+++ Meinung +++
Mit „The Last Watch“ veröffentlichte der Sender HBO genau eine Woche nach dem Finale von „Game Of Thrones“ ein zweistündiges Making-Of zur Erfolgsserie. Auch hierzulande können Fans des Fantasy-Hits seit vergangener Nacht via Sky einen Blick hinter die Kulissen von „GOT“ werfen. Gerade die achte Staffel der Serie stellte eine nie zuvor dagewesene Herausforderung dar. Sechs finale Folgen, vier davon in Spielfilmlänge, inklusive zweier gewaltiger Schlachten, sollten das Epos zu einem befriedigenden Ende bringen.
Die Ausgangslage für eine spektakuläre, faszinierende und emotional mitreißende Dokumentation wäre also dagewesen. Nur leider bleibt Regisseurin Jeanie Finlay nur an der Oberfläche und wagt es nicht (beziehungsweise bekam wohl nicht die Chance), auch die Schattenseiten einer solchen Mammutproduktion offenzulegen. Es fehlt sowohl an bekannten Gesichtern als auch Momenten, die den enormen Aufwand, der in „Game Of Thrones“ steckt, greifbar machen. Sowohl Fans der Stars als auch diejenigen unter euch, die sich ungeschönte Einblicke erhoffen, werden daher enttäuscht sein.
Kaum Star-Auftritte
Um eines schon mal ganz deutlich klarzustellen: Von den „Game Of Thrones“-Stars gibt es in „The Last Watch“ überraschend wenig zu sehen. Logischerweise laufen sie bei den Dreharbeiten ab und zu mal durchs Bild, aber intime Momente mit den Schauspielern gibt es nur sehr wenige.
Wir sehen Emilia Clarke (Daenerys Targaryen) einige Male im Gespräch mit ihrer Make-up-Künstlerin und wir hören Kit Harington (Jon Snow) bei seiner emotionalen Abschiedsrede am letzten Drehtag. Beide Szenen liefern spannende Einblicke in die Gefühlswelt der Hauptdarsteller, doch das war es dann auch schon mit dem Starfaktor. Wer hofft, ein letztes Mal von Peter Dinklage (Tyrion Lannister), Lena Headey (Cersei Lannister), Maisie Williams (Arya Stark) und all den anderen Darstellern Abschied zu nehmen, den lässt die Doku unbefriedigt zurück.
Der einzige Schauspieler einer wichtigen Figur, den wir in „The Last Watch“ besser kennen lernen, ist Vladimir Furdik. Doch der Stunt-Koordinator und Darsteller des Nachtkönigs zählt wohl trotz seiner Präsenz in den letzten Staffeln kaum zu den großen Stars. Viele Fans würden ihn wegen seines dominanten Make-ups in „Game Of Thrones“ nicht mal erkennen, würden sie ihm auf der Straße begegnen – und genau deshalb ist er einer der Protagonisten der Doku.
Die kleinen Rädchen im Getriebe
Statt sich auf die Schauspiel-Stars oder die Autoren David Benioff und D.B. Weiss zu fokussieren, berichtet Dokumentarfilmerin Jeanie Finlay fast ausschließlich über die unzähligen unbekannten Mitarbeiter, die ebenso einen wertvollen Teil zur Serie beitrugen. Da wäre zum Beispiel Andy McClay, der schon seit fünf Jahren als Statist bei den Dreharbeiten mitwirkt, oder der „Head Of Snow“ Del Reid, der einzig und allein für den künstlichen Schnee in „GOT“ verantwortlich ist.
Es ist ein ehrenhaftes Anliegen, auch diejenigen ins Rampenlicht rücken zu wollen, die ebenso hart (wenn nicht sogar härter) an „Game Of Thrones“ arbeiteten als die großen Stars, aber dennoch geht dem Making-Of ohne bekannte Gesichter eine emotionale Komponente flöten. Das wäre aber nicht weiter schlimm gewesen, immerhin liefern die „Inside The Episode“- und „Game Revealed“-Videos auf dem offiziellen YouTube-Kanal von „Game Of Thrones“ genug Making-Of-Material, in denen auch die Schauspieler zu Wort kommen. Der etwas andere Ansatz hätte der Dokumentation gut tun können. Doch leider bietet „The Last Watch“ keinen gleichwertigen Ersatz für die fehlenden Schauspieler.
Das Problem von "The Last Watch"
Es fehlt ein roter Faden in „The Last Watch“, irgendetwas, an dem sich der Zuschauer festhalten kann, etwas dass ihn bei der Stange hält, oder zumindest ein paar wirklich packende Szenen. Ständig reden die Protagonisten darüber, wie unfassbar groß die Aufgabe ist, dass jeder an den Grenzen seiner Belastbarkeit arbeitet und dass die achte Staffel von „Game Of Thrones“ so viel anstrengender ist, als alles, was sie zuvor gemacht haben. Doch leider schafft es die Doku nicht, diesen Eindruck auch dem Zuschauer zu vermitteln.
Natürlich ist es beeindruckend, wenn die Crew sieben Monate lang die Straßen und Häuser von „King’s Landing“ errichtet, nur um sie dann innerhalb weniger Drehtage komplett zu verwüsten. Und wenn eine Kostümbildnerin und ihr Mann beide monatelang von ihrer Tochter getrennt sind, weil sie an „Game Of Thrones“ arbeiten, dann ist das auch rührend. Nur leider geht die Doku nicht viel tiefer. Trotz des oft heraufbeschworenen Stresses wirken alle Beteiligten durchgehend tiefenentspannt, von blank liegenden Nerven oder hängenden Augenringen keine Spur.
Gut möglich, dass es bei den Dreharbeiten zur finalen Staffel „Game Of Thrones“ tatsächlich keine größeren Komplikationen gab. Das Drama künstlich herbeizuführen, wäre auch nicht im Sinne einer authentischen Dokumentation. Doch leider fühlt sich „The Last Watch“ so an, als würde man als Schnupperpraktikant einmal kurz übers Set geführt werden. Die riesigen Sets, detaillierten Kostüme und Massen an Statisten mögen beeindrucken, doch die wirklich spannenden Einblicke bekommen wir nicht. Der Mangel an emotionalen Szenen und einer packenden Dramaturgie lassen das Making-Of der populärsten Fantasy-Serie aller Zeiten leider recht belanglos wirken.
Fazit zu "The Last Watch"
„The Last Watch“ fühlt sich nicht wie eine vollumfassende Dokumentation über die achte Staffel „Game Of Thrones“ an. Dafür geraten die wichtigsten Köpfe hinter der Show zu sehr in den Hintergrund. Das Making-Of ist eine Würdigung der zahlreichen Mitarbeiter der Serie, die nicht tagtäglich im Rampenlicht stehen. Menschen, die Nächte lang schufteten, und dabei vieles andere opferten, um den Zuschauern das bestmögliche Produkt zu bieten. Doch leider vermittelt die Doku auch diesen Eindruck nur in Ansätzen.
Ein letztes Mal "Game Of Thrones": So könnt ihr "The Last Watch" schauenZwar sprechen die einzelnen Mitarbeiter der Show einige Male davon, wie hart sie arbeiten, doch wir sehen sie nie dabei. Stattdessen wirken alle Beteiligten wie die absoluten Profis, die selbst bei 18-Stunden-Schichten und 55 aufeinanderfolgenden Tagen nächtlicher Dreharbeiten noch bei bester Laune sind. Das epische Finale von „Game Of Thrones“ wirkt dadurch eben nicht wie ein einzigartiges Ereignis, sondern wie eine einfache Fingerübung, die mit der nötigen Professionalität jederzeit problemlos wiederholt werden könnte. Für Hardcore-Fans ist der Einblick in die Produktion ganz nett, alle anderen können sich die Dokumentation allerdings sparen.