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    "Haus des Geldes" auf Netflix: Vom packenden Heist-Thriller zum Telenovela-Nonsens

    Als alter Serienmuffel brauchte es also eine Pandemie, um ausnahmsweise mal nicht einen Film nach dem anderen zu schauen und stattdessen dem Netflix-Hit „Haus des Geldes“ eine Chance zu geben. So richtig glücklich bin ich damit aber nicht...

    Tamara Arranz / Netflix

    +++ Meinung +++

    Neben meiner Filmsammlung im Regal bilden Netflix, Amazon Prime Video & Co. eine oft angenehme, aber auch überdimensionale Ergänzung, der ich mit einer „Der Weg ist das Ziel“-Einstellung begegne – denn alles zu schauen, was einen interessiert, ist ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. Deshalb hab' ich bereits vor einigen Jahren begonnen, zu selektieren, und lasse Serien seitdem praktisch komplett bleiben. Ich war eh nie großer Fan davon, eine Woche auf die nächste Folge oder gar ein Jahr auf eine neue Staffel zu warten.

    Und während andere in der Corona-Zeit vielleicht beschließen, mal wieder Sport zu machen, ein Instrument zu lernen oder ihren Horizont anderweitig zu erweitern, hab’ ich mir gesagt, das kann ich auch – und habe anstatt meine Film-Watchlist abzuarbeiten mal wieder eine Serie geschaut. Was für ein Quantensprung! Mama wäre stolz. Egal, anderes Thema. Worum es jetzt gehen soll, ist diese Serie: „Haus des Geldes“. Denn ich hab’ die vier Staffeln des spanischen Netflix-Hits innerhalb kürzester Zeit geschaut und weiß nun endlich, wie großartig die Serie doch ist... so lang, bis sie’s nicht mehr ist.

    Achtung, ab hier folgen Spoiler!

    Staffel 1 & 2: Geiseldrama trifft Heist-Thriller

    Es dauerte nur wenige Folgen und ich war richtig drin in der Geschichte. Die Figuren sind sympathisch, die Darsteller frisch und unverbraucht und die genialen Wendungen gerade so gut, dass man sie nicht kommen sieht, gleichzeitig aber dennoch glaubhaft bleiben. Auf ein ungläubiges „WAS?!“, das mir immer wieder mal rausrutschte, folgte stets die Einsicht: gut, es könnte ja durchaus sein, dass es auch Leute gibt, die klüger sind als ich. Ich weiß ja schon, warum ich keine Überfälle plane. Ist wohl besser so.

    Doch mit dem Ende der zweiten Staffel kamen mir langsam Zweifel (während ich immer noch voll bei der Sache war): Der Überfall neigt sich dem Ende, doch das Serienfinale steigt frühestens in ein paar Jahren. Was soll da noch kommen? Nun, ich wünschte, gar nichts mehr wäre gekommen. Denn eigentlich war die Serie nach zwei Staffeln ja auch zu Ende – bis Netflix um die Ecke kam und die Kuh gemolken wurde, bis sie saure Milch gab. Und genau so schmeckten mir die Staffeln 3 und 4 dann auch.

    Staffel 3 & 4: Telenovela-Geplänkel und Thrill ohne Hirn

    Ich hatte ja schon befürchtet, dass die Serie das „Prison Break“-Schicksal ereilen würde, war bis zuletzt aber doch noch guter Dinge – dafür mochte ich Tokio (Úrsula Corberó) und Rio (Miguel Herrán) einfach zu sehr. Schön, die beiden zur Abwechslung mal glücklich auf einer einsamen Insel zu sehen, auch wenn der Frieden natürlich nicht lange halten kann. Letzten Endes wäre es vermutlich aber unterhaltsamer gewesen, zuzuschauen, wie sich die beiden monatelang quer über das Eiland vögeln. Stattdessen wurde die Geschichte einfach wiederholt – ziemlich plump, völlig überhastet und so richtig logisch irgendwie auch nicht. 

    Netflix

    Nicht nur ist die Idee für den zweiten Coup völlig an den Haaren herbeigezogen, auch wirkt das Ganze unglaublich gehetzt, sodass man kaum Zeit hat, über eine Logiklücke nachzudenken, weil einem schon die nächste um die Ohren fliegt. Wenn einem die berühmte Suspension of Disbelief derart schwer gemacht wird, kann es ganz schnell richtig langweilig werden. Doch die Macher versuchten gar nicht erst, diese Logiklücken irgendwie zu füllen, sondern stattdessen möglichst spektakulär darüber hinwegzutäuschen – noch fieser, noch krasser, noch verzwickter. Wie „gut“ das klappt, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht weiter auszuführen.

    Ach, und während auf Biegen und Brechen versucht wird, mit einer Reihe von verachtenswerten Figuren billig Emotionen zu provozieren (ganz egal, dass ihr drastisches Handeln oft völlig aus dem Nichts kommt – Arturo, WTF?!), nehmen plötzlich auch noch die romantischen Beziehungen Überhand. Schnell aus den Fingern gesaugt, hat plötzlich jeder irgendwie Gefühle für jeden. Allein das Liebesleben von Nairobi (Alba Flores) würde genug Stoff für eine eigene Serie hergeben – dann natürlich inklusive Helsinki (Darko Peric), Bogotá (Hovik Keuchkerian) und Professor (Álvaro Morte). Diesen geradezu lächerlichen „Entwicklungen“, die in Wahrheit einfach nur plötzliche Gegebenheiten sind, führten letztlich sogar dazu, dass mir Nairobis Tod am Arsch vorbeiging – und die zählte lange immerhin zu meinen Lieblingsfiguren. Das muss man erst mal schaffen.

    Fazit: Staffel 5 ohne mich

    Ich habe auf meinen Reisen durch Mexiko, Südamerika und Spanien schon die eine oder andere Stunde im Bus verbracht, nicht selten begleitet von (spanischsprachigen) Telenovelas, die derart konsequent überzogen sind, dass man schon fast seinen Hut davor ziehen muss – auch wenn man nicht so recht weiß, ob man gerade lieber lachen oder weinen will. Over-Acting, verstrickte Liebesbeziehungen und reaktionärste Inszenierung gehören zu diesen TV-Formaten irgendwie einfach dazu, haben in einem aufwändig produzierten Thriller auf (fast) Kino-Niveau aber ganz einfach nichts verloren. Nur nimmt genau dieser Murks immer mehr Überhand, wohl um den teils völlig unnötig verabscheuenswürdigen Figuren (nochmal: Arturo, WTF?!?!) etwas entgegenzusetzen.

    Was in den ersten beiden Staffeln noch originell und smart war, wurde danach lauwarm aufgewärmt, billig kopiert, lieblos erzählt und effekthascherisch kaschiert. Was bleibt, sind aber immerhin zwei gute Staffeln, nach denen man trotz Cliffhanger am besten aufhört zu schauen. Seit Staffel 3 befindet sich „Haus des Geldes“ jedenfalls auf einer Talfahrt, die – wann auch immer Season 5 letztlich erscheint – ohne mich weitergehen wird. Ich arbeite dann mal wieder meine Film-Watchlist ab...

    Bella ciao,

    bella ciao,

    bella ciao, ciao, ciao.

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