Folgt man seiner Zählung, hat Quentin Tarantino bislang bei neun Filmen Regie geführt – und in dieser Vita drängen sich die Erfolgsgeschichten dicht an dicht. Einen herben wirtschaftlichen Rückschlag musste Tarantino aber hinnehmen: 2007 brachten er und sein befreundeter Regie-Kollege Robert Rodriguez das Genre-Experiment „Grindhouse“ ins Kino.
Dahinter verbarg sich ein Double Feature aus Rodriguez' ebenso actionreicher wie komödiantischer Horror-Hommage „Planet Terror“ und Tarantinos „Death Proof“, einem Mix aus Slasher-Tribut und Verneigung vor Auto-Stunt-Thrillern. Die in nerdiger Passion getränkte Liebeserklärung an Schundkinos, die ein wildes, verwegenes Programm anbieten, war an den US-Kinokassen ein massives Verlustgeschäft.
Doch obwohl „Death Proof“ somit einen raren Rückschlag in Tarantinos Karriere darstellt, erachtet der Filmemacher ihn nicht als Schandfleck – sondern als Ursprung wertvoller Lektionen. Allerdings lohnt es sich auch dessen ungeachtet, „Death Proof“ (wieder) zu schauen – beispielsweise im Abo von Amazon Prime Video:
"Death Proof": Zu speziell für die breite Masse?
In die US-Kinos gelang der Doppelpack aus „Death Proof“ und „Planet Terror“ als über 190 Minuten langes Event. Doch das Massenpublikum war nicht bereit für eine derart wuchtige Dosis aus Gewalt, Schrecken, Frivolitäten und inszenatorischen Spielereien, die sich an Kinonostalgiker*innen richten: Bei einem Budget von rund 60 Millionen Dollar generierte „Grindhouse“ bloß 25,4 Millionen Dollar. In vielen anderen Ländern wurden „Death Proof“ und „Planet Terror“ daraufhin als Einzelfilme ausgewertet – was keine nennenswerten Erfolgsimpulse zur Folge hatte.
Tarantino kann es sich rückwirkend mühelos erklären, weshalb dieses Projekt so wenig Anklang fand. Im Gespräch mit dem britischen Filmmagazin Empire führte er aus: „Robert und ich dachten halt, dass die Leute besser mit der Historie der Double Features und Exploitationfilme vertraut sind – tja, sind sie nicht! Kein Stück!“ Das führte laut Tarantino dazu, dass das Publikum „Grindhouse“ nicht wertschätzen konnte:
„Die Leute hatten keine verdammte Ahnung, was sie sich da angucken. Was wir da geschaffen haben – das hat ihnen nichts bedeutet! Wir waren einfach zu geil für diese Welt“, analysiert Tarantino den „Grindhouse“-Flop mit einer Prise Humor. Statt sich deshalb zu grämen, versuchte Tarantino, aus diesem wirtschaftlichen Debakel zu lernen. So erklärte er dem Branchenblog Vulture: „Ich habe dank 'Grindhouse' eine wertvolle Lektion gemacht.“ Er führt fort:
„Robert Rodriguez und ich, wir waren es gewohnt, unseren eigenen Weg zu gehen – einen eigenen und eigenartigen Weg. Und das Publikum ist uns gefolgt.“ Durch „Grindhouse“ habe Tarantino in Erfahrung gebracht, wo die Grenzen dessen sind, wohin sich das Publikum unvorbereitet führen lässt. Dass es dazu kam, bereue er nicht – wohl aber, wie überraschend es für ihn war: „Es wäre schöner gewesen, wenn es uns nicht derart unerwartet getroffen hätte, dass die Leute dermaßen desinteressiert sind.“
Vom Flop zu einem neuen Triumph
„Grindhouse“ mag Tarantino also auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Allerdings haben wir es diesem Experiment auch zu verdanken, dass Tarantino seinen Ideen und seinem Stil bis heute treu geblieben ist, statt sich für Auftragsarbeiten und Franchise-Projekte herzugeben.
So war Tarantino in den 1990er-Jahren kurzzeitig im Gespräch, einen Kinofilm über den Marvel-Helden Luke Cage zu drehen, auch ein „Silver Surfer“-Film und eine Adaption des DC-Comics „Green Lantern“ waren im Gespräch. Derartige Projekte haben für Tarantino mittlerweile deutlich an Reiz verloren – was auch am Misserfolg von „Grindhouse“ liegt:
Kaum stand fest, dass die Schundkino-Hommage ihre Kosten auf der großen Leinwand nicht wieder einspielen wird, wurde Tarantino nach eigenen Aussagen mit Angeboten für Auftragsarbeiten regelrecht überhäuft.
"Mein absoluter Held": Quentin Tarantino wollte unbedingt Regie bei einem Marvel-Film führen!„Ich bekam tatsächlich richtig aggressive Lockangebote für große, teure Hollywood-Projekte. Und – ich verstehe ja, wo die herrührten. Die denken, dass ich unsicher geworden bin und mich mit einer sicheren Sache zurück in den Sattel schwingen will“, so zitiert Slashfilm den Oscar-Preisträger über die Fülle an Remakes, Reboots, Comic-Adaptionen und Sequels, die ihm nach der „Grindhouse“-Schlappe angeboten wurden.
„Mein Selbstbewusstsein war auch etwas angeknackst. Wie nach einer Trennung, die von ihr ausging, während es dich kalt erwischt“, zitiert das Popkultur-Portal Tarantino weiter. Doch als er mit befreundeten Filmschaffenden telefonierte, darunter Tony Scott und Steven Spielberg, änderte sich seine Perspektive: Sie führten ihm vor Augen, dass er bis dahin mit Filmen, die er aus eigenem Antrieb heraus machte, eine Erfolgssträhne feierte.
Daher sollte er „Grindhouse“ als die Quittung dafür ansehen, aus diesem Fehlschlag als reiferer Mann herausgehen und dann weiter seinen Weg gehen, um den nächsten Erfolg mehr denn je auszukosten. Fürsprache, die fruchtete: „Statt irgendeinen Job anzunehmen oder irgendwas Neues zu schreiben, knöpfte ich mir wieder ,Inglourious Basterds' vor – eine alte Idee von mir, von der ich wusste, dass sie gut ist. Ich sagte mir: ,Hör auf, rumzutrödeln – knack diese Nuss endlich!'“
Bekanntlich gelang es Tarantino, diese Nuss zu knacken: Der multilinguale Film über den Zweiten Weltkrieg, den Tarantino jahrelang vor sich hergeschoben hatte, wurde sein glorreiches Comeback nach „Grindhouse“ und wurde ein gefeierter, weltweiter Überraschungserfolg. Er befindet sich sogar unter den zehn besten Kriegsfilmen aller Zeiten – gewählt von der FILMSTARTS-Community. Auf welchem Rang er sich genau befindet, verraten wir euch im folgenden Beitrag:
4,52 von 5 Sternen! Das ist der beste Kriegsfilm aller Zeiten – laut den deutschen Zuschauern*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.