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    Interview zu "Molly’s Game" mit Jessica Chastain: "Wir haben um Süßigkeiten gepokert"

    Wir haben Jessica Chastain in Berlin getroffen, um mit ihr über ihre Rolle als „Pokerprinzessin“ und ihre Version des skurrilen ersten Treffens mit Regisseur Aaron Sorkin zu sprechen.

    SquareOne Entertainment

    Die schon zwei Mal für einen Oscar nominierte Jessica Chastain (für „Zero Dark Thirty“ und für „The Help“) ist eine der besten und vielseitigsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Die 40-jährige Kalifornierin fügt ihrer beeindruckenden filmischen Vita mit dem Porträt der Promi-Pokerspielveranstalterin Molly Bloom in Aaron Sorkins elektrisierendem Spieler-Drama „Molly’s Game“ nun noch eine weitere Facette hinzu. Molly Bloom musste nach einer schweren Knieverletzung ihre professionelle Skicross-Karriere aufgeben und rutschte durch Zufall in die Pokerszene, wo sie zur „Pokerprinzessin“ Hollywoods aufstieg. In Hinterzimmern veranstaltete sie die exklusivsten Runden der Branche, Größen aus Film, Sport, Wirtschaft und Politik tummelten sich an ihren Tischen – bis das FBI sie wegen vermeintlicher Verbindungen zur russischen Mafia aus dem Verkehr zog.

    FILMSTARTS: In „Molly’s Game“ dreht sich alles um Poker. Bist du selbst eine gute Spielerin?

    Jessica Chastain: Ich bin furchtbar im Pokern. Aber das ist auch okay. Molly Bloom hat in ihrem ganzen Leben nicht eine einzige Partie Poker gespielt. Also musste ich bei der Recherche auch nicht selbst spielen, sondern nur sehr viel über das Spiel lernen.

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    FILMSTARTS: Aber du hast offenbar schon irgendwann mal versucht zu spielen?

    Jessica Chastain: Ja, ich habe es als kleines Kind von meiner Mutter gelernt. Wir haben um Halloween-Süßigkeiten gespielt. Das ist aber einfach nicht mein Ding. Ich mag dieses Spielkonzept, andere Leute anzulügen, nicht. Ich bin da einfach nicht gut, das ist nichts für mich.

    Jessica Chastain: Ich bin keine Spielerin

    FILMSTARTS:Im Film dreht sich alles ums Zocken. Um was würdest du spielen, wenn du müsstest?

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    Jessica Chastain: Ich bin einfach keine Spielerin. Einmal war ich auf einem Las-Vegas-Trip mit einigen Leuten. Während die anderen gezockt haben, wollte ich mir nur die Shows ansehen, in den Spa gehen oder am Pool abhängen. Meine Freunde wollten mich überzeugen: „Hey, hier sind 100 Dollar, geh‘ raus und spiel!“ Also habe ich tatsächlich gespielt, 100 Dollar beim Roulette auf Schwarz gesetzt – und gewonnen. Das war’s. Ich habe mein Geld genommen und aufgehört. Mich stört, dass man beim Spielen etwas durch Zufall bekommt – ohne dafür zu arbeiten oder etwas zu tun. Ich glaube sehr stark an harte Arbeit, um etwas zu erreichen.

    FILMSTARTS: Es besteht also keine Gefahr, dass du abhängig vom Spielen wirst. Aber gibt es etwas, nach dem du süchtig bist? Die Arbeit vielleicht?

    Jessica Chastain: [überlegt] Ich glaube nicht. Ich bin schon eine Perfektionistin. Wenn ich etwas anpacke, steigere ich mich da sehr rein, aber ich komme nicht zu dem Punkt, wo ich etwas aus meinem normalen Leben zugunsten der Arbeit opfere. Es ist mir sehr wichtig, dass ich meine Familie, meine Freunde und meinen Ehemann um mich habe. Ich bin also kein Typ für Abhängigkeiten.

    FILMSTARTS: Hast du bei der Arbeit an „Molly’s Game“ herausgefunden, warum Menschen abhängig vom Spielen werden?

    Jessica Chastain: Ich verstehe es nicht wirklich. Molly hat mir erzählt, wie sie jemanden 100 Millionen Dollar an einem ihrer Pokertische verlieren sah – in einer einzigen Nacht. Das ist vollkommen verrückt. Ich verstehe nicht, warum man so viel Geld einfach wegwerfen kann. Ich denke, das passiert Leuten, die dermaßen viel Geld haben, dass sie gewohnt sind, dass alle „Ja“ zu ihnen sagen. Sie reizt diese Gefahr, etwas zu verlieren. Das ist etwas für Adrenalinjunkies – egal ob im Sport oder beim Spielen. Dein Status spielt da überhaupt keine Rolle, sondern nur das Glück bei den Karten, die du bekommst oder eben auch nicht.

    Mit Hollywoodstars beim Pokern in New York

    FILMSTARTS: An Molly Blooms Pokertischen waren auch diverse Hollywoodstars unterwegs. Hast du mit Jungs wie Leonardo DiCaprioBen Affleck oder Tobey Maguire geredet?

    Jessica Chastain: Ich habe mit einigen Leuten gesprochen, die bei Molly gespielt haben. Sie nahmen mich mit zu einem Spiel in New York, wo viele von Mollys Spielern dabei waren und wir sprachen darüber, wie es war, bei ihr zu spielen und wie sie so ist. Das war sehr hilfreich für mich.

    FILMSTARTS: Du bereitest dich immer sehr gewissenhaft auf Filme vor. Welcher Teil des Prozesses gefällt dir beim Filmemachen am besten?

    Jessica Chastain: Die Recherche und Vorbereitung gefällt mir schon sehr gut. Beim Film wird nicht viel geprobt, im Gegensatz zum Theater, wo ich herstamme. Ich liebe diesen Prozess des Entdeckens. Ich liebe die Idee, ein Detective zu sein, mir die Hinweise und Puzzles anzuschauen und das Verbrechen zu lösen. Ich sehe jede Figur, die ich spiele, als ein Rätsel, das ich lösen muss. Du musst verstehen, woher sie kommen. Was machen sie? Was sind ihre Ängste? Was sind ihre Ambitionen? All diese kleinen Dinge muss man zusammenfügen – und alle Hinweise finden sich im Drehbuch.

    Als ich Molly das erste Mal getroffen habe, hat sie versucht, mir zu zeigen, was ich spielen soll. Aber als eine Schauspielerin kann ich das nicht einfach so nachspielen. Man muss hinter die Kulissen blicken, aus den kleinen Hinweisen setzt sich ein Charakter zusammen. So habe ich es auch mit Molly Bloom gemacht. Der Teil der Recherche ist für mich definitiv der Aufregendste, weil man da eine Figur erschafft.

    Am Scheitern ist nichts Falsches

    FILMSTARTS: Ist diese Recherche oder Vorbereitung auch immer so etwas wie eine Lektion, die du lernen kannst. Mal Reiten, Fechten oder was auch immer…? Musst du immer etwas finden, was du vorher noch nicht gemacht hast?

    Jessica Chastain: Ja, absolut. Ich liebe es, zu lernen. Ich betrachte jeden Film, den ich mache, als Möglichkeit, etwas dazuzulernen, neue Fähigkeiten zu erlangen, aber auch als Mensch zu wachsen. Wenn man im Leben damit aufhört, wird es langweilig – egal, welchen Job du machst. Aber so hat man das Gefühl, etwas mit seinem Leben anzustellen. Ich könnte die gleiche Art von Film immer und immer wieder machen. Ich könnte die Celia Foote, diese dumme, süße und lustige Figur aus „The Help“, die alle lieben, in vielen Filmen immer wieder spielen, die wären dann bestimmt finanziell auch erfolgreich. Aber ich würde mich dabei so sehr langweilen. Also möchte ich Rollen spielen, die mich fordern.

    Molly's Game

    FILMSTARTS: Das heißt, du riskierst damit auch, zu scheitern?

    Jessica Chastain: Ja, ich suche Charaktere, die ich nie zuvor gespielt habe, und ja, das beinhaltet das Risiko, zu scheitern. Dabei lernt man aber auch immer wieder etwas. Es ist nichts Schlechtes dabei zu scheitern.

    FILMSTARTS: Im Moment gibt es in Hollywood eine große Debatte über Geschlechterrollen, die #MeToo-Debatte ist in vollem Gange. Was muss sich aus deiner Sicht in der Filmindustrie ändern?

    Jessica Chastain: Zunächst einmal glaube ich, dass alles, was in der Filmindustrie passiert, sich auch genauso in der Gesellschaft abspielt. Diese Veränderungen, die gerade geschehen, sind in der Filmindustrie nur am sichtbarsten, weil sie so öffentlich ist. Aber wenn du auf das Weiße Haus, die Wall Street oder auch nur die Landwirtschaftsindustrie schaust, passiert da eine Menge. Vor kurzem wurde ein Brief von Frauen aus der Landwirtschaftsindustrie veröffentlicht, wo sie sich über den Missbrauch, dem sie ausgesetzt sind, beschweren. Mehr als 700.000 Frauen berichten von Belästigungen, die sie tagtäglich ertragen müssten, um ihre Kinder zu ernähren. Das ist verheerend. Es wäre ein Fehler zu sagen, dass dieses Problem nur in Hollywood bestehe.

    Wie aggressiv sich Jessica Chastain ihre Rolle schnappte

    FILMSTARTS: Wie sieht es eigentlich genau mit deiner Rollenauswahl aus? Wie findest du die Filme? Bekommst du viele Angebote oder musst du für diese tollen Rollen, die du spielst, kämpfen?

    Jessica Chastain: Bei „Molly’s Game“ war es kein Angebot. Ich hatte ein Treffen mit Aaron Sorkin. Mir wurde erzählt, dass er sich mit vielen Schauspielerinnen aus Hollywood trifft. Ich will ehrlich sein: Normalerweise ist es gleichzeitig ein Angebot, wenn ich ein Drehbuch geschickt bekomme. Dann treffe ich den Regisseur und wir schauen, wie die Chemie zwischen uns ist und ob wir gut zusammenarbeiten können. Als ich aber das Skript zu „Molly’s Game“ erhielt, war es kein Angebot. Ich wollte die Rolle wirklich spielen, ich hatte schon recherchiert und mich dann mit Aaron zusammengesetzt. Und habe versucht, mit Mollys Energie in dieses Treffen zu gehen. Sie ist eine sehr selbstbewusste Frau, eine echte Draufgängerin. Nach ein paar Minuten sagte ich zu Aaron: „Warum haben wir dieses Meeting? Warum habe ich die Rolle nicht? Warum triffst du dich mit anderen Kandidatinnen? Das ist meine Rolle, du weißt, dass ich sie am besten spielen kann.“ Er ist erschreckt zusammengezuckt. Sowas habe ich noch nie zu einem Regisseur gesagt. Ich habe das nur gemacht, weil ich denke, Molly hätte es auch so getan. Lustigerweise sagte Aaron mir später, dass Molly ihn eh gebeten habe, mich in dem Film zu besetzen. [lacht]

    „Molly’s Game“ läuft seit dem 8. März 2018 in den deutschen Kinos.

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