Quentin Tarantino widmet sich nach „Inglourious Basterds“ und „Django Unchained“ erneut der Geschichte – und diesmal einem Teil davon, der ihm als Kino-Riesenfan besonders am Herzen liegt: dem Hollywood der Sechziger. Dabei fragt er sich in „Once Upon A Time... In Hollywood“ beispielsweise, was denn geschehen wäre, wenn eben nicht Steve McQueen (im Film gespielt von Damian Lewis) die Chance bekommen hätte, zum großen Actionstar der 60er und 70er Jahre aufzusteigen, sondern Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) – den es so zwar nicht wirklich gab, dessen Figur aber dennoch eine Mischung aus einer Reihe von Actionhelden ist, die es zur Zeit McQueens nie aus dessen Schatten schafften.
Im Folgenden gehen wir unter anderem darauf ein, welche Filme Quentin Tarantino als Inspiration für „Once Upon A Time... In Hollywood“ nutzte – sei es nun für einzelne Figuren, den Verlauf der Handlung oder die zahlreichen Filme im Film, die mal ganz nebenbei erwähnt werden, hier und da aber eine größere Rolle spielen. Die muss man zwar keineswegs alle gesehen haben, um der teils fiktiven Hollywood-Story folgen zu können. Sie sind allerdings die perfekte Vorbereitung, damit man Tarantinos neuesten Geniestreich noch besser genießen kann.
Keine Sorge: Wir spoilern weder die Vorbereitungs-Filme, noch „Once Upon A Time... In Hollywood“.
"Gesprengte Ketten" (1963)
Mit „Gesprengte Ketten“ lieferte John Sturges einen der größten Klassiker des Thrillerkinos ab, der bis heute symbolisch für eine ganze Genre-Ära steht – allein schon deswegen lohnt sich das fast dreistündige Epos mit Steve McQueen („Bullitt“), dessen Figur zur Zeit des Zweiten Weltkrieges in einem Lager der Deutschen Luftwaffe gefangen gehalten wird und einen spektakulären Massenausbruch plant. Aber wie hätte es wohl ausgesehen, wenn eben nicht Steve McQueen die Hauptrolle bekommen hätte? So etwas wie eine Antwort auf diese Frage gibt’s in „Once Upon A Time... In Hollywood“.
„Gesprengte Ketten“ ist auf DVD, Blu-ray und als Video-on-Demand erhältlich.
"Fluchtpunkt Akropolis" (1967)
Sergio Corbucci ist einer von Quentin Tarantinos Lieblingsregisseuren und vor allem für Italowestern wie „Leichen pflastern seinen Weg“ oder „Django“ bekannt. In „Once Upon A Time... In Hollywood“ huldigt Tarantino seinem Idol auf eine Art, die viele, vor allem jüngere Zuschauer ohne Vorwissen gar nicht mitbekommen werden: Er lehnt die Figur des Rick Dalton (DiCaprio) vor allem an einen von Corbuccis weniger bekannten Helden an: den von Ty Hardin gespielten Jason, der in „Fluchtpunkt Akropolis“ im Besitz eines wertvollen Mikrofilms kommt, an dem nicht nur die Behörden, sondern auch eine Reihe von Gangster großes Interesse haben.
Der auch als „Moving Target“ oder „Death On The Run“ bekannte Mann-auf-der-Flucht-Actionfilm wurde schon lange vor dem Kinostart von „OUATIH“ prominent in Szene gesetzt: Auf einem Fake-Poster zu „Operazione Dyn-o-mite“ mit Rick Dalton wurde nämlich eine zentrale Szene aus Corbuccis Actioner nachgestellt. Damit aber nicht genug, denn auch im Film selbst gibt es einige Bewegtbilder aus dem Original zu sehen – und die machen ganz besonders Spaß, wenn man das Original geschaut hat.
„Fluchtpunkt Akropolis“ wurde in Deutschland nur auf VHS veröffentlicht.
"Duell im Morgengrauen" (1958)
Im Zentrum von „Duell im Morgengrauen“ steht der impulsive, zügellose Ed Hackett (Tab Hunter), der nichts als Ärger macht, aber im Gegensatz zu seinem Bruder Davy (James Darren) immerhin ein „echter Mann“ ist – zumindest findet das der Vater der beiden (Van Heflin), der seinen rebellischen Sohn immer wieder aus der Patsche hilft, wenn der mal wieder Ärger hat. Bis dieser schließlich einen Schritt zu weit geht…
In Rick Dalton steckt nicht nur ein wenig von Tab Hunters Rolle, darüber hinaus basiert auch Daltons (fiktiver) Film „Tanner“ auf Phil Karlsons Western von 1958 – und hat sogar ein eigenes Poster in Anlehnung an das Vorbild bekommen.
„Duell im Morgengrauen“ ist auf DVD und Blu-ray erhältlich.
"Rollkommando" (1968)
„Rollkommando“ ist der vierte und letzte Teil einer Reihe von Agentenfilmen, in der Dean Martin („Rio Bravo“) als Superspion und Herzensbrecher Matt Helm auftritt – wie ein amerikanischer James Bond. Gleichzeitig ist es der letzte Film von Sharon Tate, der in die Kinos kam, während die Schauspielerin noch lebte. Ein Umstand, dem Quentin Tarantino mit einer ganz besonderen Kino-Szene Tribut zollt – und gleichzeitig der Grund, warum man im selben Atemzug auch gleich noch einen weiteren Tate-Film nachholen könnte, wenn man schon mal dabei ist…
„Rollkommando“ ist als Video-on-Demand erhältlich.
"Das Tal der Puppen" (1967)
Sharon Tate erhielt für ihre Leistung in „Das Tal der Puppen“ eine Golden-Globe-Nominierung als beste Newcomerin – ein gutes Indiz dafür, dass ihr eine große Karriere in der Traumfabrik bevorgestanden hätte. Doch es kam anders. Tates Leben und das ihres ungeborenen Babys fanden im Sommer 1969 vorzeitig ein tragisches Ende, als die Manson-Familie sie und einige ihrer Freunde zu Hause ermordete. Umso rührender sind die Szenen in „Once Upon A Time“ mit ihr, in denen Tarantino an Tates Aura erinnert.
„Das Tal der Puppen“ wurde 2004 von Fox auf DVD veröffentlicht, wurde seitdem aber nicht neu aufgelegt und ist nur noch schwer zu bekommen – ausländische Alternativen sind nach wie vor erhältlich.
"Easy Rider" (1969)
Der Ritt zweier Männer (Dennis Hopper und Peter Fonda), die auf ihren Motorrädern über die Straßen der Vereinigten Staaten heizen, mit ihren langen, wehenden Haaren und dem Gefühl von Freiheit, das sie umgibt... „Easy Rider“ gehört zu den Filmen, die frischen Wind durch Hollywood bliesen. In „Once Upon A Time... In Hollywood“ ist es aber weniger „Easy Rider” selbst, der von größerer Bedeutung ist, sondern vielmehr das, wofür er steht – und zwar für jenen Wandel in Hollywood, der Ende der 60er Jahre stattfand.
Denn die Filmhelden der alten Schule hatten ausgedient und plötzlich war ein neuer Typ gefragt: lange, zottelige Haare, ein wenig androgyn und einfach anders als das, was man bisher kannte. Deswegen kann Rick Dalton Männer wie Hopper & Co. nicht leiden, was vor allem in jener Szene deutlich wird, in der er mit Tex Watson (Austin Butler) Bekanntschaft macht...
„Easy Rider“ ist auf DVD, Blu-ray und als Video-on-Demand erhältlich.
"Bob & Caroline & Ted & Alice" (1969)
Vier Oscar-Nominierungen gab’s 1970 für „Bob & Caroline & Ted & Alice“, also bei den ersten Academy Awards nach den Manson-Morden und damit gewissermaßen auch nach den Ereignissen in Tarantinos Film. Tarantino sowie sein Kameramann Robert Richardson bestätigen dennoch den großen Einfluss, den die freigeistige Satire auf „Once Upon A Time... In Hollywood“ hatte – nicht nur visuell, sondern auch inhaltlich. In Paul Mazurskys Film sehen wir, wie zwei Paare (die aus dem Titel eben) ihr Beziehungsleben etwas lockerer führen, als es zuvor üblich war: Der Wandel der Sechziger war eben auch vor allem sexuell.
„Bob & Caroline & Ted & Alice“ wurde vor einigen Jahren auf DVD veröffentlicht, ist mittlerweile aber nur noch schwer zu bekommen. Alternativen gibt’s im Ausland.
"Tanz der Vampire" (1967)
Roman Polanskis „Tanz der Vampire“ ist nicht nur der bekannteste Film seiner damals zukünftigen Ehefrau Sharon Tate, sondern gleichzeitig auch der einzige Film, in dem Tate und Polanski gemeinsam zu sehen sind – neben „Once Upon A Time… In Hollywood“ gewissermaßen, in dem die beiden von Rafal Zawierucha und Margot Robbie gespielt werden.
„Tanz der Vampire“ ist auf DVD sowie als Video-on-Demand erhältlich.
Auf Seite zwei des Artikels findet ihr eine Liste mit einigen weiteren Filmen, zu denen sich Hommagen und Anspielungen in „Once Upon A Time... In Hollywood“ verstecken.
UPDATE: Der Pay-TV-Sender sowie Streaming-Anbieter AXN hat zehn Filme, die Quentin Tarantino als Inspiration für „Once Upon A Time... In Hollywood“ nannte, ins Programm aufgenommen. Unter anderem „Goldtransport durch Arizona“, „Duell im Morgengrauen“ sowie „Rollkommando“ und „Die Kaktusblüte“ können ab sofort in den AXN-Mediatheken (u. a. bei Amazon Prime Video) gestreamt werden!