Das Schaffen des 2016 verstorbenen Regisseurs Michael Ciminos umfasst nicht nur absolute Höhenflüge, sondern auch Rückschläge der heftigsten Art. Nachdem sein Anti-Kriegs-Meisterwerk „Die durch die Hölle gehen“ nicht nur bei den Oscar absahnen konnte, sondern auch von der Kritik nahezu durch die Bank gefeiert wurde, sollte sein (ebenfalls brillantes!) Western-Epos „Heaven's Gate“ für Chaos sorgen. Von der Presse verrissen, an den Kinokassen gnadenlos gescheitert und letztlich auch verantwortlich, ein gesamtes Studio in den Bankrott zu treiben.
Es sollte fünf Jahre dauern, bis Cimino nach dem wirtschaftlichen „Heaven's Gate“-Debakel wieder auf dem Regiestuhl Platz nehmen durfte – erneut bei einem Film, dem im Nachhinein nicht die Anerkennung zuteilwurde, die er eigentlich verdient hätte: „Im Jahr des Drachen“. Der düstere Action-Thriller ist ein absolutes Highlight des 80er-Jahre-Kinos. Heute Abend, am 28. April, könnt ihr den Film ab 20.15 Uhr bei arte nachholen. Ganz ohne Werbeunterbrechungen!
Darum geht's in "Im Jahr des Drachen"
Captain Stanley White (Mickey Rourke) sagt der Unterwelt im New Yorker Chinatown den Kampf an. Der angesehene Polizist, der seit seinem Einsatz im Vietnamkrieg eine starke Abneigung gegen Asiaten hegt, soll den Mord an einem chinesischen Paten aufklären, um einem fatalen Krieg der Syndikate vorzubeugen. Seine rabiaten Methoden und rassistischen Äußerungen machen ihn dabei aber alles andere als beliebt.
Obwohl White verheiratet ist, beginnt er während der Ermittlungsarbeit eine Affäre mit der chinesisch-stämmigen Reporterin Tracy Tzu (Ariane Koizumi). Sein privates Leben gerät dabei in bittere Kollision mit der kompromisslosen Arbeit. Bald schon steht der Cop vor Trümmern, die er selbst zu verantworten hat, denn nicht nur die asiatischen Gangster machen ihm von nun an das Leben schwer...
Ein atmosphärischer Volltreffer
Nachdem schon „Die durch die Hölle gehen“ ein rassistischer Unterton vorgeworfen wurde, sollte die Kritik an „Im Jahr des Drachen“ in eine ähnliche Kerbe schlagen. Die Menschenfeindlichkeit, die Cimino in seinen Filmen präsentiert, ist aber nicht Agenda des Regisseurs, sondern Thema. Mickey Rourke, der selten besser war als hier, gibt Stanley White als seelisch vernarbten, todessehnsüchtigen, cholerischen Kriegsveteran, was „Im Jahr des Drachen“ auch zu einer Auseinandersetzung mit den Spätfolgen des Vietnamkrieges macht. Ciminos Werk ist eine Charakterstudie über Ohnmacht und blinde Wut. Ein wabernd-fiebriges Zeitdokument, dessen Nihilismus wahrlich unter die Haut kriecht.
Aber „Im Jahr des Drachen“ funktioniert nicht nur, weil im Mittelpunkt ein komplexer, ambivalenter Protagonist steht, an dem man sich als Zuschauer oder Zuschauerin reiben muss. Michael Cimino hat auch einen extrem atmosphärischen Action-Thriller in Szene gesetzt, der sich über seine mehr als zweistündige Laufzeit kontinuierlich verdichtet und dabei wie ein explosiver, von Neonlichtern bestrahlter Marsch ins Herz der Finsternis wirkt. Inszenatorisches Highlight und eindringlicher Schlusspunkt des viel zu selten besungenen Filmes ist dabei fraglos das Finale auf einer Eisenbahnbrücke am New Yorker Hafen. Auch Quentin Tarantino ist der Meinung, dass „Im Jahr des Drachen“ einem schlicht den Atem raubt!
Heute Abend streamen: Die knallharte Fortsetzung zu einem der besten Action-Filme von 2021