„Die Insel“ sticht aus Michael Bays Schaffen nicht nur durch seine fast konventionelle Inszenierung heraus, auch die interessante Sci-Fi-Prämisse, die dem Blockbuster zugrunde liegt, macht ihn zu einer Anomalie – und einem klaren Highlight – in der Filmografie des Krawallkopfs. Vor allem die Handlung, die sich aus einem Drehbuch der späteren „Transformers“-Autoren Alex Kurtzman und Roberto Orci ergibt, wirkt für Bays Verhältnisse bei allem Respekt für den Mann um einiges intelligenter als die Geschichten, denen der Action-Spezialist sonst so seinen Stempel aufdrückt. Entwickelt hat sich das Skript angeblich aus einer Idee von „Jenseits aller Grenzen“-Autor Caspian Tredwell-Owen, dessen Entwurf dann von Orci und Kurtzman überarbeitet wurde. Ein Jahr nach Veröffentlichung des Films erhoben jedoch auch andere Filmemacher einen Anspruch auf die Story.
"Wie ein Trailer zu meinem Film"
Robert S. Fiveson und Myrl A. Schreibman, ihres Zeichens Regisseur und Produzent des Sci-Fi/Horror-B-Movies „The Clonus Horror“ behaupteten, Bay und die für den Vertreib zuständigen Studios DreamWorks und Warner Bros. hätten die Handlung von „Die Insel“ von ihrem Werk gestohlen. Sie warfen den Beteiligten Plagiarismus vor und forderten eine Gewinnbeteiligung. In der Anklage hieß es auch, dass Jeffrey Katzenberg, Mitgründer von DreamWorks „Clonus“ definitiv gesehen habe, da er während seiner Zeit bei Paramount einer Vorstellung des Films beiwohnte, durch die Schreibman und Co. das Studio als Verleiher gewinnen wollten.
„Jemand hat mir geschrieben, ob ‚Die Insel‘ ein offizielles Remake von ‚Clonus‘ sei. Dann bin ich auf die Website von ‚Die Insel‘ gegangen und dort lief ein Trailer und da habe ich mir gedacht: ‚Das sieht aus wie ein Trailer zu meinem Film‘. Sogar die Schlüsselmomente und manche Einstellungen waren identisch“, so Fiveson gegenüber Variety.
Die beiden Filmemacher konnten dem Gericht genügend Gemeinsamkeiten zwischen „Die Insel“ und „The Clonus Horror“, der auch unter den Titeln „Parts“ und „Saat des Wahnsinns“ bekannt ist, aufzeigen, um eine Verhandlung zu rechtfertigen. Zu dieser kam es am Ende jedoch nicht. Die Parteien einigten sich außergerichtlich auf eine Zahlung von einer Million US-Dollar. Doch was ist dran an dem Vorwurf, in Bays Film sei alles nur geklaut?
Parallelen zwischen "Die Insel" und "Clonus Horror"
Es folgen Spoiler für beide Filme
Beide Filme spielen in einer abgelegenen Forschungsstation, in der Klone einflussreicher bzw. reicher Menschen wie Politiker, Schauspieler oder Models für Organtransplantationen und Schwangerschaften gezüchtet werden, um den „Originalen“ ein längeres und beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Den Klonen selbst wird erzählt, sie könnten mit Glück irgendwann die Anlage verlassen und ein Leben in Saus und Braus führen. In „Clonus Horror“ handelt es sich bei dem gelobten Land um Amerika, in „Die Insel“ um die titelgebende Insel. Die Scharade, die von den Betreibern aufrechterhalten wird, ist in Michael Bays Version, dass nach einer ökologischen Katastrophe die gesamte Erdoberfläche bis auf ein kleines Eiland unbewohnbar ist. Mithilfe einer Lotterie wird bestimmt, wer die Einrichtung verlassen und auf die Insel ziehen darf. In „Clonus Horror“ wird ein physischer Test als Entscheidungskriterium vorgeschoben.
In beiden Filmen entkommt die zweifelnde Hauptfigur und trifft ihren Gegenpart in der Außenwelt. In „Die Insel“ wird Protagonist Lincoln (Ewan McGregor) dabei von seiner Flamme Jordan (Scarlett Johansson) begleitet, in „Clonus Horror“ erleidet die Herzensdame (Paulette Breen) der Hauptfigur (Tim Donnelly) hingegen ein jähes Schicksal innerhalb der Einrichtung, ähnlich der weiblichen Hauptfiguren in Science-Fiction-Geschichten wie „THX-1138“ oder „Fahrenheit 451“.
In beiden Filmen schafft es der Klon jedoch am Ende, die Einrichtung auffliegen zu lassen und seinen Klonbrüdern und -schwestern damit die Chance auf ein normales Leben zu verschaffen. In Michael Bays Version geht es dabei natürlich um einiges actionreicher zur Sache, im Grunde handelt es sich bei den beiden Werken aber tatsächlich um dieselbe Geschichte.
Der offensichtliche Unterschied
Qualitativ ist „Die Insel“ „Clonus“ aber in jeder Hinsicht überlegen, was natürlich auch mit dem Budget zusammenhängt: Wo „Die Insel“ für rund 126 Millionen US-Dollar auf Hollywood-Stars und State-Of-The-Art-Spezialeffekte zurückgreifen konnte, betrug das Budget von „Clonus“ vergleichsweise bescheidene 250.000 US-Dollar. Auch „Clonus“-Regisseur Fiveson stimmt dem zu. Als er den Film bei einem Vorab-Screening sah, habe er das Gefühl gehabt, eine bessere Version seines eigenen Films zu sehen:
„Wenn ich ehrlich bin, hat mir [was ich gesehen habe] richtig gefallen. Auf diese Weise hätte der Film eigentlich gemacht werden müssen.“
„Die Insel“ läuft heute Abend um 22.25 Uhr auf ProSieben.