„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht“ vs. „House Of The Dragon“: Das Duell der beiden Fantasy-Serien im Sommer 2022 hatte einen klaren Sieger, denn die „Game Of Thrones“-Vorgeschichte kam bei Fans und Fachpresse insgesamt deutlich besser an und wurde auch mehr geschaut. Bei der jeweils zweiten Staffel gibt es nun kein direktes Duell mehr, da beide Serien nicht gleichzeitig ausgestrahlt werden, doch ein Vergleich drängt sich natürlich trotzdem auf – oder zumindest eine gewisse Parallele.
Denn nachdem schon „House Of The Dragon“ Season 2 eine insgesamt gelungenere Staffel als die von zahlreichen Zeitsprüngen zerrissene Season 1 war, scheint auch „Die Ringe der Macht“ in Staffel 2 die Kinderkrankheiten hinter sich gelassen zu haben. In Season 2 präsentiert sich die „Der Herr der Ringe“-Serie nicht nur wesentlich düsterer, sondern auch erzählerisch reifer – zumindest in den ersten drei Episoden, die wir für diese Kritik bereits sehen konnten und die am 29. August 2024 auf Amazon Prime Video veröffentlicht werden.
Während die Serie in der ersten Staffel noch mit viel Augenwischerei und einigen nicht besonders geschickt versteckten Mysterien (Stichwort: Sauron) für Spannung sorgen musste, sind die Karten hier nun größtenteils auf dem Tisch und das Publikum kann stattdessen mit den Figuren mitfiebern.
„Die Ringe der Macht“ Staffel 2 beginnt ziemlich direkt nach den Ereignissen von Staffel 1: Sauron (Charlie Vickers) schleicht sich – weiterhin als Mensch namens Halbrand getarnt – bei Adar (in Season 2 gespielt von Sam Hazeldine) und seinen Orks ein, nachdem er von Galadriel (Morfydd Clark) enttarnt und aus dem Reich von Elbenschmied Celebrimbor (Charles Edwards) verbannt wurde.
Galadriel wird indes mitsamt den ersten drei von Celebrimbor geschmiedeten Ringen der Macht nach Lindon zurückbeordert, wo der Elbenkönig Gil-galad (Benjamin Walker) herrscht. Galdriel plädiert dafür, die mächtigen Ringe einzusetzen, damit die Elben weiterhin in Mittelerde bleiben und den Kampf gegen Sauron aufnehmen können. Doch Elrond (Robert Aramayo) ist überzeugt, dass daraus nichts Gutes entstehen kann.
Während die Elben über den Einsatz der Ringe streiten, zieht auch im Zwergenreich Khazad-dûm Unheil herauf und in Númenor ringen Regentin Míriel (Cynthia Addai-Robinson) und Heerführer Elendil (Lloyd Owen) mit den Nachwirkungen der Schlacht in den Südlanden. Der namenlose Fremde (Daniel Weyman) reist indes gemeinsam mit Harfußmädchen Nori (Markella Kavenagh) weiter in Richtung Osten, nach Rhûn...
Viele Handlungsstränge, aber ein Kern
Die obige Inhaltsangabe deutet es schon an: Auch in „Die Ringe der Macht“ Season 2 gibt es weiterhin sehr viele Handlungsstränge, die die Serien-Verantwortlichen um das Showrunner-Duo J.D. Payne und Patrick McKay jonglieren müssen. Doch in den ersten Folgen der zweiten Staffel gibt es einen klaren erzählerischen Fokus und der liegt eindeutig auf den titelgebenden Ringen der Macht – und auf Sauron, der direkt oder indirekt alle Handlungsstränge vorantreibt oder berührt. Der große Bösewicht wird so fast schon zur Hauptfigur und ziert daher nicht umsonst das Hauptposter der zweiten Staffel (s. Titelbild dieses Artikels).
So debattieren Galadriel, Elrond und Gil-galad darüber, ob die möglicherweise von Sauron beeinflussten Ringe nun eingesetzt werden dürfen oder nicht, wobei auch Neuzugang Círdan (Ben Daniels), einer der ältesten und weisesten Elben überhaupt, eine wichtige Rolle spielt. Geschickt werden hier durch die verschiedenen Figuren verschiedene Positionen abgebildet, während gleichzeitig auch immer schon die Versuchung der (Ringe der) Macht angedeutet wird, vor der auch der Elbenkönig nicht gefeit ist.
Stark gezeichnete Figuren, tolle Darsteller
Doch während die Elben noch debattieren, verfolgt Sauron seinen Plan weiter – und wickelt Celebrimbor geschickt um den Finger, um diesen dazu zu bringen, weitere Ringe zu schmieden. „Der Herr der Ringe“-Fans wissen schließlich, dass noch sieben Zwergenringe und neun für die Menschen-Herrscher geschmiedet werden müssen. Und dafür sorgen Payne und McKay mit einem einigermaßen eleganten Kniff:
Celebrimbor weiß zwar, dass er eigentlich nicht mehr mit Halbrand arbeiten soll, aber nicht, dass in Wahrheit Sauron hinter dieser Maske steckt – und als dieser sich als vermeintlich wohlwollender Annatar offenbart und ihm noch dazu jede Menge Honig um den Mund schmiert, ist der schnell bereit, weitere Ringe zu erschaffen. Hier dürfen vor allem Charles Edwards als geltungssüchtiger Elbenschmiedemeister und Charlie Vickers groß aufspielen, dessen Annatar sich tatsächlich wie eine ganz andere Figur als der vermeintliche König Halbrand anfühlt.
Die Harfüße bleiben das Herz
Während die Ringe der Macht in diesen ersten Folgen den erzählerischen Kern der Geschichte bilden, bleibt das emotionale Herz der Geschichte jedoch – wie schon in Staffel 1 – die Beziehung zwischen Nori und dem Fremden, der als (noch) namenloser Zauberer in Rhûn mehr über seine Vergangenheit zu erfahren hofft. Wie auch bei Gandalf und Frodo (oder Gandalf und Bilbo) haben sich auch Nori und der Fremde gegenseitig eine Menge beizubringen – und spätestens, wenn dann auch noch Poppy (Megan Richards) zu diesem ungleichen Duo stößt, geht einem regelmäßig das Herz auf...
„Die Ringe der Macht“ überzeugt also auch in Staffel 2 mit einer emotionalen und vor allem rund um die Erschaffung der Ringe der Macht auch stark erzählten Geschichte mit gut ausgearbeiteten Figuren. Was in diesen ersten Folgen jedoch noch fehlt, sind Action-Höhepunkte und Spektakel – wohl auch ein Grund, warum Amazon zum Start direkt drei Episoden bereitgestellt hat.
Mit Isildur (Maxim Baldry), der sich erst in Mordor gegen eine Riesenspinne und dann in den Südlanden gegen Banditen wehren muss und dabei von Waldelb Arondir (Ismael Cruz Córdova) unterstützt wird, gibt es hier zwar schon einen kleinen Vorgeschmack. Das große Feuerwerk wird wohl jedoch erst in der zweiten Hälfte der zweiten Staffel abgebrannt, wie bereits die Trailer zu Season 2 angedeutet haben: