Lange Zeit wussten wir nicht viel über Disneys Streamingdienst. Nun hat Bob Iger, der Boss des Mäusekonzerns, endlich eine umfangreiche Ankündigung gemacht. Der Netflix-Konkurrent heißt Disney+, es werden neben aus dem Kino bekannten Inhalten wie allen Filmen des MCU auch exklusive Serien wie ein Marvel-Spin-off über Gott Loki (Tom Hiddleston) und ein „Rogue One“-Prequel über Diego Lunas Cassian Andor dort laufen. Ende 2019 soll alles an den Start gehen. Den genauen Termin gibt es aber weiterhin genauso wenig, wie konkrete Infos zum Start außerhalb der USA – und die genauen Kosten. Da müssen wir uns wohl noch bis zum April 2019 gedulden. Zur Preisfrage erklärte Iger nun zumindest einmal mehr, dass man deutlich günstiger als Netflix sein werde.
Doch daneben nahm der CEO noch zu einem interessanten anderen Thema Stellung: der Bedienbarkeit und Übersicht der neuen Plattform. Seine Aussage „Wir werden Fans […] super behilflich sein“, ist dabei ein klarer Seitenhieb gegen Netflix.Dabei verfolgen Netflix und Disney aber komplett unterschiedliche Ansätze, wenn es darum geht, die Kunden zu den Inhalten zu führen, die sie am Ende sehen wollen, ihnen also „super-behilflich“ zu sein.
Bevor wir euch daher den neuen Ansatz von Disney+ vorstellen, erklären wir euch erst einmal das Netflix-Modell.
Das Modell Netflix
Wer Netflix nutzt, kennt das: Man findet dort nirgends eine Übersicht, was es wirklich alles bei dem Streaminggiganten zu sehen gibt. Eine komplette Liste gibt es nicht. Netflix trifft eine Vorauswahl für den einzelnen Nutzer, zeigt ihm die Inhalte an, von denen der Streamingdienst glaubt, dass man sie sehen will. Wenn der Autor dieser Zeilen seinen Account aufruft, sieht er neben Standard-Kategorien wie „Derzeit beliebt“ erst einmal vor allem „Dokumentationen“, „Asiatische Filme und Serien“ und „Komödien“. Romanzen müssen schon direkt angesteuert werden und selbst da werden erst einmal „Legend Of Tarzan“ und „Forrest Gump“ noch vor „To All The Boys I’ve Loved Before“, dem immerhin meistgeschauten Netflix-Film überhaupt, vorgeschlagen.
Bei Netflix kann es vorkommen, dass dem einen User ein bestimmter Film laufend vorgeschlagen wird, den ein anderer dagegen nie von alleine entdecken würde – und das teilweise bei verschiedenen Benutzerkonten in einem Account. Einige findige Netflix-User behelfen sich damit, dass sie für jedes Genre ein eigenes Konto anlegen oder direkt die rund 76.000 (!) versteckten Kategorien über Zahlencodes aus Listen ansteuern. Andere freuen sich, dass Netflix sie mit einer Vorauswahl direkt zu Inhalten führt, die sie auch wirklich sehen wollen und sie sich keine Gedanken über hunderte weiterer Filme und Serien machen müssen, die es auch noch gibt.
Das Modell Disney+
Bei Disney+ soll man dagegen transparent sehen, was es gerade alles auf dem Streamingdienst gibt. Bob Iger will das über sogenannte Hubs erreichen. Fünf dieser Hubs kündigte er bereits an:
- Disney
- Pixar
- Star Wars
- Marvel
- National Geographic
Die Hubs sollen jeweils perfekten Fan-Service bieten. Wer zum Beispiel auf „Star Wars“ steht, soll hinter dem entsprechenden Hub übersichtlich alles finden, was mit „Star Wars“ zu tun hat: Filme, Serien, sonstigen Begleitcontent.
Dieses Problem könnte Disney bekommen
Da wir uns seit Jahren durch Netflix-Menüs navigieren, Disneys Modell aber bisher nur auf einer Ankündigung basiert, ist eine Beurteilung natürlich schwierig und am Ende wird sowieso jeder Nutzer selbst entscheiden müssen, was er lieber nutzt. Ein paar Probleme sehen wir aber jetzt schon – lässt sich zum Beispiel wirklich der gesamte Content in solche Hubs einteilen?
Bekanntlich übernimmt Disney ja gerade Fox, so dass wir zukünftig auch Fox-Filme auf Disney+ sehen werden (die Kategorie National Geographic ist da schon ein Hinweis darauf, denn der Doku-Sender gehört aktuell auch noch Fox). Wenn zukünftig also zum Beispiel Guillermo del Toros „Shape Of Water – Das Flüstern des Wassers“ auf Disney+ zu sehen ist, passt dieser in keines der fünf Hubs.
Gibt es dann also noch einen Fox-Hub? Das wäre nicht mehr benutzerfreundlich. Denn Disney hat es zwar geschafft, dass selbst normale Kinogänger von einem Disneyfilm sprechen, aber damit sind auch weltweit das einzige der großen Hollywood-Studios: Dass jemand ankündigt, heute mal einen Foxfilm zu schauen, kommt eher selten vor (außer, wenn ein bestimmter Wes-Anderson-Film gemeint ist).
Folglich müsst man „Shape Of Water“ vielleicht auf einen Hub wie Fantasy verteilen. Das wäre möglich, schließlich hat Iger nicht gesagt, dass die Aufzahlung der fünf Hubs abschließend ist. Doch wie vermittelt man dann den Nutzern, dass „Der Nussknacker und die vier Reiche“ dort nicht zu finden ist, weil der ja bei Disney liegt, „Doctor Strange“ auch nicht, denn das ist ja Marvel und auch die „Star Wars“-Klassiker nicht, denn die sind ja im Hub Star Wars einsortiert.
Und Filme und Serien auf mehrere Hubs gleichzeitig zu verteilen, soll ja gerade nicht erfolgen. In dieser Hinsicht müssen wir uns noch überraschen lassen. Iger meint dazu bislang nur, dass es „sehr Marken-zentriert“ sein werde, was ebenfalls gegen einen Fantasy-Hub spricht.
Keine Unendlichkeit bei Disney
Es soll übrigens noch einen weiteren Unterschied geben: Netflix will seinen Kunden ein Gefühl der Unendlichkeit vorgaukeln – deswegen gibt es weder eine offizielle Liste, was alles im Programm ist, noch eine komplette Übersicht der Neuerscheinungen (eine so betitelte Lite sieht bei jedem anders aus und beinhaltet auch mal Monate „alte“ Filme und Serien, spart dafür jedoch hunderte wirklich in der Zwischenzeit veröffentlichte aus).
Auf Disney+ soll man dagegen sehen, dass jedes Angebot begrenzt ist. Im Marvel-Hub wird es eine fixe Anzahl von Marvel-Inhalten geben – von den MCU-Filmen bis zu den exklusiv neu produzierten Serien um Figuren wie Loki, Scarlet Witch oder den Winter Soldier. Der Nachteil, dass der Marvel-Fan vielleicht irgendwann alles durchgeschaut hat und sich abmeldet, will man damit umgehen, dass man ihm immer wieder neuen Nachschub in genau seiner Kategorie gibt.
Disney+ in Deutschland
Während sich Bob Iger stark auf die Hubs konzentrierte, blieb er bei anderen Aussagen eher schwammig. So sprach er noch darüber, dass Disney+ „Navigationselemente enthalten wird, die auf den anderen Plattformen nicht existieren“ und wollte auch zu einem Start außerhalb der USA nicht so richtig eingehen. So wurde er zwar konkret gefragt, wann Disney+ in Europa (also auch in Deutschland) an den Start gehen könnte, doch einen Termin wollte Iger nicht ankündigen.
Er verwies nur darauf, dass man natürlich plane, Disney+ auch in Europa einzuführen. Dafür könne man aber durchaus etwas länger brauchen. Konkretere Ankündigungen sind erst für April 2019 zu erwarten. Hier will Iger dann auch Disney+ genauer vorstellen – und er will, wie eingangs gesagt, auch den Preis nennen. Eine deutsche Seite für den Dienst gibt es immerhin schon einmal.
Die Content-Produktion läuft schon
Bis dahin dürften auch noch mehr exklusive Inhalte für Disney+ angekündigt werden. Aktuell arbeitet man aber bereits an sehr vielen Projekten. Neben der gerade angekündigten „Rogue One“-Prequel-Serie ist so mit „The Mandalorian“ eine zweite „Star Wars“-Realserie und zudem eine „Star Wars: The Clone Wars“-Fortsetzung in Arbeit. Sicher ist auch schon, dass Loki nicht die einzige Marvel-Figur ist, die eine Serie auf Disney+ bekommt.
Daneben werden auch zahlreiche Filme exklusiv für Disney+ produziert: ein Realfilm-Remake von „Susi und Strolch“, der Weihnachtfilm „Noel“ mit Anna Kendrick über die Tochter des Weihnachtsmanns oder „Togo“ mit Willem Dafoe über ein berühmtes Hundeschlittenrennen in den 1920er Jahren. Dem Disney-Hit „High School Musical“ soll derweil ein Reboot verpasst werden.
An der Serien-Front gibt es unter anderem Remakes der Kinofilme „High Fidelity“ und „Mighty Ducks“ oder eine animierte Ergänzung des „Die Monster AG“-Universums. Und das sind nur einige der bisher bekannten Projekte.