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    "Star Trek: Discovery": Unsere Kritik zu Staffel 1

    Nach 15 Folgen endete die erste Staffel der neuesten „Star Trek“-Serie, die in Deutschland exklusiv bei Netflix ausgestrahlt wird. Ob sich das Bingen lohnt, erfahrt ihr hier.

    Netflix

    Der gesamte Text enthält Spoiler zu „Star Trek: Discovery“

    In den letzten Episoden der ersten Staffel muss sich Michael Burnham (Sonequa Martin-Green) mit ihren romantischen Gefühlen gegenüber Ash Tyler (Shazad Latif), einem Schläfer-Agenten und Militär-Experiment der Klingonen, auseinandersetzen. Obwohl sie weiß, dass Tyler, dessen DNA mit der des Klingonen Voq verschmolzen wurde, nicht für seine Verbrechen, die unter Gehirnwäsche begangen wurden, verantwortlich gemacht werden kann, kann sie sich kaum dazu bringen, ihm in die Augen zu sehen. Die Erinnerung daran, wie der Krieger Schiffsarzt Culber (Wilson Cruz) das Genick brach und anschließend versuchte, auch sie zu töten, ist in ihr Gedächtnis eingebrannt, der Mann, der an diesem Tag vor ihr stand, sah zwar noch aus wie ihr Freund und Liebhaber, von seiner einstigen Persönlichkeit war jedoch rein gar nichts zu erkennen. Burnhams Dilemma lässt sich überraschend gut auf meine Gefühle gegenüber „Star Trek: Discovery“ übertragen.

    Same but different

    „Discovery“ aktiv zu verfolgen fühlt sich an, wie Woche für Woche in eine furchtbar dysfunktionale Beziehung zurückzukehren, weil man unter all dem Schmerz und emotionalen Missbrauch immer wieder Funken von dem erkennt, was man einst geliebt hat. So wie Voq der Klingone in Ash Tylers schlummert, verbirgt sich auch „Star Trek: Discovery“ unter einer Fassade des Altbekannten. Die aus „Star Trek“ bekannten moralischen Grundsätze der Sternenflotte und die ethischen Konflikte, denen sich ihre Helden jede Woche stellen müssen, sprich das, was „Star Trek“ in erster Linie interessant gemacht hat, sind allerdings nicht das Fundament der Serie, sondern lediglich ihr Anstrich. Statt es mit Diplomatie und Besonnenheit zu versuchen, heißt die Lösung in „Discovery“ oft Gewalt, die Figuren sind geplagt von Furcht, Zorn und Eifersucht.

    CBS Television Distribution

    Das wäre an und für sich vollkommen vertretbar, immerhin muss nicht jede „Star Trek“-Serie auch gleich „Das nächste Jahrhundert“ sein, „Discovery“ schießt sich mit seiner düsteren Marschrichtung jedoch immer dann selbst in den Fuß, wenn durch den Prequel-Charakter der Show („Discovery“ spielt 10 Jahre vor „Raumschiff Enterprise“) Figuren und Szenarien auftreten, die man mit anderen, freundlicheren „Star Trek“-Serien verbindet. Das größte Problem von „Discovery“ ist nicht, dass die Welt der Serie düster und von Arschlöchern bevölkert ist, sondern, dass ihre Macher dies nicht zu realisieren scheinen.

    Mit der Episode, in der Soziopath Harry Mudd (Rainn Wilson) die Discovery in seinem Würgegriff hat und in verschiedenen Zeitlinien wahllos Leute umbringt, hatte ich beispielsweise unglaublich Spaß, bis am Ende wieder zwanghaft versucht wurde, eine Verbindung zur Original-Serie herzustellen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass es sich bei diesem Harry Mudd um denselben, eher harmlosen Schwindler handeln soll, dem Kirk und Crew in „Raumschiff Enterprise“ das Handwerk legen. Auch Spocks Vater, der spießige, aber durchaus zu Toleranz fähige Vulkanier Sarek (James Frain), wird durch die Enthüllung seiner Rolle im Krieg mit den Klingonen im Staffelfinale nachträglich zu einem militanten Hetzer.

    Netflix

    Das trekkige (halbe) Dutzend

    Auch bezüglich ihrer eigenen Figuren, ist „Discovery“ ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind mit Kelpier Saru (Doug Jones), Kadett Tilly (Mary Wiseman) und Ingenieur Stamets (Anthony Rapp) durchaus interessante Charakterköpfe mit an Bord, in der ersten Staffel verbringt Hauptfigur Burnham ihre Zeit jedoch meist mit dem harten Bastard Captain Lorca, der zwar von Jason Isaacs schön intensiv gespielt wird, aber bereits in Episode 13 sein Lebenslicht ausbläst oder mit Schlaftablette Ash Tyler, dessen Rückkehr in Staffel zwei ebenfalls fragwürdig ist. Das resultiert nicht nur in jeder Menge unausgeschöpftem Potenzial, sondern hat auch zur Folge, dass die Kernbesatzung, mit der „Discovery“ 2019 in Staffel zwei gehen wird, derzeit noch sehr oberflächlich gezeichnet ist. Mehr noch als die bitter nötige Screentime für meine „Discovery“-Lieblingsfigur Saru wünsche ich mir dann auch eine Rückkehr von Michelle Yeoh, die dem Affen vor allem in den letzten handvoll Episoden als eiskalte Weltraum-Faschistin ordentlich Zucker geben durfte.

    Netflix

    Der Plot

    Im Zentrum der episodenübergreifenden Handlung, die bereits in der ersten Folge losgetreten wurde, steht der Krieg zwischen der Sternenflotte und den kriegerischen Klingonen. Mein erster Eindruck von der Pilotfolge war damals durchaus positiv, der Konflikt zwischen den Parteien schien angenehm nuanciert, da wichtige Figuren auf beiden Seiten eingeführt wurden. Schon nach wenigen Wochen verflog dieser Eindruck aber leider wieder, die Vertreter der Kriegerrasse blieben nicht nur eindimensional, sondern wurden zudem auch äußerst schnell langweilig. Die besten Episoden von „Discovery“ sind daher die, in denen der zentrale Konflikt in den Hintergrund rückt. Die oben genannte Zeitschleifen-Episode mit Harry Mudd und eine Folge, in der Saru durch eine friedliebende Alienrasse seine innere Ruhe findet, waren klare Highlights, der Ausflug der Discovery ins Mirror-Universum hätte meiner Meinung nach ebenfalls länger dauern und ganze Staffeln an Geschichten bieten können. Hier offenbarte sich die Stärke der modernen Ausrichtung, der Twist um Captain Lorca war elegant eingefädelt und auch das Wiedersehen mit Michelle Yeoh vermochte es, mir ein Grinsen ins Fressbrett zu zaubern.

    Fazit

    Dass Trekkies mit „Discovery“ noch nicht so wirklich warm werden ist einerseits verständlich, die DNA des Franchise ist nicht wirklich erkennbar und verglichen mit anderen modernen Science-Fiction-Serien wie „The Expanse“ wirkt die Welt von „Discovery“ trotz des immens reichen Universums, in dem die Autoren herumspielen können, merkwürdig klein und oberflächlich. Andererseits macht die Serie, wenn ihre Macher eine Idee wie das Mirror-Universum konsequent umsetzen aber auch durchaus Laune. Zudem war eine holprige erste Staffel schon immer ein Markenzeichen der Reihe, auch bei „Das nächste Jahrhundert“ wurde hinter den Kulissen heftig über die Ausrichtung der Show gestritten und „Deep Space Nine“ war in Staffel eins trotz starkem Finish bestenfalls uneben. An der zweiten Staffel wird man messen können, ob die Showrunner aus ihren Fehlern gelernt haben oder nicht, die „Star Trek“-Fans, die „Discovery“ bereits abgeschrieben haben könnten dann eventuell noch einmal zurück ins Boot geholt werden. Ansonsten gibt es ja auch noch die deutsche TV-Premiere von Seth MacFarlanes Off-Brand-„Star Trek“ „The Orville“ (ab 27. Februar 2018 bei ProSieben) und vielleicht auch Tarantinos „Star Trek“-Film, auf die man sich als „Trek“-Fan freuen kann.

    Die Alternative:

    Das Original:

     

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