Bei der anhaltenden Schwemme an Serien-Adaptionen von Kinofilmen ist eine gewisse Skepsis häufig vorprogrammiert – und nicht selten auch gerechtfertigt, besieht man sich so manches Ergebnis. Im Fall von „Get Shorty“ sind allerdings jegliche Zweifel unbegründet – zum einen da sich die Gangster-Serie nicht am starbesetzten Kinofilm „Schnappt Shorty“ aus dem Jahr 1995, sondern eher (lose) an der Romanvorlage von Elmore Leonard orientiert, zum anderen da die stilsichere Neuadaption der Gangster-Geschichte ihre ganz eigene (bitterböse) Stimme findet und es so auch spielend mit der besagten Leinwand-Adaption aufnehmen kann.
Gangster im Filmgeschäft
Der Ire Miles Daly (Chris O’Dowd) verdingt sich als Schläger und Handlanger für die erbarmungslose Casino-Besitzerin Amara (Lidia Porto). Als er und sein befreundeter Partner Louis (Sean Bridgers) damit beauftragt werden, Schulden von einem aufstrebenden Drehbuchautor einzutreiben und das Ganze ziemlich blutig endet, fällt Miles dessen jüngstes Skript in die Hände. Gefesselt von der Geschichte, träumt der Film-Nerd davon, diese tatsächlich in Hollywood umzusetzen – zumal er darin auch einen Weg sieht, seine kriminelle Laufbahn hinter sich zu lassen und so seine Frau Katie (Lucy Walters) zurückzugewinnen. Wild entschlossen wendet er sich daher an den abgehalfterten Filmproduzenten Rick Moreweather (Ray Romano), der sich nach einigem Hin und Her tatsächlich auf die Sache einlässt. Doch Amara hat bei Miles‘ neuen Karriereplänen auch noch ein Wörtchen mitzureden...
Auf eigenen Beinen
Andere Figuren, anderer Stil, anderer Ton: Die beste Idee von „Get Shorty“-Schöpfer Davey Holmes („Shameless“) war es wohl, sich nur einige Eckpfeiler von Elmore Leonards Buch herauszupicken, um dieses Grundgerüst dann aber sein ganz eigenes Serien-Gebäude zu errichten. Abgesehen von der bloßen Prämisse eines filmbegeisterten Geldeintreibers, der in Hollywood durchstarten will, dürfte einem gerade auch im Vergleich zur erwähnten Filmadaption von Barry Sonnenfeld nur wenig bekannt vorkommen. Der Ansatz, den Holmes mit seiner Adaption verfolgt, ist wesentlich dreckiger (und damit auch näher an Leonard als an Sonnenfeld), der Humor fieser, die häufig an die Nieren gehende Gewalt expliziter.
Das macht sich auch bei der Hauptfigur bemerkbar. Anders als etwa Chili Palmer, für den John Travolta in „Schnappt Shorty“ ein Jahr nach „Pulp Fiction“ einfach nochmal seine Vincent-Vega-Nummer durchzog, ist Miles Daly kein elegant gestylter Ganove, der stets souverän seine Coolness zur Schau stellt. Vielmehr verkörpert Miles fast schon eine Dekonstruktion des kumpelhaften Tarantino-Gangster-Typus, der besonders in den 90er Jahren in Film und Fernsehen so angesagt war. An einer Stelle in „Get Shorty“ wird gar direkt konstatiert, dass es nun mal einfach nicht sonderlich sexy sei, nach einem „Arbeitstag“ ins Apartment zurück zu humpeln oder sich das Blut unter den Nägeln hervor zu kratzen – was aber alles nicht bedeuten soll, dass nicht auch Miles Daly den einen oder anderen flapsigen Spruch loslassen darf, von denen viele absolut ins Schwarze treffen.
Die ideale Besetzung
Miles wäre allerdings wohl nur halb so faszinierend, wenn Chris O’Dowd nicht wäre. Der „The IT Crowd“-Star legt seinen ganzen irischen Charme in die Darstellung der Figur, die auch dank ihm spannend ambivalent bleibt. Abgewrackt und in den richtigen Momenten doch erstaunlich lässig, charmant, aber doch zu (fast) allem bereit, wenn es die Situation (in seinen Augen) erfordert – immer wenn man denkt, dass man Miles Daly komplett durchschaut hat, zaubert er eine weitere Facette aus dem Ärmel. Hinzu kommt ein Hauch Tragik durch das gestörte Verhältnis zu seiner Frau, der ihm überzeugend emotionales Gewicht verleiht, ohne dass O’Dowd sich dafür zu allzu offenen Gefühlsausbrüchen verleiten lässt. Etwas anders sieht es da schon bei seinem häufig überdreht-verzweifelndem Co-Star, Comedian Ray Romano („Alle lieben Raymond“), aus, der – mal mehr, mal weniger subtil leidend – nach der fantastischen Komödie „The Big Sick“ direkt eine weitere überraschend nuancierte Performance abliefert.
Das Spiel mit (vermeintlichen) Gegensätzen ist generell prägend für „Get Shorty“. Trotz köstlich-schwarzhumoriger Spitzen kommt die Serie streckenweise als überraschend harter Gangster-Thriller daher, bei dem keine Gefangenen gemacht werden. Abseits so mancher Klischees sind die Gestalten aus der kriminellen Unterwelt selten (reine) Witzfiguren, sondern vor allem wirklich bedrohlich. Davey Holmes und seinem Autorenteam gelingt es leichtfüßig, die verschiedenen Seiten ihrer Geschichte auszubalancieren, in Einklang zu bringen oder gar direkt miteinander zu verknüpfen und zu einem stimmigen Ganzen zusammenzuführen. Über allem schwebt dabei die Gegenüberstellung des unglamourösen Gangsterlebens und der mutmaßlichen Traumfabrik Hollywood – zwei Parallelwelten, die letzten Endes aber doch gar nicht so verschieden sind, wie es zunächst den Anschein hat.
Immer unter Strom
Selbst wenn die Figuren bei ihren ambitionierten Vorhaben zwischenzeitlich etwas Aufwind bekommen, wird ihr Handeln stets von einer unwohlen Ahnung begleitet, kann doch jeden Moment alles in sich zusammenbrechen. Dieser Eindruck wird durch die Inszenierung und die musikalische Untermalung sogar noch verstärkt. Die ständige (mitunter an den Oscarerfolg „Birdman“ erinnernde) Schlagzeug-Begleitung, gerade in Kombination mit den vielen dynamisch-packenden Plansequenzen, erzeugt ein allgegenwärtiges Gefühl von Unruhe und Getriebenheit – obgleich dies in den Folgen zwei und drei im Vergleich zum Auftakt etwas nachlässt.
Fazit
Besser als die Verfilmung von 1995: „Get Shorty“ überrascht als völlig eigenständige und toll gespielte Adaption von Elmore Leonards Erfolgsroman. Allein in den ersten drei Folgen werden Gangster-Thriller, Karriere-Drama und schwarze Komödie so gekonnt vermengt, dass die restlichen sieben Episoden definitiv zum Pflichtprogramm werden.
„Get Shorty“ ist eine Eigenproduktion des US-Senders Epix, der bereits eine zweite Staffel in Auftrag gegeben hat. Ihre hiesige Premiere feiert die Serie nun ab dem heutigen 1. Februar 2018 beim noch jungen Telekom-Streaming-Dienst EntertainTV Serien. Dort erscheinen zunächst die ersten drei Folgen der zehnteiligen ersten Staffel, die sowohl im englischen Original als auch in der deutschen Synchronfassung abgerufen werden können. Wöchentlich folgt dann immer donnerstags eine weitere Episode.