Wie konnte „Moonlight“ die wichtigste Kategorie bei den Oscars für sich entscheiden, wo doch ein Erdrutschsieg von „La La Land“ vorprogrammiert schien? Sowohl Fans als auch Kritiker reagierten überrascht auf das Votum der Academy. Bei genauerem Hinsehen kommt dieser Wahlausgang jedoch nicht aus heiterem Himmel. FILMSTARTS nennt euch drei Gründe, warum letztlich Barry Jenkins‘ Drama – und eben nicht „La La Land“ - das begehrte Goldmännchen erhielt. In jeder der Annahmen steckt eine Spur Spekulation, aber zusammen ergeben sie ein schlüssiges Szenario.
Das politische Klima in den USA
Seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten positionieren sich auch viele Filmschaffende deutlicher als zuvor politisch. Dabei sind die liberalen Trump-Gegner wie in ganz Kalifornien deutlich in der Mehrheit und stellen sich öffentlich gegen den neuen Präsidenten und seine Politik. Auf ein gewaltiges Echo stieß vor allem Meryl Streeps Rede bei der Golden-Globe-Verleihung im Januar.
Am Oscar-Abend trugen zahlreiche Stars eine hellblaue Schleife, um ihren Protest gegen die Einwanderungspolitik Trumps nach außen kundzutun. In diesem Klima liegt es nahe, anzunehmen, dass einige Academy-Mitglieder auch mit ihrer Stimmabgabe ein Zeichen gegen Ausgrenzung, Unterdrückung und Intoleranz setzen wollten – hierzu passt auch, dass mit Asghar Farhadis „The Salesman“ der Beitrag eines iranischen Regisseurs als Bester ausländischer Film ausgezeichnet wurde. Farhadi selbst erschien - ebenfalls aus Protest - gar nicht erst zur Preisverleihung, da der amtierende US-Präsident gegen den Iran (sowie sechs weitere muslimische Länder) im Januar 2017 ein (mittlerweile wieder aufgehobenes) Einreiseverbot verhängt hatte.
Das Wahlverfahren
Zum Besten Film gekürt wird nicht – wie in den übrigen Kategorien - einfach derjenige Kandidat, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt, sondern in dieser Kategorie gilt ein spezielles Vorzugswahlsystem (preferential ballot), bei dem jedes Academy-Mitglied nicht nur eine einzige Stimme abgibt, sondern eine wertende Rangliste seiner 5 Favoriten von den 9 nominierten Filmen aufstellt.
Hiervon profitieren im Ergebnis vor allem solche Filme, die auf ein breites Wohlwollen stoßen und möglichst wenig polarisieren (die also oft auf dem zweiten und dritten Platz der Stimmzettel landen), was mutmaßlich „Moonlight“ zugutekam. Bei „La La Land“ handelt es sich hingegen um ein Werk, das zwar viele Befürworter, aber auch einige erklärte Gegner vorzuweisen hat. Der gewaltige Hype um das Musical könnte zudem auf den letzten Metern für einen klassischen Backlash gesorgt haben und dieser Überdruss wirkte sich dann möglicherweise wiederum vor allem zum Vorteil des sympathischen Underdogs „Moonlight“ aus.
Die Neubesetzung der Academy
Als Reaktion auf die Oscars so white-Debatte aus dem Vorjahr nahm die traditionell vor allem von alten, weißen Männern dominierte Academy 638 neue Mitglieder in ihre Reihen auf (bei insgesamt nun 6.687), darunter besonders viele Frauen, Schwarze und andere Minderheiten. Mit dieser und weiteren Maßnahmen will man eine größere Vielfalt erreichen und der Sieg von „Moonlight“ deutet zumindest darauf hin, dass dieses Bestreben erste Früchte trägt - schließlich dreht sich dort alles um Leben und Identität eines schwarzen, homosexuellen Jungen – während es in „La La Land“ um privilegierte weiße Künstler geht...