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    "Die irrsinnigste Synchro": Für diesen Film einer kontroversen Regie-Legende mussten einige eurer Lieblingsstimmen mächtig durchzechen
    Sidney Schering
    Sidney Schering
    -Freier Autor und Kritiker
    Sein erster Kinofilm war Disneys „Aladdin“. Schon in der Grundschule las er Kino-Sachbücher und baute sich parallel dazu eine Film-Sammlung auf. Klar, dass er irgendwann hier landen musste.

    Für Oliver Stones Rockmusik-Drama „The Doors“ hat unter anderem eines der drei Fragezeichen seiner Leber ordentlich was zugemutet: Damit die deutsche Fassung möglichst authentisch klingt, galten im Synchronstudio ungesunde Regeln.

    Oscar-Preisträger Oliver Stone eckt gerne an: Der Regisseur und Drehbuchautor hält selten mit seiner Meinung hinter dem Berg und verletzt somit oft das US-patriotische Gemüt. Aber auch mit dem Rockmusik-Drama „The Doors“ gelang es Stone, Gemüter zu erhitzen: Deren Frontsänger Jim Morrison war eine unangepasste Rock-Ikone, die aufgrund ihrer Alkoholexzesse und ihres Missbrauchs halluzinogener Drogen ebenso zur tragischen Figur aufstieg.

    Die Intensität, mit der Stone Morrisons Wahrnehmung der Welt sowie sein abgerocktes Umfeld inszeniert, wurde gleichermaßen gefeiert wie irritiert beäugt. Und sie stellte die Verantwortlichen der deutschen Synchro vor eine Herausforderung. Doch dank eines Synchronregisseurs mit einer atypischen Herangehensweise und des Umstands, dass die „The Doors“-Synchronfassung nicht unter immensem Zeitdruck entstand, nahm man sich dieser Herausforderung auf denkwürdige Weise an!

    "The Doors": Bob Andrews und der grüne Geist

    Die Synchronarbeiten zu „The Doors“ waren so außergewöhnlich, dass sie sich Legendenstatus erarbeitet haben. So bezeichnet Andreas Fröhlich sie in der Ausgabe „Der Bobcast und der grüne Geist“ seines Podcasts „Haschimitenfürst – Der Bobcast“ als „die irrsinnigste Synchronisationsarbeit die ich je erlebt habe“. Ein Urteil mit Gewicht, schließlich ist Fröhlich seit den 1970ern im Synchrongeschäft tätig!

    Unter anderem ist er als Stammstimme von John Cusack und Edward Norton bekannt. Zudem stemmte er als Synchronregisseur und Dialogbuchautor die deutsche Fassung von Peter Jacksons „Der Herr der Ringe“-Trilogie – die unter anderem aufgrund ihrer minutiösen Zusammenarbeit mit Tolkien-Expert*innen selbst Ausnahmestatus innehat.

    Fröhlich, der außerdem Generationen von Hörspiel-Fans als Bob Andrews von „Die drei ???“ ans Herz gewachsen ist, machte also allerhand im Tonatelier mit – aber nach eigener Aussage nie wieder so etwas wie bei „The Doors“: Bei der Synchronisation erhielten alle Sprecherinnen und Sprecher die Ansage, dass sie „nur betrunken oder bekifft vors Mikrofon dürfen, damit sie sich mehr mit ihrer Rolle identifizieren können.“

    Als weiteren Grund für diese ungewöhnliche Regel nennt Fröhlich, dass der verantwortliche Synchronregisseur damit die üblicherweise bezweckte, gepflegte Aussprache vermeiden wollte. Entsprechend des Zustands der meisten Figuren in „The Doors“ sollten die Stimmen in der deutschen Fassung „nicht mehr so sauber und deutlich klingen.“

    Tom Hanks' deutsche Stimme hat es so gewollt!

    Neben Andreas Fröhlich, gehören zahlreiche weitere beliebte Stimmen zum über jegliche Stränge schlagenden Synchron-Cast von „The Doors“. Etwa Dorette Hugo, die vielen als erfinderische Maus Trixi in „Chip & Chap – Die Ritter des Rechts“ und Disneys Trickfilm-Prinzessin Arielle im Ohr hängen geblieben ist. Oder Patrick Winczewski (Hugh Grants Stammstimme) und Katrin Fröhlich, die unter anderem als „Kim Possible“-Schurkin Shego bekannt ist und auf Gwyneth Paltrow, Cameron Diaz sowie Kristen Wiig erklingt.

    Am meisten gefordert wurde aber Torsten Sense, der als deutscher Synchronsprecher hinter „The Doors“-Hauptdarsteller Val Kilmer die Aufgabe hatte, Jim Morrison in allerlei arg angeschlagenen Verfassungen zu vertonen. Der Synchronregisseur, der seinen Cast zu literweise Alkoholkonsum, durchzechten Nächten und damals illegalen Substanzen anstiftete, war übrigens Arne Elsholtz.

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    Der Name dürfte zwar primär Synchron-Expert*innen geläufig sein, seine Arbeit hingegen kennen fast alle deutschen Filmfans: Elsholtz war zu seinen Lebzeiten die Stammstimme von Tom Hanks, Bill Murray, Jeff Goldblum und Kevin Kline. Als Synchronautor und -regisseur betreute er zudem Klassiker wie „E.T.“, „Indiana Jones und der Tempel des Todes“, „Beverly Hills Cop“, die „Nackte Kanone“-Reihe oder „Das Imperium schlägt zurück“.

    Auch bei „The Doors“ wirkte Elsholtz zusätzlich zu seinen Regiepflichten als Synchronautor mit und sprach zudem eine Nebenrolle – er gab sich allerdings einen vergleichsweise trockenen Part als Manager.

    Lob und Widerspruch von Deutschlands Johnny Depp und Matt Damon

    Innerhalb der Synchronbranche schlugen Geschichten und Gerüchte rund um die experimentelle, zeitaufwändige „The Doors“-Vertonung solche Wellen, dass Anekdoten auch Jahrzehnte später Leuten geläufig sind, die nicht daran beteiligt waren. Das verrieten David Nathan sowie Simon Jäger im YouTube-Interviewformat „Auf einen Drink mit Kino+“.

    Jäger, der regelmäßig Heath Ledger vertonte und als Stammstimme von Matt Damon und Josh Hartnett bekannt ist, scherzt im Interview, dass man lieber gar nicht wissen will, was branchenintern alles über die „The Doors“-Synchro kursiert. Zugleich lobt er das Endergebnis aber als „super Produktion“.

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    Nathan, der Johnny Depp und Christian Bale seine Stimme leiht, stimmt in das Lob für die fertige Synchro mit ein. Darüber hinaus berichtet er aus erster Hand vom Versuch, ähnliche Arbeitsbedingungen bei einer späteren Synchronisation herzustellen: Bei der Eindeutschung von Terry Gilliams Drogensucht-und-Journalismus-Groteske „Fear And Loathing In Las Vegas“.

    Anlass sei gewesen, dass die Verantwortlichen des Synchronstudios den Film so besonders fanden, dass sie ihm eine entsprechende Lokalisierung spendieren wollten. Außerdem wollte man Nutzen daraus ziehen, dass Nathan und Michaelis schon lange befreundet waren und zu diesem Zeitpunkt sogar zusammen gewohnt haben.

    Diese Dynamik wollten die Synchronmacher noch potenzieren. Laut Nathan hätte man ihm und Benicio-del-Toro-Synchronstimme Torsten Michaelis vor dem ersten „Fear And Loathing In Las Vegas“-Arbeitstag daher gesagt: „Ihr könnt alles nehmen, was ihr wollt. Koks, Heroin, nehmt einfach alles mit, was ihr wollt!“

    Nathan sei daher zu den ersten Aufnahmen für den Film vollkommen zugekifft („Das war reinstes, schönstes, feinstes Gras!“) aufgekreuzt – doch schon 15 Minuten später sei der restliche Arbeitstag abgeblasen worden, weil er und Michaelis nicht arbeitsfähig waren. Daher hätte man den Kultfilm letztlich ab dem Folgetag doch stocknüchtern und ausgeschlafen synchronisiert.

    Denn entgegen seines Lobs für die „The Doors“-Synchro beteuert Nathan, dass man benebelt diesen Job nicht machen kann: „Du musst fit sein, sonst geht das nicht!“ Somit wird die „The Doors“-Synchronfassung wohl eine absolute Ausnahmeerscheinung bleiben.

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