+++MEINUNG MIT SPOILERN+++
Bevor die achte und finale „Game Of Thrones“-Staffel anlief, schrieb mein Kollege Benjamin Hecht sehr treffend in einem Meinungsartikel, dass ein Happy End das Schlimmste wäre, was die Autoren David Benioff und D.B. Weiss der Serie antun könnten. Schließlich konzipierte George R.R. Martin seine Romanvorlagen einst als Antithese zu Fantasy-Epen wie „Herr der Ringe“, in denen strahlende Helden am Ende den Tag retten und die Welt einer glücklichen Zukunft voller Friede, Freude und Eierkuchen entgegenblickt.
Dementsprechend endete auch die erste Staffel von „Game Of Thrones“ mit dem größtmöglichen Schockmoment: Ned Stark (Sean Bean) wurde enthauptet. Und auch danach schien sich Westeros in einem steten Abwärtsstrudel zu befinden, wirklich freudige Momente gab es selten und wenn, dann wurden sie sofort wieder von einer Katastrophe überschattet. Nicht umsonst eilt der Serie noch immer der Ruf voraus, unberechenbar zu sein und auch, dass man bloß keine Figur mögen sollte, da sie eh bald gemeuchelt wird, wurde völlig zu Recht zum Meme.
Aber ist das überhaupt noch so? Oder ist „Game Of Thrones“ mittlerweile schon zu einer Art TV-„Herr der Ringe“ mutiert? Ich denke ja. Und nach der dritten Folge der aktuellen Staffel, in der die große Schlacht um Winterfell gegen den Nachtkönig und seine untoten Lakaien geschlagen wurde, gehe ich mittlerweile davon aus, dass wir uns auf ein versöhnliches Happy End einstellen müssen.
Ein TV-"Herr der Ringe"?
Versteht mich nicht falsch, ich liebe „Der Herr der Ringe“. Und ich lieb(t)e „Game Of Thrones“. Aber eben aus völlig verschiedenen Gründen – und an „GoT“ mochte ich nun mal vor allem die dreckige, unberechenbare und realistisch angehauchte Welt, die George R.R. Martins Kopf entsprungen war. Seit die Vorlage überholt wurde (also ungefähr ab Staffel 6) entfernte sich die Serie aber immer mehr davon – was nun seinen Höhepunkt fand. Auch meinem Kollegen Tobias Mayer ist das negativ aufgefallen, weswegen er sich in einem Artikel ausführlich gefragt hat, ob die Schlacht um Winterfell eigentlich noch „Game Of Thrones“ oder doch schon „Herr der Ringe“ war:
Ist die Winterfell-Schlacht noch "Game Of Thrones" oder schon "Herr der Ringe"?Während er sich darin jedoch hauptsächlich damit beschäftigt, dass die HBO-Hit-Show einst das Bild des strahlenden Helden dekonstruierte und stattdessen die Menschlichkeit einer jeden Figur in den Fokus rückte, möchte ich mich anderen Themen widmen: Der Mutlosigkeit, die mittlerweile Einzug bei „Game Of Thrones“ gehalten hat, und dem beinahe vollständigen Verlust der Unberechenbarkeit. Beides ist in der aktuellen Folge „Die Lange Nacht“ erkennbar.
Die Unberechenbarkeit ist weg
Bereits im Vorfeld war klar, dass uns nicht nur die bisher längste „Game Of Thrones“-Episode, sondern auch die größte Schlacht der Serie erwartet. Weniger hätte das große Aufeinandertreffen der Lebenden und der Toten, auf das seit dem Auftakt der ersten Staffel hingearbeitet worden war, auch nicht verdient. Und so machten wir uns schon vorher darauf gefasst, uns von beliebten Figuren verabschieden zu müssen – schließlich kann bei „Game Of Thrones“ ja jeder, ganz egal wie wichtig er ist, plötzlich sterben. Beziehungsweise konnte, denn so ist es nicht mehr.
Denn wenn ich mir die Liste der schließlich geopferten Figuren anschaue und wie diese abgetreten sind, dann ist für mich klar, dass David Benioff und D.B. Weiss, von denen das Drehbuch zur Episode stammt, sich beim Schreiben wohl so etwas gedacht haben wie: „Wir MÜSSEN Figuren töten, schließlich sind wir ‚Game Of Thrones‘. Aber bei welchen tut es denn am wenigsten weh? Und wie können wir sie möglichst heldenhaft abtreten lassen, damit ihr Tod einen größeren Sinn bekommt und so noch weniger schmerzt?“
Diese Figuren sterben in Folge 3 von "Game Of Thrones": So reagieren die Fans!Jons Nachtwachen-Kumpel Edd (Ben Crompton) hatte in den vergangenen Staffeln eh kaum noch Leinwandzeit, ihm dürfte keiner lange nachtrauern. Lyanna Mormont (Bella Ramsey) war zwar ein Fanliebling, allerdings auch nur eine Randfigur der Serie. Der Tod von Beric Dondarrion (Richard Dormer) war ohnehin seit langem überfällig und dass Theon (Alfie Allen) die Schlacht um Winterfell nicht überleben würde, war spätestens nach seiner Ankündigung, Bran (Isaac Hempstead-Wright) mit seinem Leben schützen zu wollen, wohl jedem klar.
Auch Melisandre (Carice Van Houten) hatte zuletzt kaum noch etwas zu tun. Dass sie überhaupt auftaucht war eine viel größere Überraschung, als dass sie stirbt. Schließlich kündigte sie ihren Tod auch in Staffel sieben und dann noch einmal am Anfang der aktuellen Folge selbst an. Die größte emotionale Wucht dürfte wohl noch das Ableben von Jorah (Iain Glen) gehabt haben, doch dass er stirbt und sein Leben für Dany (Emilia Clarke) opfert, war auch keine wirkliche Überraschung.
Das Problem mit der Heldenhaftigkeit
Im Endeffekt hätten diese Tode aber trotzdem einen fiesen Schlag in die Magengrube bedeuten können, wenn sie denn anders vonstattengegangen wären – nämlich so unheldenhaft, wie es einstmals typisch für „GoT“ gewesen wäre. Doch David Benioff und D.B. Weiss schrieben jeder Figur noch eine große Tat ins Skript, bevor sie dann den verdienten Heldentod sterben durfte. Edd rettet Sam und Beric Arya (Maisie Williams), Lyanna Mormont tötet noch schnell einen Zombie-Riesen, Theon beschützt Bran und Jorah Dany.
Natürlich kann das mal passen, immerhin reden wir immer noch über eine TV-Serie, die eine Dramaturgie folgt – aber wenn jede Figur, die wir vorher schon mal gesehen haben, so abtritt, dann hat das mit einer halbwegs realistischen Schlacht nicht mehr viel zu tun. Und bei einer Show, die sich einstmals den dreckigen Mittelalter-Realismus auf die Fahnen geschrieben hatte, ärgert mich das und gibt mir das Gefühl, als hätten die Autoren jeglichen Mut verloren und würden es stattdessen einfach nur allen Recht machen wollen.
Ein versöhnliches Ende ist in Sicht
Gegen Ende von „Die Lange Nacht“ wäre meine Kinnlade dann aber fast noch einmal heruntergeklappt. Kurz bevor „Deus Ex Arya“ ihren großen Moment bekam, dachte ich nämlich für einen kurzen Moment, dass der Nachtkönig tatsächlich gewinnen und uns der größte Schockmoment der gesamten Serie erwarten könnte. Doch nachdem es nicht dazu kam und die Episode stattdessen mit dem größten aller Heldenmomente endete, glaube ich endgültig, dass wir uns auf ein versöhnliches Happy End einstellen müssen. In Folge fünf wird Cersei geschlagen, wobei die nächsten Figuren sterben, bei denen das keine große Überraschung wäre (zum Beispiel Grey Worm, Brienne oder Ghost). Und im großen Serienfinale nehmen schließlich Jon oder Dany (oder beide?) auf den Eisernen Thron Platz.
Es wäre der einfachste Weg. Es wäre das Ende, mit dem sich wohl die meisten Fans arrangieren können, über das viele sogar höchst erfreut wären. Aber für mich wäre es das Worst-Case-Szenario. Ein solches Ende funktioniert bei „Der Herr der Ringe - Die Rückkehr des Königs“ wunderbar, jedoch nicht bei „Game Of Thrones“, das nun mal als Antithese dazu startete.
Aber ich lasse mich auch liebend gerne eines Besseren belehren. Vielleicht zaubern David Benioff und D.B. Weiss in den ausstehenden drei Episoden ja noch etwas aus dem Hut, nach dem ich mit offenem Mund dasitze und mir denke: „Fuck, haben die das wirklich getan?“
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