+++ Meinung +++
„Better Call Saul“, die Vorgeschichte zur Kult-Serie „Breaking Bad“, läuft derzeit in der fünften Staffel auf Netflix. Jeden Dienstag erscheint eine neue Folge. Das kann Neueinsteiger ganz schön abschrecken: Die Folgen, die es nachzuholen gilt, türmen sich wie ein riesiger, wachsender Haufen Geschirr, den man lieber weiter ignoriert, anstatt ihn abzuwaschen.
Nun aber zwingt die Corona-Krise viele Menschen dazu, mehr Zeit zuhause zu verbringen. Homeoffice-Arbeiter wie die FILMSTARTS-Redakteure sparen sich die täglichen Anfahrtswege. Ein perfekter Zeitpunkt, endlich mal Serien der Kategorie „wollte ich schon immer gucken, gibt aber inzwischen zu viele Folgen“ nachzuholen. Besser wird’s nicht, Leute!
Langsamkeit als Konzept
In „Better Call Saul“ verwandelt sich der Anwalt Jimmy McGill (Bob Odenkirk) in den aus „Breaking Bad“ bekannten Winkeladvokaten Saul Goodman – und zwar sehr, sehr langsam. Schon bei „Breaking Bad“ wurden Alltagshandlungen mitunter ausgiebig lange gezeigt, aber in „Better Call Saul“ führen die Showrunner Vince Gilligan und Peter Gould dieses Stilmittel zur Meisterschaft.
Auf der Metaebene ist das ein Seitenhieb auf sensationsgetriebene Serien à la „Ozark“, die so dermaßen mit überraschenden Wendungen vollgestopft sind, dass sie mitunter wie eine Parodie wirken. Manchmal ist die Langsamkeit von „Better Call Saul“ auch einfach etwas langweilig. Vor allem aber macht sie die Verwandlung von Jimmy in Saul glaubhaft: Ich sehe den moralischen Verfall eines Mannes, Schritt für Schritt für Schritt.
Wie einfach wäre es für Vince Gilligan und Peter Gould gewesen, den windigen Saul gleich am Ende der ersten oder zweiten Staffel von der Leine zu lassen und anschließend zu zeigen, wie er einen Kriminellen nach dem anderen durch fragwürdige oder schlicht illegale Tricks in letzter Minute vor einer höheren Strafe bewahrt!
In „Breaking Bad“ war Saul Goodman eine verdammt lustige Comedy-Figur, die ihren Mandanten dreist alles verspricht und dank ihrer Pfiffigkeit tatsächlich eine Menge davon hält. In „Better Call Saul“ blitzt Saul immer wieder auf, aber der regeltreue Jimmy leistet Widerstand.
Tragische Liebesgeschichte
Jimmy McGill hat eine Beziehung mit Kollegin Kim Wexler (Rhea Seehorn), die sehr nebensächlich passiert, in ihrer Dynamik aber spannender ist als viele Cliffhanger. Kim sieht, wie bei Jimmy im Laufe der Serie die Skrupel fallen. Sie versucht ihn zu bremsen, ist aber gleichzeitig fasziniert von seinen clever-pragmatischen Ideen. Sie ahnt, dass er brechen wird, bleibt aber dennoch bei ihm. Er weiß, wie sehr er sie verletzt, flüchtet sich aber ins „wird schon irgendwie werden“.
Wer „Breaking Bad“ kennt, weiß: Jimmy und Kim werden Saul Goodman nur hinauszögern können, nicht verhindern. Dieser Kampf macht „Better Call Saul“ interessant, spannend und berührend. Er wird in der wahrscheinlich 2021 erscheinenden sechsten Staffel zu Ende und damit verloren gehen. Holt ihn am besten jetzt nach.
"Contagion" und mehr: Hier könnt ihr die passenden Filme zur Corona-Pandemie schauen