Wer nicht schon als Kind von ambitionierten Eltern zu einem zukünftigen Globetrotter und Kosmopoliten mit der Kenntnis mehrerer Fremdsprachen erzogen wurde, wird hierzulande mit ziemlicher Sicherheit seine ersten Kinoerfahrungen mit deutschen Synchronfassungen gemacht haben. Auch ich bilde da keine Ausnahme und noch heute habe ich kein Problem damit, Filme beim ersten Mal in der synchronisierten Fassung zu schauen, allen Unkenrufen zum Trotz. In Deutschland pflegt man zum Glück seit jeher eine ausprägte Synchronschauspielerkultur und viele der größten Hollywoodstars wären uns ohne ihre deutschen Stimmen wohl kaum so sehr im Gedächtnis geblieben. Ich denke da zum Beispiel an Manfred Lehmann, der Bruce Willis eine extra Portion Coolness verleiht, oder an Norbert Gastell (möge er in Frieden ruhen), dem einzig wahren Homer Simpson.
Doch in den vergangenen Jahren vernahmen meine Ohren immer öfter neue Stimmen im Kinosaal, die mir nicht so recht dabei halfen, mich in den Film hineinzufühlen, sondern eher das Gegenteil bewirkten. Etwas „stimmte“ nicht mit ihnen: Auf mich wirkten sie vergleichsweise gekünstelt - gewollt, aber bei Weitem nicht so gekonnt. Und trotzdem kamen sie mir irgendwie vertraut vor. Nur woher? Ein Blick auf Poster und andere Marketing-Produkte enthüllte, dass es sich bei ihnen nicht mehr um professionelle und hauptberufliche Sprecher handelte, sondern um Stars und Sternchen aus TV, Musik und Internet – ja quasi von überall. Und sogar TV-Köche wurden in jüngerer Vergangenheit in die Aufnahmekabine gestellt.
Dieses Phänomen grassiert schon seit einiger Zeit und wird vermutlich auch noch ein Weilchen vorherrschen, doch ich habe leider ein Problem damit. Denn öfter als mir lieb ist werde ich das Gefühl nicht los, dass sich durch die Stimme und die (in meinen Ohren zweifelhafte) Performance der dahinter stehende Promi zu sehr in den Vordergrund drängt und damit die Figur, die er vertonen soll, überlagert. Statt vollends mit der Figur zu verschmelzen, erhalte ich durch die Darbietung eines zwar prominenteren, aber letztendlich weniger talentierten Sprechers den Eindruck, dass Stimme und Figur niemals eins ergeben und befremdlich voneinander getrennt erscheinen. Auf einmal hörte ich in „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen 2“ nicht mehr der Affendame Barb zu, sondern Cindy aus Marzahn, Berliner Dialekt inklusive, und auch an Palina Rojinski als Sam Sparks störte ich mich enorm. Und „Sing“ warb zunächst mit der Stimme von Matthew McConaughey (Benjamin Völz), ehe man „Das Supertalent“-Moderator Daniel Hartwich den Vortritt ließ. Das Qualitätsgefälle wird schmerzlich klar, wenn die restlichen Figuren mit Profis besetzt werden und das Ergebnis einfach einwandfrei ist.
Nur warum dürfen sich immer öfter B-Promis und YouTuber hinter das Mikrofon stellen? Der Marketing-Gedanke kommt einem da in den Sinn, aber ich frage mich ernsthaft, ob die prominenten Namen wirklich zu mehr Besuchern führen als es ohne sie der Fall wäre. Gibt es empirische Zahlen, die das belegen? Ist die Überprüfung überhaupt möglich? Und muss der Zuschauer während der Vorstellung nicht unweigerlich an den Promi denken, weil er vorher einfach nicht an seinem Namen vorbeigekommen ist, der ihm in jedem Trailer, Spot und von jedem Plakat ins Gesicht springt? Unbeschwerter Kinogenuss funktioniert für mich jedenfalls anders.
Warum also den hauptberuflichen Synchronschauspielern die Aufträge vor der Nase wegschnappen, wo sie doch ihren Lebensunterhalt damit verdienen? Zumal die Mitglieder der Branche ohnehin mit Problemen zu kämpfen haben: Der Interessenverband Synchronschauspieler e.V. (IVS) setzte sich in der jüngeren Vergangenheit für eine bessere Vergütung ein, und wer eine faire Bezahlung einfordert, riskiert, dass er seine Sprechrolle kurzerhand verliert.
Die Gagen könnten und sollten jedenfalls besser investiert werden. Und zwar in Profis, in Menschen vom Fach und nicht in prominente Personen, deren bloße Teilnahme den Film jedes Mal zu überschatten droht. Denn auch das zeichnet den professionellen Sprecher aus: Macht er seine Sache gut, bemerkt man ihn nicht. Sein Name prangt nicht groß auf den Werbebannern und seine Arbeit lässt mich glauben, dass ich, trotz besseren Wissens, den großen Hollywoodstar im Film nicht nur sehe – sondern auch höre.