Lange, bevor er seine eigene Onlinearmee treuer und energisch kämpfender Fans um sich scharte, zog Zack Snyder bei einer anderen Truppe die Strippen: Der spätere „Man Of Steel“-Regisseur inszenierte mit „300“ einen Brutalo-Historienactionfilm, der den Kampf Spartas gegen das persische Reich auf seine ganz eigene Art nacherzählt.
Dabei herausgekommen ist ein mit kernigen Zeitlupen- und Zeitraffersequenzen übersäter, in markanten Farbwelten gehüllter Gewaltrausch, der auf einer Graphic-Novel-Miniserie des „Sin City“-Schöpfers Frank Miller basiert. Von heutigen Standards populärer Comicadaptionen ist da kaum etwas zu finden. Heute, am 4. März 2024, läuft „300“ ab 23.05 Uhr bei kabel eins. Solltet ihr keine Lust auf Werbeunterbrechungen haben, gibt es ja noch immer die gute, alte Heimkino-Alternative in Form von DVD, Blu-ray und 4K-Blu-rays:
Und falls es euch heute schon in den Fingern juckt und ihr daher nicht bis zur Lieferung eurer „300“-Scheibe warten wollt: Der harte Comic-Kracher ist derzeit auch bei Netflix abrufbar.
"300": Zack Snyder in seinem wahren Element
Leonidas (Gerard Butler) lebt als König von Sparta stolz die Ideale, die ihm von Kindesbeinen an eingetrichtert wurden. Härte, Kampfbereitschaft und starre Disziplin stehen bei ihm an vorderster Front. Als persische Abgesandte in Leonidas' Reich ankommen und fordern, dass es sich dem pompösen König Xerxes (Rodrigo Santoro) unterwirft, kennt Leonidas nur eine Antwort: Eine aggressive, tödliche Absage. Daraufhin lässt er Frau (Lena Headey) und Kind zurück, um mit seiner Leibwache loszuziehen und das riesige persische Heer zurückzuschlagen. In der engen Felsschlucht der Thermopylen kommt es zum brutalen Showdown...
Schon vor seinen überlebensgroß-stoischen Interpretationen von Superman, Batman und Konsorten arbeitete sich Snyder an bereits etablierten Stoffen ab: So war sein Regiedebüt ein von James Gunn (!) verfasstes „Dawn Of The Dead“-Remake, danach adaptierte er Frank Millers Comicvision der Schlacht bei den Thermopylen. Und mit „300“ lag Snyder voll im Trend:
Schon kurz zuvor brachte Robert Rodriguez mit „Sin City“ eine Miller-Verfilmung auf die Leinwand, die sich penibel an der Vorlage orientierte. Und das nicht nur erzählerisch, sondern auch bildästhetisch: In „Sin City“ stellte Rodriguez mit scharfem Auge ikonische Panels der Comicvorlage nach. Snyder setzte dies konsequent fort.
Während Rodriguez einen geradezu pervertierten Film noir inszenierte und dabei organische Möglichkeiten hatte, sich um besagtes „Posing“ zu kümmern, nahm sich Snyder einer anderen Herausforderung an: Comic-Posen mussten mit der wilden Kinetik eines rastlosen Historien-Kriegsfilms vereint werden. All das, gehüllt in eine markante, irreale Farbgebung: „300“ erstrahlt in eisigem Grau-Blau und in gleißend-überbelichtetem Orange-Braun, als sei er der Wahntraum nach einer überdosierten Testosteron-Spritze.
Das führt im Zusammenspiel mit den stählern-durchtrainierten Körpern, die zur Schau gestellt werden, und der hypnotisierend-berauschenden Abfolge von Zeitlupen und Zeitraffern zu unvergesslichen Bildern. Aber starke Gewaltbilder sind nicht alles – sonst wären die späteren Einträge in Snyders Filmografie wohl nicht solche Spalter.
„300“ vermeidet mühelos Klippen, an die Snyder bei manch anderen Filmen deutlich näher steuern sollte: Dieses Comic-Kriegsspektakel ist keine rein visuelle Fingerübung, sondern wesentlich nuancierter als seine stumpfen Macho-Macker von Hauptfiguren!
Denn in „300“ beweist Snyder ein köstliches Gespür für Ironie und erzählerische Distanz zum Gezeigten: Zwar wird die Geschichte aus der Perspektive des Kriegsstaats Sparta gezeigt, doch wiederholt werden Risse in dessen Weltsicht deutlich. Das offensichtlichste Beispiel dürfte die Szene sein, in der Leonidas schmatzend einen Apfel verschlingt, über Leichen thront und lobpreist, wie zivilisiert er und seine Leute wären.
Aber auch abseits dieser Sequenz wird durch doppelzüngige Dialoge oder überdeutlichen Missklang zwischen Bildsprache und Storyentwicklung klar, dass Snyder die Spartaner zwar als Helden nutzt, weil sie geile Bilder liefern. Doch ihr von Verachtung geprägtes, Individualität bestrafendes Bild dessen, welche Leben sie als lebenswert einschätzen, zieht er mit fassungslosem Kopfschütteln durch den Kakao.
Die seit rund eineinhalb Jahrzehnten wiederholt aufkommenden Vorwürfe, „300“ teile faschistoides Gedankengut, sind daher mindestens so rätselhaft wie die Frage, weshalb Snyder sich jahrelang an ernsten Comic-Opern versuchte (und manchmal verhob). Mit „300“ machte er doch vor, dass er markig-schneidige Videoclipästhetik mit ironisch hinterfragtem Pathos geradezu meistert. Vielleicht bietet sein zweiter „Rebel Moon“-Teil ja wieder mehr davon?
Für diesen blutigen Horrorfilm mussten sich die Macher sogar vor Gericht verantworten!Dies ist eine überarbeitete Wiederveröffentlichung eines bereits auf FILMSTARTS erschienenen Artikels.
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