irgendwo zwischen 35 und 45 Euro liegt, muss man sich schon langsam fragen, wohin das noch führen soll. „Streng limitiert“ hin oder her.
Andere Verleiher wie Capelight schaffen es im Vergleich, Klassiker wie „Das darf man nur als Erwachsener“ mit umfangreichem Bonusmaterial und erstmals inklusive neuer Schnittfassungen zu veröffentlichen – und das Mediabook mitsamt DVD und Blu-ray für 20 Euro anzubieten. Für knapp über 40 Euro (Stand vom 9. Oktober 2020) gibt’s dann schon die gesamte „Woman“-Trilogie im Mediabook, und zwar in 4K! Und da überlege ich dann nicht zweimal: Wenn nicht nur der Inhalt, sondern auch der Preis stimmt, kaufe ich nach wie vor gerne.
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Übrigens: Nach oben hin sind bei den Neuveröffentlichungen keine Grenzen gesetzt – und das betrifft nicht nur den Preis, sondern auch die Anzahl der verschiedenen Auflagen ein und desselben Films.
Von „Tanz der Teufel 2“ gab es in den vergangenen Jahren ja schon einige Mediabook-Editionen. Jetzt folgen mit der 4K-Scheibe auch nochmal neue Cover-Versionen – von A bis H. Und wer etwa darauf besteht, sich den großartigen „Maniac“ mit Elijah Wood im 6-Disc-Mediabook ins Regal zu stellen – mit neuem und altem (!) Master auf Blu-ray und (!) DVD –, wird heutzutage ebenfalls bedient. Was auch immer man am Ende mit den Scheiben anstellen soll...
Büsten aus dem 3D-Drucker
Ich bin ja echt nicht der Früher-war-alles-besser-Typ, aber könnt ihr euch noch an die Büsten-Editionen aus der DVD-Zeit erinnern? Wenn ich da an die Collector’s Edition von „Nightmare Before Christmas“ oder „I, Robot“ mit Sunny-Kopf zurückdenke – da hatte man wirklich noch was in der Hand! Und ja, selbst die Blu-ray-Ära brachte vereinzelt edle Sammlereditionen mit Büste hervor, etwa die „Planet der Affen“-Collection.
Seit dem Vormarsch der 3D-Drucker-Technologie liegen die Büsten wieder voll im Trend, zumindest bei vereinzelten Verleihern. Das Problem dabei: Man bekommt damit schlicht (noch) nichts allzu Hochwertiges zustande – geschweige denn zu einem Preis, der auch vertretbar ist.
Alle 8 Staffeln "Game Of Thrones" in 4K Ultra HD: Das bietet die NeuveröffentlichungWenn ich mir etwa die blutrünstige Sammleredition von „Maniac“* ansehe, weiß ich wirklich nicht, wer sich so etwas ins Regal stellen will. Nicht unbedingt, weil das Ding die legendär-brutale Szene aus dem Film zeigt, sondern weil es wie ein selbstgemachtes Bastelprojekt aussieht (und zwar nicht von der guten Sorte). Und bei der Büsten-Edition zu „Léon“* muss man fast froh sein, dass immerhin Jean-Claude Van Dammes Name mit dransteht – ansonsten würde man wohl kaum erkennen, wer da die Fäuste ballt.
Solche Editionen werden doch nur für echte Fans produziert, die die jeweiligen Filme ganz besonders ins Herz geschlossen haben. Wer sonst würde 100 Euro oder auch mal weit mehr für einen einzigen Film ausgeben? Ausgerechnet die schreckt man mit solchen „Schmuckstücken“ jedoch als allererstes ab.
Die Rückkehr der Videokassetten
Ein neuer Trend, der erst vor ein paar Jahren aufkam und sich seitdem offenbar bewährt hat, sind VHS-Editionen bzw. Tape Editions, die sich vor allem an Filmfans älteren Semesters, Retro-Enthusiasten und Sammler mit zu viel Platz richten. Denn jetzt bekommt ihr Blu-rays sogar in Verpackungen, die an Videokassetten erinnern!
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Und das wäre ja auch eine nette Idee für Klassiker oder Kindheitsfilme, die für einen selbst besonderen Stellenwert haben – wenn die meisten Editionen im Retro-Look eben nicht so lieblos gestaltet wären.
Denn gerade die sogenannte Tape-Edition-Reihe besteht im Endeffekt bloß aus zusammengefalteter und billig wirkender Pappe, in der die jeweiligen 5-Euro-Blu-rays stecken – und für die man in der Regel 25 Euro hinlegen muss. Aber gut, als Fan wird man dann wohl trotzdem schwach. Und genau deswegen funktionieren diese streng limitierten Editionen wohl auch.
Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, mit „Black Christmas“ (nur echt mit deutschem Originaltitel „Jessy – Die Treppe in den Tod“) nicht nur eine der liebevollsten VHS-Editionen im Regal stehen zu haben, sondern mit „Zurück in die Zukunft“ auch einen meiner Lieblingsfilme – wenn auch in verhältnismäßig liebloser Aufmachung.
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Wohin der Trend allerdings noch hinführen soll, will ich gar nicht wissen. Mittlerweile bekommen ja nicht nur Klassiker, sondern auch schon aktuelle Filme wie „John Wick“ (!) und sogar Gurken wie „Escape Plan 3“ (!!) das Retro-Treatment. Was soll das?
Neu: Japanische Steelbooks – in Deutschland!
Die jüngste Idee, um vor allem ältere Filme wieder an den Mann zu bringen, sind Steelbooks mit japanischen Postermotiven. Ob auch damit eine Welle an weiteren Neuauflagen losgetreten wird, wird sich allerdings erst zeigen. Universal Pictures hat die ersten nun am 8. Oktober veröffentlicht – und auch schon die nächsten angekündigt.
Schade ist auf jeden Fall, dass auch hier wohl nur auf die altbekannten Discs ohne neue Inhalte zurückgegriffen wird und damit nur die Verpackung neu ist. Und selbst die unterscheidet sich in manchen Fällen kaum vom gängigen Design – zumindest auf den ersten Blick.
Uncut, streng limitiert und erstmals in 4K: Horror-Meilenstein erscheint in der ultimativen Edition auf Blu-ray [UPDATE]Steven Spielbergs Frühwerk „Duell“ oder John Carpenters „Das Ding aus einer anderen Welt“ kommen immerhin mit für den hiesigen Markt sehr ungewöhnlichen Covern daher, die mit den gängigen Originalmotiven praktisch nichts gemein haben.
Bei anderen wie „Der weiße Hai“ ist dagegen nur der japanische Titelschriftzug neu. Nicht unbedingt revolutionär, aber für Japanophile vielleicht ganz nett. Außerdem gibt's auf der Rückseite noch ein zweites, alternatives Motiv zu sehen.
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Deutsche Heimkino-Veröffentlichungen mit japanischen Covern – wer hätte so etwas vor zehn oder 15 Jahren für möglich gehalten? Aber gut, Not macht eben erfinderisch. Mir soll's recht sein. Denn was die für November angekündigte „Zurück in die Zukunft“-Edition angeht, steht für mich fest: auch die wird in meine Sammlung kommen.
Was kommt als nächstes?
Klar, ich würde mir statt der hundertsten Version von „Zurück in die Zukunft“ auch lieber die ersten Blu-rays von „Braindead“ oder „Drunken Master“ wünschen. Es ist für die Anbieter aber eben immer noch weitaus schwieriger, sich durch unklare Rechtslagen zu kämpfen und dann auch noch an Bild- und Tonqualität zu schrauben, anstatt fix und fertige Scheiben einfach neu zu verpacken.
Ich mache den Irrsinn der Neuauflagen ja immer noch ganz gerne mit. Doch langsam scheint es ganz so, als wären wir an einem Punkt angekommen, an dem wirklich alles erlaubt ist, um die Disc vor dem Aussterben zu bewahren – und wir sie vielleicht ausgerechnet deswegen bald werden beerdigen müssen.
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