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    Bei der Netflix-Serie "Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte" werden die Zuschauer für dumm verkauft

    Immerhin ist der Titelzusatz wahr: Die Netflix-Horrorserie „Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte“ präsentiert vermeintlich reale, paranormale Erfahrungen, die selbst eingefleischte Geisterfans zu Skeptikern werden lassen. Unser Eindruck: Fake.

    Netflix

    Pünktlich zum Horror-Fest Halloween beschert uns Netflix eine ganze Reihe an hervorragenden Horrorfilmen und schaurigen Serien. Vor allem „Spuk in Hill House“ begeisterte uns so sehr, dass wir eine andere Serie, die ungefähr zur gleichen Zeit auf der Streamingplattform veröffentlicht wurde, fast übersehen hätten: Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte“ ist seit dem 19. Oktober 2018 auf Netflix verfügbar und sticht aus der Masse heraus, weil hier in sechs Episoden sechs wahre Geschichten erzählt werden sollen. Dass es sich hier um wahre Geschichten handelt, wird von den Serienschaffenden sogar zu Beginn der einzelnen Folgen jedes Mal mit dem Schriftzug „The following is a true story“ garantiert.

    Jede Folge widmet sich einer Person, die ihren Freunden und Familienmitgliedern ihre Erfahrungen mit unheimlichen Begegnungen und Phänomenen, manchmal zum ersten Mal, schildert. Zu diesem Anlass sitzen alle Beteiligten in einem Stuhlkreis und lassen uns als Zuschauer ebenfalls an ihren persönlichen Geschichten teilhaben.

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    Während die sechs Menschen von den schaurigen Ereignissen in ihren Leben erzählen, werden ähnlich wie in „X-Faktor – Das Unfassbare“ nachgestellte Szenen mit Schauspielern wechselnder Qualität eingeblendet. Alles andere in der Serie soll jedoch echt sein. Die Protagonisten stellen sich teilweise mit ihrem vollen Namen vor und offenbaren, wo sich die unerklärlichen Ereignisse zugetragen haben sollen. Damit lässt uns Netflix den Freiraum, die ein oder andere Geschichte nachzuprüfen, oder zumindest die realen Social-Media-Profile der Erzähler einzusehen.

    Im besten Fall wäre die Darstellung der Geschichten an sich glaubwürdig oder zumindest interessant genug, dass wir überhaupt nicht das Bedürfnis verspüren, zu überprüfen, ob das, was uns erzählt wird, auch stimmt. „Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte“ hingegen zwingt einen geradezu, skeptisch zu sein. Und das aus gutem Grund: Die Serie stellt nämlich so dreiste und hanebüchene Behauptungen auf, dass einem regelrecht schwindlig wird. Dazu aber später mehr.

    Warum schon der erste Eindruck der Serie misstrauisch macht

    Wir können natürlich weder beweisen, dass übernatürliche Phänomene existieren, noch wollen wir die Erfahrungen der Beteiligten zu 100 Prozent als Humbug deklarieren. Da jeder Mensch eine andere Wahrnehmung der Realität hat, versuchen wir uns – schon allein im Interesse der Fairness gegenüber dem Konzept der Show – nicht auf eine Seite zu schlagen. Das ist für den Genuss von Spuksendungen dieser Art eigentlich auch nicht relevant. Doch selbst wenn man vollkommen gewillt ist, die in „Heimgesucht“ erzählten Geschichten zu glauben, macht es einem schon die Präsentation der Serie schwierig, diesen Willen aufrecht zu erhalten:

    Schon mit dem exzessiven Gebrauch vollkommen übertriebener „Spannungs-Musik“(macht euch auf viele Düüüüüm-Geräuscheffekte gefasst), vermitteln die Macher den Eindruck, dass die Geschichten über die unheimlichen Erfahrungen allein nicht gruselig genug sind, um beim Publikum für Gänsehaut zu sorgen. In Kombination mit der stoischen Ernsthaftigkeit der Protagonisten wirkt die Musik aber vollkommen übertrieben und lässt das Ganze eher lächerlich wirken.

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    Lächerlich sind auch die Kameraschwenks und das Zoomen auf Freunde und Familienangehörige, wenn der Erzählende etwas Schockierendes offenbart und deren Reaktionen festgehalten werden. Den Zuschauern sollte so viel eigenständiges Denken zugetraut werden, dass ihnen bewusst ist, dass gerade etwas unglaublich Bestürzendes erzählt wird. Die Kamera muss stattdessen aber zusätzlich mit dem Finger darauf zeigen. Die Reaktionen der Beteiligten, zum Beispiel weit aufgerissene Augen, sind in diesen Fällen nicht nur ziemlich unglaubwürdig – sondern in vielen Fällen sogar unfreiwillig komisch. Entweder ist diesen Menschen bewusst, dass ihre Reaktionen wichtig sind, weswegen sie nicht natürlich reagieren oder aber sie wurden extra dazu angehalten, gefälligst geschockt aufzutreten.

    Die Geschichten haben dann fast alle ein offenes, verdammt unbefriedigendes Ende. Die Betroffenen schließen ihre Geschichten mit dem Geständnis, dass sie auch heute noch unter den übernatürlichen Ereignissen, die ihnen widerfahren sind oder ihnen noch widerfahren, leiden. Mehr erfahren wir über ihr Leben mit dem omnipräsenten Spuk allerdings auch nicht. Machen diese Leute eine Therapie? Besuchen sie eine Selbsthilfegruppe? Haben sie nachts das Licht an? Das zu kommunizieren, würde die Serie um einiges glaubwürdiger und psychologisch interessanter machen. Spaß macht „Heimgesucht“ also schon einmal nicht. Interessant finden wir die Serie aber trotzdem. Vor allem deshalb, weil die Macher ihr eigenes Publikum offensichtlich für vollkommen bescheuert halten – und dieses zudem schamlos anlügen.

    Erfundene Mordfälle und dreiste Behauptungen

    Wie oben erwähnt, treten die Teilnehmer der Sendung meist mit ihrem vollen Namen auf, weshalb wir es uns nicht verkneifen konnten, bei einigen von ihnen einen kleinen Background-Check vorzunehmen. So fanden wir beispielsweise heraus, dass Kandidatin Erin McGerry aus Episode 3 als Produktionsleiterin bei Indie-Horror-Filmen tätig ist, davon träumt, irgendwann an einer Blumhouse-Produktion zu arbeiten und sich in der Vergangenheit mit einem Youtube-Video auf eine offene Stelle bei „Ghost Adventures“ mit Zak Bagans beworben hat. Jason Hawkins aus Episode 1 ist ebenfalls im Film-Business tätig. Er dreht vorwiegend Blair-Witch-Project-Fanprojekte und Horrorkurzfilme, die er auf Youtube veröffentlicht und besitzt darüber hinaus eine eigene Produktionsfirma. Bei Harvey Althaus aus Folge 4 handelt es sich hingegen um einen selbsterklärten Geisterjäger mit einer eigenen, derzeit leider noch inaktiven Webseite, über die paranormale Beratung angeboten wird.

    Dass all diese Leute Verbindungen zur Entertainment-Industrie haben, mag auf den ersten Blick ziemlich fischig wirken, die Vita der Teilnehmer widerspricht aber zumindest nicht den in der Serie präsentierten Geschichten.

    Die Geschichte, die wirklich unsere Aufmerksamkeit erregt hat, befindet sich dann ohnehin in einer Episode, bei der – wer hätte es gedacht – nicht verifiziert werden kann, ob es sich bei den Erzählern um reale Personen handelt: In Folge 2 wird eiskalt behauptet, bei den gezeigten Personen, die lediglich beim Vornamen genannt werden, handele es sich um die Nachkommen eines Serienkillers, die anwesend gewesen sein sollen, als dieser in seinem Anwesen in Upstate New York über 100 Menschen ermordet habe. Im hohen Alter soll er dann von seiner eigenen Frau und Mittäterin mit einem Kissen erstickt worden sein. Danach habe schließlich eines der für die Serie interviewten Kinder sämtliche Beweise, die sich in dem Haus befanden, vernichtet.

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    Im Gegensatz zu den anderen Fällen, die sich ja nur im Kopf der Betroffenen abspielen bzw. paranormalen Ursprungs sind, sind echte Verbrechen wohldokumentiert und damit faktisch nachweisbar. Allerdings stellten Zuschauer schnell fest, dass sich keine Zeitungsartikel, Berichte oder sonstige Hinweise auf einen solchen Serienmord auftreiben lassen. Auf Twitter, Reddit und Co. finden sich zahlreiche Stimmen, die den Machern der Serie deshalb vorwerfen, den Inhalt der Folge komplett erstunken und erlogen zu haben.

    Die Zuschauer, die nach Aufklärung verlangten, adressierte Brett-Patrick Jenkins, Ausführender Produzent von „Heimgesucht“ auf Twitter mit den durchaus gewagten Worten, dass alle in der Serie präsentierten Fälle garantiert der Realität entsprungen seien. Sagt Jenkins die Wahrheit, würde das bedeuten, bei dem geschilderten Fall handele es sich entweder um ein bisher unbekanntes Verbrechen, was bedeuten würde, die Betroffenen wären statt zur Polizei erst einmal zu Netflix gerannt, um ihre Story loszuwerden. Oder aber die Polizei ist bereits informiert und es handelt sich um eine laufende Ermittlung – aber das ist aus offensichtlichen Gründen ebenfalls Quatsch. Dazu kommt, dass sich einzelne Befragte in der Serie selbst mit Schuld belasten, sich dessen jedoch nicht wirklich bewusst zu sein scheinen.

    Die Netflix-User waren von Jenkins Ausführungen gelinde ausgedrückt nicht überzeugt.

    Fake oder nicht, über „Heimgesucht“ steht vor allem eine traurige Wahrheit: Wäre die Serie gut gemacht, hätte sie auch locker ohne den Zusatz „die Geschichten sind wahr“ funktioniert. Ist sie aber nicht. Stattdessen erweckten die Macher mit diesem Statement nur Misstrauen beim Publikum und den Willen, zu beweisen, dass die als wahr dargestellten Erzählungen, gelogen sind. Und am Ende bleibt dann nur der schmerzliche Verdacht, dass man anscheinend nicht mal mehr von einer Geistersendung, die unzeremoniell und im Fahrwasser besserer Shows auf Netflix versendet wurde, noch Integrität erwarten kann. Zumindest uns hat das hart getroffen.

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