Die Filmgeschichte bietet zahlreiche Frauen, die an Männern Rache nehmen oder gegen das Patriarchat ins Feld ziehen. Doch seit einigen Jahren gibt es eine neue Welle an Filmen, die sich dem Thema annehmen, wie etwa der an die Nieren gehende „Promising Young Woman“. Während der Thriller auf Anhieb positive Resonanz genoss, zeigt ein Film unmissverständlich auf, wie sehr die #MeToo-Bewegung dabei half, große Teile des Publikums für den Themenkomplex zu sensibilisieren:
„Jennifer's Body - Jungs nach ihrem Geschmack“ galt 2009 noch als finanzielle Enttäuschung und wurde von der Kritik durchwachsen bis negativ aufgenommen. Mittlerweile wird er als gleichermaßen fies-komischer wie rasiermesserscharfer Vorreiter des modernen feministischen Horrors wiederentdeckt.
Egal, ob ihr „Jennifer's Body“ noch nicht kennt, schon immer mochtet, oder zu jenen gehört, die ihn einst als bemühtes Vehikel für „Transformers“-Star Megan Fox abgetan haben: Es lohnt sich definitiv, (erneut) einen Blick auf diesen blutig-bissigen Horror-Spaß zu werfen – etwa im TV: Heute, am 9. April 2024 läuft „Jennifer's Body“ ab 22.55 Uhr bei Tele 5. Außerdem ist der Film derzeit im Abo bei Disney+ zu finden.
Übrigens: Falls es euch nach einem ungewöhnlichen Double Feature gelüstet, könnt ihr euch „Jennifer's Body“ ja im Tandem mit dem Debüt der verantwortlichen Drehbuchautorin Diablo Cody anschauen! Die Teenie-Dramödie „Juno“ ist ebenfalls bei Disney+ abrufbar*.
"Jennifer's Body": Dämonisch, blutig, bitterkomisch
Auf den ersten Blick scheint es unvorstellbar, dass sich Jennifer (Megan Fox) und Anita (Amanda Seyfried) überhaupt leiden können. Doch die Teenies aus einer US-Kleinstadt sind sogar von Kindesbeinen an beste Freundinnen! Dass Jennifer eine provokative Cheerleaderin ist und Anita ein scheuer Bücherwurm, ist höchstens für Außenstehende ein Thema, nicht aber für das unzertrennliche Duo. Aber als Jennifer ihre beste Freundin überredet, ein Indie-Rock-Konzert in einer örtlichen Kaschemme zu besuchen, kommt es zwischen ihnen zum Bruch:
Erst bricht in dem engen Schuppen ein Feuer aus, dann dampft eine geistesabwesende Jennifer gegen Anitas Rat mit den Rockern ab. Als sich die Freundinnen wieder begegnen, ist Jennifer wie ausgewechselt. Anita ist erst irritiert, dann beängstigt – und dann beginnt eine Mordserie...
Eine junge Frau wird von einer Band in ihren Van verschleppt und ist ein traumatisches Ereignis später nicht mehr dieselbe. Ihre beste Freundin weiß nicht, was genau vorgefallen ist, kann aber eins und eins zusammenzählen – und muss mitansehen, wie ihr Umfeld die übergriffigen Musiker als Helden verehrt: Diablo Codys Drehbuch zu „Jennifer's Body“ war nie subtil und wollte auch nie subtil sein. Doch seit sich die #MeToo-Debatte bemüht, die gesellschaftlichen Antennen so auszurichten, dass Warnsignale hinsichtlich sexueller Übergriffe besser erkannt werden, wirkt der Film in seiner plakativen Art noch mahnender.
20 Horrorfilme, nach denen ihr garantiert keinen Sex mehr haben wolltIm Gegensatz zu etwa „Promising Young Woman“, der gelegentlichen Galgenhumor nutzt, insgesamt aber einen schneidend-dramatischen Thriller darstellt, ist „Jennifer's Body“ eine feiste Horrorkomödie. Noch dazu eine, die Codys schnippischen Stil stolz vor sich herträgt: Die Dialoge sind voller keck überspitztem 2000er-Jahre-Jugendslang, und die Scheuklappen, mit denen viele Figuren durch die Welt stapfen, sind geradezu karikaturesk. In dieser Tonalität wäre die Schilderung eines ebenso grauenvollen wie bedauerlicherweise alltäglichen Verbrechens deplatziert – also wird Jennifer in einen schief gehenden Okkult-Horror gezogen.
Das gestattet es Cody, mit kopfschüttelnder Ungeduld auf die Untätigkeit im Kampf gegen missbräuchliche Männer hinzuweisen, aber gleichzeitig einen feucht-fröhlichen Dämonenhorror zu erzählen: Jennifer wird zur besessenen sowie knalligen Anti-Heldin, der wir dank Megan Fox' selbstironischer Performance einerseits gönnen, mit wortwörtlicher Fleischeslust ihr Heimatdorf zu dezimieren. Andererseits ist sie eine sehr effektive Schurkin, da sie, durch ein satanistisches Ritual charakterlich verformt, es insbesondere auf Männer abgesehen hat, die ihrer besten Freundin am Herzen liegen.
Das ist eine weitere Stärke von „Jennifer's Body“: Trotz Codys schnippischem Dialoghumor und der spritzigen Übertreibung, mit der Regisseurin Karyn Kusama das Gehabe und die Ästhetik von Teenies der 2000er in Szene setzt, behandelt der Film sogleich mehrere Grauen. Neben der Spannungs- und Schreckenstriebfeder in Form von Männern, die Frauen als wandelnde Zielscheiben betrachten, zieht sich auch eine Dynamik durch den Film, die primär von seinen Protagonistinnen ausgeht.
Beste Feindinnen
Obwohl sich Jennifer und Anita eng verbunden fühlen, hat ihre Freundschaft eine Schieflage: Anita trägt auf Jennifers Wunsch hin unauffällige Kleidung. Jennifer neckt ihre beste Freundin unentwegt und buhlt um ihre Fürsorge, trotzdem ist Anita es, die den Spitznamen „Needy“ abbekommt. Und wenn die zwischen ihnen wabernde sexuelle Neugier kurz verfolgt wird, ist es die forsche Jennifer, die der überrumpelten Anita einredet, nicht klar zu denken.
Von einer innigen, aber unrunden Frauenfreundschaft mit queeren Anklängen zu erzählen und das mit einer Horrorkomödie über toxische Männlichkeit zu verschränken, hätte brutal schieflaufen können. Doch Codys Beobachtungsgabe und Kusamas müheloses Vermögen, die Tonalitäten inszenatorisch auszubalancieren, sorgen dafür, dass „Jennifer's Body“ Stolperschwellen aus dem Weg geht.
Dass der augenzwinkernden Fox eine engagierte Seyfried gegenübersteht, ist für das Gelingen des Films essentiell: Fox sorgt für doppelbödig-verruchten Spaß, Seyfried schafft derweil ein mit Bodenständigkeit, Frust und dezent gezügeltem, jugendlichem Ungestüm versehenes Gegengewicht.
Sie macht Anita zur „alltäglicheren“ Filmheldin, die zugleich in der Rahmenhandlung sämtlichem Frust mit unerwartetem Nachdruck Luft machen darf. Wunscherfüllung, Mahnung und das tolldreiste Überhöhen von Subtext zu Text gehen in „Jennifer's Body“ somit genüsslich-gemein und pointiert Hand in Hand.
Neu auf Amazon Prime Video: Ein wildes Comic-Spektakel mit dem wohl unterschätztesten Batman überhauptDies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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