Der fünfte Band der „Harry Potter“-Reihe von Autorin J.K. Rowling ist das längste aller sieben Bücher – ja, mit 1.021 Seiten sogar länger als „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“, welcher in zwei Filme geteilt wurde. Dennoch ist „Harry Potter und der Orden des Phönix“, den ihr am heutigen 6. Oktober 2018 um 20.15 Uhr auf SAT.1 sehen könnt mit einer Laufzeit von zwei Stunden und 22 Minuten der zweitkürzeste Film der Reihe.
Bei solch einer Diskrepanz zwischen Buchseiten und Filmminuten liegt es auf der Hand, dass nicht alle Details den Wünschen der Fans entsprechend umgesetzt werden können. Doch bei „Harry Potter und der Orden des Phönix“ führte das schwache Drehbuch von Michael Goldenberg zu mitunter groben Lücken in der Handlung, die im späteren Verlauf der Filmreihe zu einigen überraschenden Auftritten und offenen Fragen sorgten.
Sirius‘ letztes Geschenk an Harry
Die gemeinsame Zeit von Harry (Daniel Radcliffe) und seinem Patenonkel Sirius Black (Gary Oldman) ist an sich schon viel zu kurz. Doch in der Verflimung von „Der Orden des Phönix“ fällt ein ganz besonderes Geschenk des Animagus an sein berühmtes Patenkind dann auch noch komplett unter den Tisch. Dabei wird der doppelseitige Spiegel in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ zum Lebensretter für Harry, Hermine (Emma Watson), Ron (Rupert Grint), Luna (Evanna Lynch), Zauberstab-Macher Ollivander (John Hurt) und Kobold Griphook (Warwick Davis).
Denn was zunächst als eine magische Version des heutigen Facetime zwischen Sirius und Harry gedacht war, wird in „Die Heiligtümer des Todes – Teil 1“ für den Titelhelden und seine Freunde während der Gefangenschaft im Herrenhaus der Malfoys zur einzigen Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Am anderen Ende findet sich Aberforth (Ciarán Hinds), der jüngere Bruder von Professor Dumbledore, der sogleich Dobby auf das letzte große Abenteuer des kleinen Helden schickt. Doch die wirkliche Funktion des Spiegels und seine Herkunft werden trotz der immensen Bedeutung in den beiden finalen „Harry Potter“-Filmen nur kurz angerissen und in „Der Orden des Phönix“ sang- und klanglos unter den Teppich gekehrt.
Das Verschwindekabinett
Untergangenen ist auch das Verschwindekabinett. Wie schon Sirius‘ Geschenk, soll auch der magische Schrank in der Schlacht um Hogwarts eine große Rolle spielen. Schließlich wird ihn Draco (Tom Felton) in „Harry Potter und der Halbblutprinz“ nutzen, um die Todesser um seine Tante Bellatrix Lestrange (Helena Bonham Carter) in die Schule zu lassen. Denn das Verschwindekabinett besteht aus zwei Schränken die wie eine geheime Tür zwischen zwei Orten fungieren, der eine steht bei Borgin & Burkes, dem Laden für dunkle magische Geschöpfe, und der andere im Raum der Wünsche inmitten der Zauberschule.
Hier landete das Verschwindekabinett höchstwahrscheinlich nachdem der Poltergeist Peeves es in Harrys zweiten Schuljahr zerstörte. Peeves folgte dabei nur einem Plan des Gryffindor-Hausgeistes, des Fast Kopflosen Nick, um für Chaos zu sorgen und so Harry aus dem Büro des Hausmeisters, Filch, zu retten. Im fünften Buch nun sorgt der zerbrochene Schrank für einen dramatischen Unfall, als die Weasley-Zwillinge den Quidditch-Kapitän von Slytherin dort hinein schubsen. Doch während Fans der Bücher in „Harry Potter und der Orden des Phönix“ von der Existenz und Geschichte des Kabinetts erfahren, sehen diejenigen, die lediglich die Filme kennen, in der Verfilmung „Der Halbblutprinz“ nur, wie Draco zunächst einen Apfel und dann einen Vogel in einem unauffälligen Schrank verschwinden lässt.
Der Bund des Blutes
Die Dursleys wollten von Anfang an nichts mit Harry zu tun haben und das ließen sie den Jungen, der lebte, auch täglich spüren. Doch warum musste der berühmteste Zauberer der Welt dann bei seiner verhassten Tante Petunia (Fiona Shaw), deren Mann Vernon (Richard Griffiths) und seinem Cousin Dudley (Harry Melling), der ihn tagein, tagaus piesackte, aufwachsen? Und vor allem: Warum musste Harry Jahr um Jahr wieder an diesen schrecklichen Ort zurückkehren, obwohl ihn die Weasleys doch liebend gern aufgenommen hätten? Die Antwort erfahren wir erneut nur im Buch, aber nicht in der Verfilmung: Die Dursleys sind die letzten Verwandten von Harry. Über Harry und seiner Tante Petunia liegt ein Zauber, der Harry bis zur Volljährigkeit vor Voldemort schützen soll.
Als Voldemort nämlich das Haus der Potters stürmte und dabei Harrys Eltern umbrachte, überlebte das Neugeborene durch den magischen Schutz seiner Mutter Lily. Diesen Zauber wiederum konnte Dumbledore auf Lilys Schwester Petunia erweitern. So lange Harry also das Haus der Dursleys sein Zuhause nennt, kann ihm der dunkle Lord zumindest an diesem Ort nichts anhaben. Zur Aufrechterhaltung des Bund des Blutes war es folglich vonnöten, dass Harry in den Ferien stets wieder zu den Dursleys zurückkehrte.
Die vergessenen Helden: Nevilles Eltern
Dass bei einer Literaturverfilmung manchmal verschiedene Personen zu in einer Figur verknüpft oder gar ganz gestrichen werden, sollte niemanden mehr überraschen. Doch Neville Longbottoms (Matthew Lewis) Eltern hätten mehr verdient. Denn nicht nur die Weasleys, Lupin (David Thewlis) und Mad Eye Moody (Brendan Gleeson) gehörten bereits beim ersten großen Krieg gegen Voldemort zum Orden des Phönix, sondern auch Frank und Alice Longbottom. Doch die Eltern des liebevollen und tollpatschigen Neville wurden unter anderem von Bellatrix Lestrange bis zum Wahnsinn gefoltert, weshalb ihr Sohn bei dessen Großmutter aufwuchs. Als Harry und seine Freunde im fünften Buch Arthur Weasley im St. Mungos Krankenhaus besuchen, treffen sie dabei auch auf ihren Schulkameraden und erfahren von seinen heldenhaften Eltern.
Währenddessen schneidet die Verfilmung „Harry Potter und der Orden des Phönix“ die dramatische Geschichte der Longbottoms nur mit der kleinen Unterrichtsdemonstration des Cruciatus-Fluches an. Außerdem verpassen wir im Film so ein Wiedersehen mit Gilderoy Lockhart, der nach dem Zusammentreffen mit Rons mangelhaftem Zauberstab in „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ zwar sein Gedächtnis verlor, dennoch auch im Krankenbett fleißig am Autogramme schreiben ist – zumindest in der Buchvorlage…