Man wirft großen Konzernen ja gerne mal vor (und das oft auch zu Recht), dass sie sich nur dann ethisch verhalten, solange es sich nicht negativ auf die eigenen Bilanzen auswirkt. Diesen Vorwurf kann man den Verantwortlichen des zum Disney-Konzern gehörenden US-Fernsehsenders ABC aber dieses Mal wohl eher nicht machen, schließlich haben sie mit ihrem „Roseanne“-Reboot die erfolgreichste neue Serie des Jahres innerhalb von Stunden nach einem rassistischen Tweet von Hauptdarstellerin Roseanne Barr abgesetzt. Das ist für die Quoten des Senders in der anstehenden, hart umkämpften Herbstsaison erst einmal eine mittelschwere Katastrophe.
Deshalb verwundert es auch nicht, dass nach dem ersten Schock schon bald damit angefangen wurde, sich zu überlegen, ob es mit „Roseanne“ nicht vielleicht doch weitergehen könnte – nur eben ohne Roseanne. Dabei ist den ABC-Verantwortlichen allerdings sehr wichtig, dass Roseanne Barr in den Folgen nicht nur nicht mehr selbst mitspielt, sie soll auch an den Gewinnen und Umsätzen der Sitcom nicht mehr beteiligt sein. Das wäre sie nach den Regeln der WGA (der Gewerkschaft der Drehbuchautoren) aber eigentlich auf jeden Fall, denn auch wenn die Serie vor 30 Jahren von Matt Williams entwickelt wurde, basiert sie „auf einem von Barr kreierten Charakter“, was ihr auf jeden Fall einen gewissen Anteil auch an allen Produktionen sichert, die aus der „Roseanne“-Sitcom hervorgehen.
Was steht dem Spin-off noch im Wege
Wie mehrere Insider gegenüber The Hollywood Reporter berichtet haben, hat Roseanne Barr inzwischen offenbar grundsätzlich zugestimmt, auf den ihr zustehenden Anteil zu verzichten – in diesem Fall hätte ABC keine (ethischen) Probleme mehr damit, die Conner-Saga ohne sie in anderer Form weiterzuführen. Nicht ganz klar ist jedoch, ob Roseanne Barr einfach so zustimmen möchte, um ihren Co-Stars und den übrigen an der Serie beteiligten Autoren und Arbeitern nicht noch weiter zu schaden, oder ob sie noch eine einmalige Zahlung als Abschieds-Geld heraushandeln will.
Deshalb sollte man zu diesem Zeitpunkt auch auf keinen Fall davon ausgehen, dass der Weg für das Spin-off jetzt endgültig frei ist. Denn wenn Roseanne Barr doch auf eine einmalige Auszahlungssumme besteht, dann muss diese natürlich erst einmal ausgehandelt werden – und da würde es mit Sicherheit nicht nur um ein schmales Taschengeld gehen. Zum anderen hat Roseanne Barr aber auch schon wiederholt gezeigt, dass man ihre Ankündigungen nicht unbedingt immer hundertprozentig ernstnehmen sollte, stattdessen scheint sie oft ähnlich wankelmütig wie ihr Social-Media-Idol Donald Trump. So ist sie etwa schon wenige Stunden nach ihrer Ankündigung, sich von Twitter zu verabschieden, zu dem Kurznachrichtendienst zurückgekehrt.
Worum soll es im Spin-off gehen
Nachdem die Schauspielerin Sara Gilbert, die in der Sitcom die Tochter Darlene Conner spielt und ansonsten auch als Leslie Winkel aus „The Big Bang Theory“ einem breiten Sitcom-Publikum bekannt ist, schon an dem Zustandekommen des „Roseanne“-Reboots maßgeblich mitbeteiligt war (sie hat die neuen Folgen der Serie auch mitproduziert), soll ihre Figur im Spin-off anscheinend ins Zentrum der Conner-Erzählung rücken. Wie genau erklärt wird, dass die Familienpatriarchin Roseanne plötzlich nicht mehr da ist, ob sie womöglich sogar wie Charlie Harper nach dem Rauswurft von Charlie Sheen bei „Two And A Half Men“ einfach um die Ecke gebracht wird, ist bisher hingegen noch nicht bekannt.
Warum das Spin-off finanziell Sinn ergibt
Es ist übrigens stark davon auszugehen, dass das Spin-off niemals die herausragenden Traumquoten erreichen wird, die der „Roseanne“-Reboot im vergangenen Jahr eingefahren hat. Schließlich fehlt der Sitcom nun der titelgebende Star – und zudem sind viele Fans des Reboots eben gerade Trump-Anhänger aus Nordamerika, die mit der „politischen Korrektheit“, die ihrer Meinung nach zur Entlassung von Roseanne Barr geführt hat, gar nichts anfangen können. Aber selbst wenn bei dem Spin-off deutlich weniger Zuschauer einschalten, ergibt es für ABC alleine schon deshalb Sinn, weil große Teile der Kosten eh bezahlt werden müssen – egal ob es gedreht wird oder nicht.
Da bereits die Vertragsoptionen für eine zweite Staffel „Roseanne“ bei den Schauspielern gezogen wurden, müssen etwa Sara Gilbert, Laurie Metcalf und John Goodman so oder so für mindestens zehn Episoden bezahlt werden (und zwar 300.000 Dollar pro Episode und Star). Und da gerade bei Sitcoms der allergrößte Teil des Budgets in die Schauspielgehälter fließt und der Dreh selbst dann in der Regel nur noch einen Bruchteil davon kostet, muss ABC für die Produktion des Spin-offs eh nur noch eine nicht allzu hohe Summe auf den Geldhaufen legen, den der Sender ansonsten einfach das Klo herunterspülen würde.
In Deutschland sollte der „Roseanne“-Reboot eigentlich beim Disney Channel laufen. Allerdings ist die hiesige Ausstrahlung nach jetzigem Stand komplett abgesagt.