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    Mit dem Alligatoren-Horror "Crawl" kehrt er zu seinen "High Tension"-Wurzeln zurück: Unser Interview mit Alexandre Aja!

    Endlich mal wieder ein richtig spannender Old-School-Tierhorror: Wir haben mit Regisseur Alexandre Aja, der nicht nur wegen „High Tension“ für seine harte Gangart berüchtigt ist, über seinen aktuellen Alligatoren-Actioner „Crawl“ gesprochen.

    Paramount Pictures France

    Horror-Fans kennen ihn wohl vor allem für seinen ebenso bahnbrechenden wie megabrutalen Psycho-Horror-Thriller „High Tension“. Spätestens seit seinem Remake von Wes Cravens „The Hills Have Eyes“ ist er aber auch in Hollywood eine feste Genre-Marke: Alexandre Aja. Der 41-jährige Franzose hat in den vergangenen Jahren Horror der unterschiedlichsten Art geboten — vom Bikini-Splatterfest „Piranha 3D“ bis zum J-Horror-Remake „Mirrors“. Mit „Crawl“ kehrt er nun aber, wie er auch selbst sagt, zu seinen Wurzeln zurück. Und tatsächlich: Der Horror-Actioner, in der ein schwerverletzter Vater (Barry Pepper) und seine Tochter (Kaya Scodelario) gemeinsam mit Alligatoren in einem Keller eingesperrt sind, während draußen ein gewaltiger Hurrikan tobt, ist vor allem eins: sauspannend!

    FILMSTARTS: Du hast mit „Piranha 3D“ ja schon mal ein Creature Feature gemacht, das allerdings vor allem auf Spaß ausgelegt war. „Crawl“ ist nun aber etwas völlig anderes. Glaubst du, dass einige mit falschen Erwartungen an den Film herangehen und womöglich einen weiteren Fun-Splatter erwarten werden?

    Alexandre Aja: Ich denke, dass „Crawl“ auch Spaß macht, zumindest war das das Ziel, wenn auch auf andere Art und Weise. Ich wollte jetzt aber kein Guilty Pleasure machen, sondern einfach einen spannenden, beklemmenden Film, der den Zuschauer in den Kinositz drückt, als würde er in einer Achterbahn sitzen. Ich habe mir auch nicht gesagt, dass ich einen weiteren Tierhorrorfilm drehen will. Ich wollte einfach nur zurück zu meinen Wurzeln, zurück zu „High Tension“. Und „Crawl“ ist das, was dabei rauskam.

    Paramount Pictures France

    FILMSTARTS: Tierhorrorfilme sind ja heutzutage oft billig produziert und schlicht lächerlich, selbst wenn sie zur Abwechslung mal ernst gemeint sind. Wie hast du es geschafft, die Ernsthaftigkeit zu bewahren? Was ist der Trick?

    Alexandre Aja: Das stimmt. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann der letzte gute Film mit Krokodilen oder Alligatoren rauskam. Darüber habe ich aber gar nicht nachgedacht, denn in „Crawl“ ist die Natur selbst das Monster. Klar, mit dem Sturm kommen auch die Alligatoren, aber ich wollte das Publikum im Kino vor allem spüren lassen, wie sich der Keller immer weiter mit Wasser füllt und Haley und ihrem Vater die Zeit davonläuft.

    FILMSTARTS: Deswegen reißt der Spannungsfaden auch nie ab. Man hat das Gefühl, das alles könnte wirklich so passieren …

    Alexandre Aja: Ganz genau. Der Film basiert zwar nicht auf einer wahren Geschichte, aber die Umstände, die zu der lebensbedrohlichen Situation führen, könnten realer kaum sein: Im Süden der USA gibt es mehr als fünf Millionen Alligatoren, die in der Wildnis leben — in Florida kommt ein Alligator auf zehn Einwohner! Und in dieser Gegend kann es schon mal vorkommen, dass viele tausend Haushalte durch einen Hurrikan geflutet werden.

    FILMSTARTS: Der Genre-Klassiker schlechthin, „Der weiße Hai“, lebt vor allem von der Spannung, die entsteht, weil man den Hai lange Zeit nie richtig zu sehen bekommt. Du hast dich für einen anderen Weg entschieden und die Alligatoren früh in ihrer vollen Pracht gezeigt. Warum?

    Alexandre Aja: „Der weiße Hai“ ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, aber ich mag nicht, wie sich sein Ansatz auf das Genre ausgewirkt hat. Für viele Geldgeber wurde es geradezu zur Regel, die Monster im Dunkeln zu lassen, weil man so auch viel Geld für ein großes Finale aufsparen konnte. Aber gerade einen Horrorfilm siehst du immer mit all den anderen Horrorfilmen im Kopf, die du davor schon gesehen hast. Das heißt, wenn du „Crawl“ schaust, erwartest du, dass das Monster nicht gezeigt wird. Mein Ansatz ist deswegen das genaue Gegenteil: Ich wollte gleich zu Beginn zeigen, wie schnell und gefährlich diese Tiere sind, sodass die späteren Ereignisse auch nachvollziehbar sind.

    2019 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved. / Sergej Radović

    FILMSTARTS: Die Alligatoren wirken tatsächlich von Anfang an unglaublich bedrohlich, auch wenn sie natürlich aus dem Computer stammen. In manchen Szenen glaube ich aber auch praktische Effekte erkannt zu haben…

    Alexandre Aja: In fünf, sechs Shots kamen tatsächlich handgemachte Effekte zum Einsatz, der Großteil entstand aber am Computer — und das hat einen einfachen Grund: Es ist einfach unmöglich, die Kraft und Schnelligkeit dieser Tiere mittels Animatronik realistisch nachzuahmen. Alligatoren bewegen sich auf einzigartige Weise, sind etwa im einen Moment superschnell und werden dann blitzartig superlangsam.

    FILMSTARTS: Du hast erwähnt, dass du mit „Crawl“ wieder in die Richtung von „High Tension“ wolltest, der nicht nur sehr spannend, sondern auch unglaublich brutal ist. Musstest du für das R-Rating von „Crawl“ Kürzungen vornehmen? Wird es später eine längere, noch bluttigere Fassung geben?

    Alexandre Aja: Was den Splatter-Gehalt im Film angeht, haben wir so gut wie gar nichts geschnitten. Das war zum Glück kein Problem, da sich vieles einfach unter Wasser abspielt und es dadurch nicht so explizit wird. Die Kürzungen, die wir fürs Kino vornehmen mussten, waren eher überflüssige Elemente hinsichtlich Spannung und Figuren. Das wird man später auch im Bonusmaterial zu sehen kriegen, ebenso wie ein wirklich ausführliches, ziemlich beeindruckendes Making-of, in das ich neulich schon mal reinschauen konnte.

    FILMSTARTS: Was war denn die größte Herausforderung beim Dreh? Ich kann mir vorstellen, dass ihr viel Zeit im Wasser verbracht habt…

    Alexandre Aja: Ja, wir waren jeden Tag mehr als zwölf Stunden im Wasser, die ganze Crew und natürlich die Schauspieler. Insgesamt hatten wir sieben riesige Becken, von denen das größte, das wir für Außenszenen nutzten, 60 mal 80 Meter groß war. Da sieht man erst, wie aufwändig die Dreharbeiten waren.

    2019 Paramount Pictures Corporation. All rights reserved. / Sergej Radović

    FILMSTARTS: Du hast die unterschiedlichsten Horrorfilme gedreht, von „The Hills Have Eyes“ über „Piranha“ bis hin zu „Horns“. Mit deinem nächsten Projekt wagst du dich einmal mehr an etwas Neues, ganz Besonderes — ein interaktives Filmerlebnis. Was kannst du uns darüber schon verraten?

    Alexandre Aja: Ich wollte schon immer einen Haunted-House-Film machen. Für mich ist das einfach eines der unheimlichsten Erlebnisse, die es gibt. Unser Ziel mit diesem interaktiven Film ist es, die Spannung nie abreißen zu lassen. Oft fragt man sich als Zuschauer, warum eine Figur nun dies oder das macht — und das kann die Atmosphäre brechen. In meinem Film kann der Zuschauer so handeln, wie er es für richtig hält und die Spannung so für ihn selbst aufrechterhalten. Wir werden wohl ungefähr drei- oder viermal so viel Material wie normal drehen, damit die Zuschauer ihr eigenes Abenteuer erleben können.

    FILMSTARTS: Ich habe vor ein paar Monaten erst mit „Escape Room“-Regisseur Adam Robitel gesprochen und mal nachgefragt, ob er für eine Fortsetzung einen interaktiven Film in Erwägung ziehen würde — denn das scheint hier sehr naheliegend. Für ihn kann eine Geschichte allerdings nur einen Anfang, ein Ende und einen Weg dorthin haben. Inwiefern würdest du ihm hier widersprechen?

    Alexandre Aja: Ich finde, das trifft nicht auf jede Geschichte zu. Gerade bei einem Haunted-House-Film finde ich es spannend, andere Blickwinkel einnehmen zu können. Und auch wenn sich die Figuren bzw. die Zuschauer unterschiedlich entscheiden können, ändern sich die Figuren deswegen nicht — die Charaktere bleiben dieselben, bleiben glaubhaft. Wir machen uns über jede Möglichkeit der Entscheidung wirklich viele Gedanken. Ich finde die Idee einfach aufregend, dass Menschen zwar denselben Film sehen, zugleich aber doch auch einen anderen. Dann können sie sich darüber austauschen, was denn in ihren jeweiligen Versionen passiert ist. Es ist wie eine Schnitzeljagd im Kino.

    „Crawl“ läuft aktuell deutschlandweit im Kino.

    Crawl

     

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