Keine Frage, David Fincher hat mit „Fight Club“, „Gone Girl“, „Mank“, „The Social Network“ oder „The Game“ viele große Filme inszeniert. Glaubt man der Allgemeinheit, dann ist jedoch „Sieben“ mit Brad Pitt und Morgan Freeman seine beste Arbeit. Der düstere Thriller wurde gerade durch sein verstörendes Ende zum modernen Klassiker.
Meiner Meinung nach hat David Fincher sein wahres Meisterwerk allerdings mit „Zodiac – Die Spur des Killers“ abgeliefert, der heute, am 14. Mai um 20.15 Uhr auf Tele 5 ausgestrahlt wird. Erneut geht es um die Jagd nach einem Serienkiller. In diesem Fall basiert das Ganze aber auch noch auf einer wahren Begebenheit, was einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Aber Vorsicht: Aufgrund seiner FSK-16-Freigabe ist heutige TV-Ausstrahlung um 20.15 Uhr gekürzt.
Darum geht es in "Zodiac"
Zwischen den Jahren 1968 und 1969 ermordete der sogenannte „Zodiac-Killer“ fünf Menschen im Raum San Francisco. Zwei weitere Opfer überlebten seine Angriffe. In unzähligen, größtenteils kodierten Briefen nahm der Serienkiller Kontakt mit der Presse sowie der Polizei auf – und verhöhnte somit seine Verfolger nach Strich und Faden.
Der junge Karikaturist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal) arbeitet beim San Francisco Chronicle und wird Zeuge, wie die verschlüsselten Nachrichten des Killers hier für helle Aufregung sorgen. Graysmith entwickelt eine wahre Obsession und möchte den rätselhaften Killer unbedingt überführen. Zur Seite stehen ihm dabei Starreporter Paul Avery (Robert Downey Jr.) und Inspector David Toschi (Mark Ruffalo)…
Damit fährt „Zodiac“ mit drei Marvel-Stars auf, die hier gemeinsame Sache machen, um einen Serienkiller zu überführen. Denn währen Robert Downey Jr. als egozentrischer Iron Man die Welt rettet, ist Mark Ruffalo als unglaublicher Hulk für seine Aggressionsprobleme bekannt. In „Spider-Man: Far From Home“ schlüpfte Jake Gyllenhaal in die Rolle des Mysterio und machte der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft das Leben schwer.
Das Böse ist überall – vielleicht auch in uns
Immer wieder wird David Fincher vorgeworfen, dass er sich viel zu sehr in der Rolle des Stilisten gefällt, als dass seine Filme wirklich in der Lage wären, einen profunden Inhalt zu offenbaren. Gerade „Fight Club“ wurde dabei oft als zwanghaft auf Kult getrimmte Revoluzzer-Fantasie eines Pubertierenden bezeichnet. In „Zodiac“ jedoch gibt sich David Fincher so erwachsen wie noch nie zuvor.
Natürlich veranschaulicht Fincher auch in „Zodiac“ einmal mehr seine virtuose Audiovisualität, wenn er mit einem fast schon inspizierenden Blick in das nächtliche San Francisco eindringt und die Westküstenmetropole auf ihre Abgründe, ihre Ängste, ihre Geheimnisse ergründet: Die Lichter der Großstadt gehen nicht von Menschen, sondern von Tätern aus.
Interessant dabei ist, dass „Zodiac“ sich konsequent weigert, den Tätern – oder eben dem titelgebenden Killer höchstpersönlich – eine Identität zuzusprechen. Damit unterläuft der Film quasi jede Erzählkonvention, die wir aus klassischen Kriminalgeschichten kennen, in denen es am Ende dann doch noch zu einer glücklichen Überführung des Schuldigen kommen kann.
Die Tragik der Realität: Es gibt keine Helden
In der Realität wurde der Zodiac-Killer allerdings nie gefasst. Man hatte einige Verdächtige, aber keine Beweise. Daran hält sich auch David Fincher, der den Zuschauer an die Seite von Jake Gyllenhaal, Robert Downey Jr. und Mark Ruffalo stellt, diesem aber auch nicht mehr Wissen einräumt als den Protagonisten. Man sitzt im gleichen Boot mit den Hauptdarstellern – und das ist die große Tragik.
Wenn man in „Zodiac“ Ausschau nach Helden hält, dann wird man schnell feststellen, dass man es hier stattdessen mit versoffenen Halunken, überambitionierten Pfadfindern und kekssüchtigen Polizisten zu tun bekommt, die nichts mit Dirty Harry gemeinsam haben. Sie alle werden mit der Erkenntnis konfrontiert, dass realistische Ermittlungsarbeit schlichtweg nur nach irdischen Maßstäben verläuft.
Vielleicht muss man sich deswegen auch irgendwann zwangsläufig eingestehen, dass es Fälle gibt, die nicht gelöst werden können, weil sie nicht gelöst werden wollen. „Zodiac“ ist damit auch ein Film der Ernüchterung; ein Film der kruden Vermutungen, der aufzeigt, dass das Böse niemals aus der gesellschaftlichen Mitte verschoben werden kann. Egal, wie sehr man sich auch darum bemüht.
Die Spur des Killers führt in unser Scheitern
Was David Fincher dabei gleichermaßen hochspannend wie fast schon dokumentarisch anspricht, ist die zweifelhafte Faszination für Serienkiller, die sich gerade in den Vereinigten Staaten zu einer Art kulturellen Konstante entwickelt hat. Damit wird unser Netflix-Tipp „Zodiac“ auch zu einem Film über Panik und Paranoia – und wir als Zuschauer dahingehend entlarvt, dass wir genau diese Gefühlswelten zwanghaft aufrechterhalten wollen.
Wo der Killer der Polizei, der Presse und der Bevölkerung einst den Spiegel vorgehalten hat, zeigt David Fincher nun ohne tumbe Effekthascherei in „Zodiac“ auf, dass wir alle Opfer unseres eigenen Geltungsdranges sind. Weil wir uns zu oft selbst etwas beweisen wollen. Was daraus resultiert, ist eine Fährte, die nur in unser eigenes Scheitern führt – und „Zodiac“ zum Gegenentwurf des klassischen Kriminalfilms erklärt.
Falls ihr immer auf der Suche nach weiteren hochspannenden Filmtipps seid, haben wir vielleicht genau die richtige Empfehlung für euch parat:
Dies ist eine Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.