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    Dieses 5-Stunden-Schlachtenepos fand Meisterregisseur Stanley Kubrick "wirklich schrecklich" – dabei war es seiner Zeit weit voraus
    Michael Bendix
    Michael Bendix
    -Redakteur
    Schaut pro Jahr mehrere hundert Filme und bricht niemals einen ab. Liebt das Kino in seiner Gesamtheit: von Action bis Musical, von Horror bis Komödie, vom alten Hollywood bis zum jüngsten "Mission: Impossible"-Blockbuster.

    Stanley Kubrick wollte zeitlebens einen Film über das Leben von Napoleon Bonaparte drehen. Zur Vorbereitung schaute er sich den für viele besten Film über den französischen Kaiser und Feldherrn an – konnte ihm allerdings rein gar nichts abgewinnen.

    BFI

    Stanley Kubrick ist einer der legendärsten Regisseure der Kinogeschichte, obwohl er zwischen 1953 und 1999 gerade einmal 13 Filme realisiert hat, von denen aber ein Großteil absoluten Klassiker-Status hat. Auf sein Konto gehen unter anderem der Sci-Fi-Meilenstein „2001: Odyssee im Weltraum“, die dystopische Gewaltorgie „Uhrwerk Orange“, die meisterliche Stephen-King-Adaption „Shining“ oder der Antikriegsfilm „Full Metal Jacket“.

    Dass er vergleichsweise wenige Filme gedreht hat, hängt mit Kubricks berüchtigtem Perfektionismus zusammen, der etwa dafür sorgte, dass sein Vermächtnis „Eyes Wide Shut“ (1999) bis heute den Rekord über die längsten durchgehenden Dreharbeiten hält.

    Aufgrund der immer größeren Zeiträume, die zwischen seinen Filmen vergangen sind (für seine letzten drei Werke brauchte Kubrick fast 20 Jahre), konnte der „Barry Lyndon“-Macher viele Projekte zu Lebzeiten nie umsetzen – darunter etwa den Science-Fiction-Film „A.I.“ (den 2001 schließlich Steven Spielberg drehte), das Holocaust-Drama „Aryan Papers“ und „Napoleon“, der sicher das Zeug dazu gehabt hätte, Kubricks mit Abstand aufwändigster Film zu werden.

    Bereits in den späten 60er Jahren fasste die Regie-Ikone den Plan, das Leben von Napoleon Bonaparte filmisch umzusetzen – und sich dabei vor allem auf das Innenleben des französischen Kaisers und Feldherrn zu konzentrieren (ohne dabei natürlich auf episches Schlachtengetümmel zu verzichten).

    Hunderte Bücher und mehrere Filme: So bereitete sich Kubrick auf "Napoleon" vor

    „Er fasziniert mich“, gab Kubrick 1969 in einem Interview mit Joseph Gelmis zu Protokoll. „Er war einer jener seltenen Männer, die die Geschichte bewegt und das Schicksal sowohl ihrer eigenen Zeit als auch kommender Generationen geprägt haben. In einem sehr konkreten Sinne ist unsere Welt das Ergebnis von Napoleon, so wie die politische und geografische Karte des Nachkriegs-Europas das Ergebnis des Zweiten Weltkriegs ist. Vergessen wir alles andere und nehmen wir nur Napoleons romantische Verwicklung mit Josephine, dann haben wir eine der größten obsessiven Leidenschaften aller Zeiten.“

    Kubrick sog sämtliche Informationen, die er zu Napoleon Bonaparte bekommen konnte, förmlich auf. So soll er Hunderte Bücher über das Frankreich des 18. und 19. Jahrhunderts verschlungen haben, und er erstellte eine Mappe mit rund 30.000 Illustrationen, aus denen hervorgeht, wie er sich den fertigen Film vorgestellt hätte. Zudem besuchte er mögliche Drehorte, die er fotografisch festhielt.

    Und natürlich sah er sich auch ältere Filme über Napoleon Bonaparte an, vor allem die berühmte Stummfilm-Version von 1927, die ihrer Zeit technisch weit voraus war und mit einem gigantischen Aufwand inszeniert wurde, aber zunächst ein finanzieller Misserfolg war: Ursprünglich auf sechs Teile angelegt, konnte Regisseur Abel Gance letztlich nur einen „Napoleon“-Film umsetzen – der mit seiner Laufzeit aber trotzdem fast alles andere in den Schatten stellt.

    Darum war Kubrick nicht beeindruckt von Abel Gances "Napoleon"

    Im Juli 2024 soll in Paris die bisher längste Rekonstruktion des oft gekürzten Films in den Kinos gezeigt werden, die es auf über sieben Stunden bringt – bis dato war „Napoleon“ in einer „nur“ fünfeinhalbstündigen Fassung geläufig. Doch ausgerechnet Stanley Kubrick war nicht sonderlich begeistert von dem Mammutwerk, für das sich 19.000 Statisten vor der Kamera tummelten:

    „Ich habe versucht, jeden Film zu sehen, der jemals zu diesem Thema gedreht wurde, und ich muss sagen, dass ich keinen von ihnen besonders beeindruckend finde“, so Kubrick gegenüber Gelmis. „Kürzlich habe ich den Film von Abel Gance gesehen, der sich im Laufe der Jahre unter Filmfans einen Namen gemacht hat, und ich fand ihn wirklich schrecklich. […] Er war seiner Zeit voraus, indem er neue Filmtechniken einführte – [Sergej M.] Eisenstein schrieb ihm sogar zu, dass er sein Interesse an der Montage erst geweckt habe –, aber was die Geschichte und die Inszenierung angeht, ist es ein sehr grober Film.“

    Was der visionäre Regisseur wohl erst von Ridley Scotts „Napoleon“-Version mit Joaquin Phoenix gehalten hätte? Das werden wir leider nie erfahren – noch schwerer wiegt aber natürlich, dass wir uns den „Napoleon“-Film von Stanley Kubrick auf ewig nur vorstellen können werden...

    Es gab übrigens auch Filme, die Stanley Kubrick gefallen haben – ausgerechnet ein Action-Spektakel mit Arnold Schwarzenegger etwa hatte es ihm so sehr angetan, dass er den Regisseur mit Fragen zur Entstehung des Films gelöchert hat. Mehr dazu lest ihr im folgenden Artikel:

    Stanley Kubrick war riesiger Fan dieses Arnold-Schwarzenegger-Hits: Er hat ihn sogar in einem seiner eigenen Filme zitiert!
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