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    Mein Ärger über "Game Of Thrones": Coole Szenen sind wichtiger als sinnvolle Strategien

    Schon bei der Schlacht gegen die Weißen Wanderer durfte man sich über die Strategie der Verteidiger wundern. Nach der 4. Folge der 8. Staffel ist FILMSTARTS-Redakteur Björn Becher überzeugt: Die Macher interessiert im Krieg nur noch der Style.

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    +++ MEINUNG +++

    Bereits nach der dritten Episode der finalen achten Season von „Game Of Thrones“ diskutierten viele Fans darüber, ob es strategisch nur ansatzweise sinnvoll sein kann, einfach mal seine gesamte Kavallerie alleine dem Feind entgegen zu schicken, sie so zu verheizen und aufgrund der außergewöhnlichen Kräfte des Gegners sogar zu riskieren, dass die feindliche Übermacht sich mit weiteren wiederbelebten Toten verstärkt. Aber ist doch egal: Sah es nicht richtig cool aus, wie die Schwerter der Dothraki brannten, wie die Lichter durch die dunkle Nacht zu schweben schienen und dann nacheinander ausgingen?

    Auch in der neuesten Episode scheint mir bei manchem kriegerischen Moment, dass es den Machern wichtiger war, dass die Szene einfach cool aussieht, besondere Spannung entfacht oder in einer Überraschung mündet und nicht, dass strategische Überlegungen dahinterstecken. Versteht mich nicht falsch: Per se ist es für mich völlig nachvollziehbar, wenn sich die Macher erst einmal Gedanken darüber machen, wie etwas am Ende ausschaut. Fernsehserien und Kinofilme leben in erster Linie von der Optik, das ist schließlich das bestimmende Element, das ein Buch oder ein Hörspiel nicht bieten kann. Und dem Gros des Publikums ist es wohl auch wichtiger, dass eine Schlacht gut ausschaut, als Kriegstaktiker und Carl-von-Clausewitz-Fans zu befriedigen. Doch bei „Game Of Thrones“ wurmt es mich, weil die Macher bisher doch so eindrucksvoll bewiesen, wie großartig sie beides miteinander verbinden können.

    Schlacht der Bastarde als Gegenbeispiel

    Wer an die Schlacht der Bastarde in der sechsten Staffel denkt, erinnert sich vor allem an die durchaus als ikonisch zu bezeichnende Sequenz, in der Jon Snow (Kit Harington) scheinbar allein mit Schwert im Schlamm steht und eine Übermacht auf ihn zureitet. Das ist eine eindrucksvolle Szene, das ist ein Moment, den Film- und Serienmacher erschaffen wollen und zelebrieren. Doch dieser Moment steht nicht allein. Vorher gibt es Überlegungen, wie die Schlacht in Angriff genommen werden soll – und Strategie spielte eine große Rolle.

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    Die Macher von „Game Of Thrones“ sind natürlich selbst keine Militärstrategen, doch sie waren damals so schlau, sich mit der (realen) Geschichte zu beschäftigen. So haben sie sich von der Schlacht von Cannae zwischen den von Hannibal angeführten Karthagern und einer römischen Übermacht im Jahr 216 vor Christus inspirieren lassen und der von Jon angeführten Armee einen ähnlichen Plan verpasst, wie ihn damals der berühmte Feldherr ersann. Sie haben beiden Armeen sogar die fast exakt gleiche Aufstellung gegeben (was auch ein nettes Easter-Egg für Militärhistoriker ist). Wer sich folglich richtig intensiv mit der Schlacht auseinandersetzt, sieht, dass es auch einen Sinn dahinter gibt.

    Taktische Fehler muss (!) es geben

    Ich will damit auf keinen Fall sagen, dass es in „Game Of Thrones“ (oder jedem anderen Format) perfekt geplante Schlachten geben muss und die Figuren sich nicht „dumm“ verhalten dürfen – ganz im Gegenteil, wie erneut die Schlacht der Bastarde beweist. Jon wirft hier diesen ganzen tollen taktischen Plan über den Haufen, als er blind vor Wut über den Tod von Rickon (Art Parkinson) Ramsay Bolton (Iwan Rheon) auf den Leim geht und statt abzuwarten, lieber gefolgt von seinen Männern nach vorne stürmt. Dass sich Jon hier schlicht und einfach saudumm verhält, ist aber ein Thema und verstärkt seine Erzählung: Sansa (Sophie Turner) hat ihn davor gewarnt, doch wir lernen, dass bei Jon das Herz über den Kopf siegt, er halt (noch) kein planender Anführer ist, er Fehler macht – alles Dinge, die für die Figur wichtig sind.

    Daher finde ich es auch ziemlich sinnlos, an der vierten Episode zu kritisieren, dass es schlecht erzählt sei, dass Daenerys (Emilia Clarke) nicht einfach nach dem Tod von Rhaegal mit ihrem letzten verbliebenen Drachen Drogon hinter die Schiffe von Euron (Pilou Asbæk) fliegt und diese doch noch (wie ursprünglich geplant und vorab mit ihren Beratern besprochen) abfackelt. Das hätte sie tun können (sogar ziemlich einfach), aber sie sieht diese Möglichkeit gar nicht. Daenerys ist wahrsten Sinne des Begriffs „blind vor Wut“, was man in diesem Moment übrigens auch aus dem Gesicht von Schauspielerin Emilia Clarke lesen kann und auch für die Erzählung sehr wichtig ist. Nein, dummes Handeln von Figuren ist kein valider Kritikpunkt, denn Menschen machen nun einmal Fehler. Wenn sich Autoren aber keine Gedanken über das dumme oder schlaue Handeln ihrer Figuren machen, ist das eine andere Sache. Und das werfe ich den „Game Of Thrones“-Machern vor.

    Strategie für den Einzelmoment

    Ich beanstande daher – im Gegensatz zu vielen Stimmen, die ich im Netz gelesen habe – gerade nicht taktische Fehler, sondern vielmehr (und das ist mein entscheidender Punkt), dass sich alle strategischen Überlegungen mittlerweile (im Gegensatz zu früheren Staffeln) nicht mehr mit dem Feind und möglichen Szenarien beschäftigen, sondern nur mit den Momenten, die dann wirklich passieren, die dann gut aussehen.

    Zwar sahen wir sowohl vor der Schlacht von Winterfall als auch in der aktuellen Episode die Hauptfiguren am „Taktiktisch“, wo sie munter Steine für Armeen platzierten, doch finden dabei echte Überlegungen der Figuren statt, die sich mit verschiedenen Szenarien befasst? Nein, und um uns hier nicht falsch zu verstehen: Ich brauche solche Szenen gar nicht, ich will nur das Gefühl haben, dass sich die Figuren irgendwann mal mit verschiedenen Szenarien beschäftigt haben. Doch stattdessen scheinen sich nur noch die Autoren mit verschiedenen Szenarien zu beschäftigen und dabei schlicht und einfach die zwei Taktiken für die beiden Kontrahenten festzulegen, die im Zusammenspiel für die coolsten Momente sorgen. Die Autoren wissen ja schließlich, was in den Köpfen beider Kampfparteien vorgeht und was diese jeweils planen, also stülpen sie ihnen schlicht ein Strategie-Konzept über, das dann visuell und vielleicht auch emotional das beste Zuschauererlebnis liefert. Das sorgt dann dafür, dass wir einfach akzeptieren müssen, dass Eurons Schiffe jetzt genau dort mit Daenerys Drachen zusammentreffen, wo sie es dann tun. Dass sich die Figuren hier nicht ganz vernünftig verhalten, hat also nicht nur mit menschlichen Fehlern zu tun (siehe Daenerys), sondern viel zu oft damit, dass es die Autoren so brauchen.

    Daraus resultiert dann der „coole“ Rhaegal-Abschuss, der mir als Einzelmoment durchaus gefällt. Mich persönlich begeistert es nämlich, dass dem Zuschauer schon in der vorherigen Staffel mitgeteilt wurde, dass Eurons Boote mit den Skorpionen ausgestattet werden und wir nun die Auswirkung davon sehen. Mit dem Zuschauerwissen um die schweren Skorpion-Geschütze entsteht nämlich ein perfekter Suspense-Moment, auf den auch Alfred Hitchcock neidisch gewesen wäre. Doch zu diesem Moment kommt es nur, weil beide (!) Parteien ohne vernünftiges Konzept in den Krieg ziehen. Strategie ist halt weniger wichtig als Style.

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