Nicht nur wir, sondern auch viele weitere Kritiker und Zuschauer sind vom Ende von „Dark“ begeistert. Gerade in den sozialen Netzwerken kursiert viel Lob für die Netflix-Serie und das Team dahinter: Jantje Friese und Baran bo Odar hatten offensichtlich einen Plan für ihre drei Staffeln, den sie konsequent durchgezogen haben.
Nicht nur aufgrund offensichtlicher sonstiger Parallelen fällt im Vergleich mit der deutschen Netflix-Serie auch immer wieder der US-Mystery-Serien-Hit „Lost“, der von 2004 bis 2010 deutlich länger lief – und nach Meinung vieler am Ende enttäuschter Fans eben nicht diesen durchdachten Plan hatte und einfach immer weiter verlängert wurde.
Das stimmt zumindest teilweise, wie „Lost“-Macher Damon Lindelof nun wieder einmal eingestand, denn zumindest musste der ursprüngliche Plan verworfen werden: Der finale Plan für sechs Seasons entstand erst im dritten Jahr, dabei sollte „Lost“ wie nun auch „Dark“ eigentlich nur über drei Staffeln gehen.
In einem sehr offenen Gespräch mit den Kollegen von Collider erzählt Lindelof von dem ursprünglichen Plan, vom Senderwunsch nach immer weiteren Fortsetzungen und von seinen zwischenzeitlichen Ausstiegspläne. Außerdem geht er auf den dann finalen Plan für sechs Seasons ein und gesteht auch ganz offen eigene Fehler beim Beantworten der Mysterien.
Ursprünglicher Plan: 3 Staffeln von "Lost"
Vornweg: Dass Damon Lindelof sich nun wieder über „Lost“ äußert, hat übrigens nichts mit dem aktuellen Erfolg von „Dark“ zu tun. Wie aktuell fast alle erfolgreichen US-Serienmacher der jüngeren Vergangenheit befindet er sich vielmehr auf Emmy-Werbetour, weil seine jüngste Serie „Watchmen“ dort für viele Nominierungen im Rennen ist. Und dabei wurde er darauf angesprochen, dass „Watchmen“ nach nur einer Staffel endet, während „Lost“ eben immer weiter in die Länge gezogen wurde.
Im Gespräch mit Collider scheint Lindelof das zu bereuen und erklärte, dass von Anfang an mit dem ausstrahlenden Sender ABC über das Ende gesprochen wurde: „Es gab all diese fesselnden Mysterien und so sagten wir: Wir wollen diese Sachen bis zum Ende von Staffel 1 beantworten, diese Sachen bis zum Ende von Season 2 und dann endet die Serie quasi nach rund drei Jahren. Das war unser ursprünglicher Pitch, doch sie wollten das nicht hören.“
Erfolgreiche Serien müssen laufen
Mit „sie“ meint Lindelof die Verantwortlichen beim Sender ABC, die von einem Ende nach nur drei Jahren nicht begeistert gewesen sein sollen: „Sie haben vor allem mich angeschaut – denn Carlton [sein Co-Showrunner Carlton Cuse] kam erst Mitte der ersten Staffel dazu und stimmte dann in mein Plädoyer ein – und meinten nur: ‚Verstehst du, wie schwer es ist, eine Serie zu machen, die Leute schauen? Und die Leute mögen diese Serie! Warum sollen wir sie also beenden? Du beendest keine Serien, welche die Leute schauen.‘“
Lindelof spielt damit auf ein lange Zeit stark in der US-TV-Landschaft dominierendes System an. Jahr für Jahr produzieren US-Sender zahlreiche neue Serienpiloten für viel Geld. Nur ein Teil davon geht dann überhaupt in Serie – begleitet von teuren Werbekampagnen – und nur ein Teil davon wird dann überhaupt oft genug geschaut. Und diesen kleinen Anteil will man dann nicht so schnell aufgeben.
Gerade mit dem Erstarken des Streamingmarkts als neuer Konkurrent beim Produzieren von Serien, aber auch als weitere Abspielstätte von TV-Produktionen hat sich dieses Szenario zumindest ein Stück weit gebessert. Immer mehr Serien können auf ein klares Ende hin produziert werden.
Frühe Erkenntnis des Scheiterns
In seinen wenig diplomatischen Aussagen erklärt Lindelof weiter, wie früh ihm klar war, dass „Lost“ scheitern wird. Am Ende der zweiten Staffel hätten er und Carlton Cuse noch einmal versucht, einen Abschluss mit der dritten Season zu forcieren, als ihre Verträge ausliefen. Doch ABC habe gedacht, sie wollten einfach um mehr Geld verhandeln.
Am Ende sagten Lindelof und Cuse noch für eine dritte Staffel zu, mit der sie das Zepter an die Autoren Drew Goddard und Jeff Pinkner übergeben sollten. Sie ahnten bereits damals, dass ihre vorgesehenen Nachfolger nicht glücklich werden dürften: Man könne schließlich nur so und so viele Flashbacks machen, in denen Jack betrunken ist, so Lindelof.
Während der dritten Staffel habe dann auch ABC eingesehen, dass die Serie in eine Sackgasse steuert, weil es einfach nur darum ging, die Figuren zwanghaft auf der Insel zu halten. Aber laut Lindelof reagierte der Sender falsch:
„Endlich kamen sie an den Tisch und wir hatten eine echte Unterhaltung. Sie meinten: ‚Wir stimmen zu, dass ihr die Serie beenden dürft.‘ Ich sagte Steve McPherson [dem damaligen Senderchef] nur: ‚Danke! Das ist das Beste für die Serie.‘ Doch er antwortete: ‚Wir denken an zehn Staffeln!‘
Neuer Plan: 6 Staffeln von "Lost"
Lindelof macht im Gespräch mit Collider deutlich, wie geschockt er darüber war, denn zehn Staffeln seien am Ende dieselbe Aussage wie: „Wir lassen euch die Serie nicht beenden!“ Er habe dann noch ein Ende nach vier Staffeln vorgeschlagen, für das man schon die Story ganz gut ausgearbeitet hatte, doch der Sender wollte davon nichts wissen.
Am Ende entschied man sich für sechs Staffeln und entwarf den Plan, der dann auch weitestgehend umgesetzt wurde (abgesehen von zwischenzeitlichen Problemen mit einem Hollywood-Autoren-Streik). Das endgültige „Lost“-Ende, welches wir nun alle kennen, und der finale Weg dahin, wurde also zu jener Zeit während der dritten Staffel erdacht und entwickelt.
Auch eigene Fehler
Lindelof schiebt in dem Collider-Interview aber nicht alle Schuld für das „Lost“-Ende dem Sender zu, sondern sieht auch eigene Fehler. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Mysterien und das Auflösen dieser ein Problem sei, weil man die Zuschauer auch über die Antwort auf einzelne Fragen hinaus fesseln muss.
Die Hoffnung sei gewesen, „für jedes Mysterium, das wir beantworten, ein fesselndes neues aufzubauen. Und wenn wir die Balance richtig hinbekommen, häufen sie sich nicht an. Doch ich glaube, wir können alle zustimmen, dass wir diese Balance nicht richtig hinbekommen haben.“
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"Lost"-Liebe im Podcast Streamgestöber
Auch wenn viele Menschen das „Lost“-Finale kritisch sehen, ist die Liebe für die das Fernsehen auch prägende Serie nicht nur in der FILMSTARTS-Redaktion weit verbreitet. Unsere geschätzten Kolleginnen und Kollegen von Moviepilot sprachen anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Serienendes von „Lost“ zuletzt in ihrem Podcast Streamgestöber ausführlich über den Mystery-Hit.
In der sehr interessanten Folge sprechen Esther Stroh, Andrea Wöger und Matthias Hopf unter anderem über Highlights aus sechs Seasons „Lost“ und natürlich auch intensiv über das vieldiskutierte Ende. Ihr könnt euch den Podcast direkt hier anhören: