Hand auf’s Herz: Das Kinojahr 2018 war für mich... durchwachsen. Natürlich gab es auch genügend Highlights, aber wie in keinem anderen Jahr zuvor habe ich den Kampf zwischen Streaming- und Kinoangebot gespürt. Was ich an Netflix- und Amazon-Serien und -Filmen weggebingt habe (allen voran „Auslöschung”, „Big Mouth”, „The End of the F***cking World”, „American Vandal”, „Spuk im Hill House” und „The Marvelous Mrs. Maisel”), hat zuvor unerreichte Ausmaße angenommen – und das ging dann auch des Öfteren mal zu Lasten eines ansonsten sicheren Kinobesuchs. Doch das Kinofilm-Angebot war im WM-Jahr 2018 auch sicher nicht auf dem Niveau der Vorjahre und dass Netflix und Co. sich immer mehr Rechte an wahren Filmperlen sichern, die wir sonst auf der großen Leinwand hätten genießen können, macht die Sache nicht leichter – und in den kommenden Jahren wird das sicherlich noch extremer. „Roma”, „Auslöschung” und „Mogli” sind da nur die Spitze des Eisbergs.
Nichtsdestotrotz bleibt Kino einfach Kino: Nirgendwo sonst kann ich Filme so immersiv und so kompromisslos genießen – ohne Second-Screen-Smartphone und Alltags-Unterbrechungen. Kino ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern ein Privileg und bewusst gewählter Kurzurlaub in eine andere Welt, die eben nicht per Fernbedienungsknopfdruck von der Couch zu erreichen ist.
Platz 1: "Call Me By Your Name"
Kein anderer Film hat mich dieses Jahr mehr berührt als das leise Same-Sex-First-Love-Drama „Call Me By Your Name“ von Luca Guadagnino: Diese Sehnsucht, diese Bilder, diese Stimmung und dieses fast unerträglich spannende Knistern zwischen den beiden Protagonisten, nuanciert und eindringlich gespielt von Armie Hammer und Timothée Chalamet. Jeder Sonnenstrahl, jeder Blick und jede Berührung fügen sich hier zu einer perfekt orchestrierten Inszenierung zusammen, die mich an Frühlingsgefühlen fast ertrinken ließ. Bittersüße und pfirsichsaftfrische Filmpoesie für alle Sinne.
Platz 2: "Roma"
„Roma“ ist ein unaufgeregt erzähltes Drama über Verlust, Leid und die Stärke zweier Frauen im Mexiko der 1970er Jahre. Dabei hat der Zuschauer selbst die Wahl, welche der kleinen und großen Geschichten, die sich im Vor- sowie Hintergrund der dichten, eindrucksvoll durchchoreographierten Bilder abspielen, er besonders an sich heranlassen will. Regisseur Alfonso Cuarón hypnotisierte mich mit seinem in wunderschönem Schwarz-Weiß gehaltenen Film für die gesamte Laufzeit von 135 Minuten und stellt mit „Roma“ ein weiteres Mal eindrucksvoll unter Beweis, dass er ein absoluter Meister seines Fachs ist.
Platz 3: "The Disaster Artist"
James und Dave Franco nehmen sich die Entstehungsgeschichte von „The Room“, dem vielleicht schlechtesten Film aller Zeiten, zur Brust und treffen damit humormäßig voll ins Schwarze! Kein anderer Film hat mich 2018 so sehr zum Lachen gebracht. Doch „The Disaster Artist“ hat weitaus mehr zu bieten als gut getimte Gags: Er ist nämlich nicht weniger als eine Ode ans Filmemachen, aller Hindernisse und Talentfreiheit zum Trotz. Den Franco-Brüdern ist hier nicht weniger als ein kleiner Geniestreich gelungen.
Die weiteren Platzierungen
- Platz 4: „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“
- Platz 5: „The Florida Project“
- Platz 6: „I, Tonya“
- Platz 7: „Bohemian Rhapsody“
- Platz 8: „Lady Bird“
- Platz 9: „Shape of Water“
- Platz 10: „Werk ohne Autor“
Die besten Filme ohne deutschen Kinostart
- „Auslöschung“ (Alex Garland, USA 2018, Netflix)