Zwei der denkwürdigsten Widersacher, die James Bond jemals bekämpfen musste. Ein Film mit vielen Fassungen: Das nicht gerade zimperliche Satire-Krimi-Musical „Die Dreigroschenoper“ lief in den deutschen Kinos ungekürzt mit FSK-Freigabe ab 16 Jahren.
Dennoch bietet die Ganovengeschichte mit „Der Spion, der mich liebte“-Fiesling Curd Jürgens und „Goldfinger“-Bösewicht Gert Fröbe dank irrer Veröffentlichungshistorie mehrere Alternativfassungen. Am 1. Februar 2024 erscheint „Die Dreigroschenoper“ erstmals auf Blu-ray – uncut, aufwändig restauriert und mit massig Bonusmaterial!
Zu den Extras gehört ein Booklet über die hektische Entstehungsgeschichte der Bertolt-Brecht-Adaption sowie über ihre internationale Auswertung. Außerdem sind Interviews, nicht verwendete Audio-Aufnahmen und Musikplaybacks enthalten. Auf einer Bonus-DVD befindet sich zudem die rund 40 Minuten (!) kürzere US-Schnittfassung.
Die hat deutschen Ton sowie zwei englische Audiospuren und liegt übrigens bloß als abgenutzte Kopie mit eingebrannten, schwedischen Untertiteln vor. Ein Kuriosum, das vor Augen führt, dass selbst Großproduktionen nicht davor sicher sind, zur Obskurität zu werden. Immerhin: Brecht hätte dieser (ungewollt-)distanzierende Effekt gewiss gefallen! Und mit der deutschen Fassung liegt eh die wichtigere Version in brillanter Qualität vor...
"Die Dreigroschenoper": Und der Stromberg, der hat Zähne...
Der berüchtigte Londoner Halunke Mackie Messer (Curd Jürgens) hat ein Auge auf Polly Peachum (June Ritchie) geworfen, was deren Vater missfällt. Doch egal, wie sehr „Bettlerkönig“ Jonathan Jeremiah Peachum (Gert Fröbe) protestiert: Es kommt bald zur Hochzeit, die auch Mackies langjähriger Kumpel beherzt feiert – Polizeichef Brown (Lino Ventura).
Es ist Pollys Mutter Cella (Hilde Hildebrand), die der Ehe zwischen Mackie und Polly gefährlich wird: Sie weiß, dass Mackie unablässig ins Bordell geht, wo es ihm vor allem Spelunken-Jenny (Hildegard Knef) angetan hat. Cella besticht die beliebte Dirne, damit sie ihren Stammkunden bei der Polizei verpfeift. Somit scheint Mackies Treiben beendet – es sei denn, er hat noch einen Trumpf im Ärmel...
Geheimtipp neu im Heimkino: Ein teuflisch-durchgeknallter Mix aus "Deadpool", "Scream", "Die nackte Kanone" und den Muppets!Jürgens in einem prächtig ausstaffierten Musical zu sehen, überrascht vielleicht ein modernes Publikum, das ihn primär als Möchtegern-Weltherrscher Stromberg aus „Der Spion, der mich liebte“ und dank der zynischen Kult-Komödie „Mörder GmbH“ kennt. Das damalige Publikum dürfte es indes weniger verwundert haben:
Jürgens war auch als Schlagersänger tätig und veröffentlichte von 1959 an Platten in englischer und deutscher Sprache – trällerte also, lange bevor er 007 das Leben schwermachte. Fröbe hingegen hätten sich wohl jederzeit nur wenige Filmfans in einer tragenden Musicalrolle vorgestellt (auch wenn er 1980 eine Schallplatte mit zwei Comedy-Songs veröffentlichte).
Dafür war Fröbe schon vor seinem „Goldfinger“-Auftritt und der Brecht-Adaption von 1962 eine populäre Wahl für Geschichten über kaputte Moral. So hinterließ Fröbe beim deutschen sowie beim internationalen Publikum mit dem Serienkiller-Drama „Es geschah am hellichten Tag“ unwohle Gänsehaut.
Mal mehr Brecht, mal weniger Brecht
Der damals wie heute beeindruckenden Besetzung zum Trotz: Regisseur Wolfgang Staudte musste sich seinerzeit viel Kritik gefallen lassen. Bereits, dass Kurt Weills Ur-Arrangements dank einer prominenten Streichersektion größer und gefälliger interpretiert wurden, stieß auf Gegenwehr. Generell sah die Presse den Film fernab von Brechts Stil, der von Illusionsbrechungen geprägt ist und mit Nachdruck zum Nachdenken anregt.
Doch obwohl es zwischendurch wirklich kaum vorstellbar scheint, dass Brecht eine ähnliche Verfilmung des Stoffes angestoßen hätte: Staudte kreiert in seiner „Dreigroschenoper“ eine opulente Filmwelt, die zugleich bewusst bühnenhaft wirkt. Dieses mit kunsthandwerklicher Passion umgesetzte Element des Artifiziellen lässt den Brecht-Faktor weiterhin erahnen – und ist zudem Dekaden später eine wahre Augenweide für alle, die massive Bühnenbauten in markanten Farben vermissen.
Wer vergleichen will, wie unterschiedlich man sich Brecht nähern kann, darf sich glücklich schätzen: Die Vorlage mit Ohrwürmern wie „Die Moritat von Mackie Messer“ (unter anderem gecovert von Michael Bublé, Louis Armstrong, Bobby Darin, Frank Sinatra und Robbie Williams) wurde vielfach adaptiert. Darunter als „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“.
Darin wird die „Dreigroschenoper“ verfilmt, aber auch Brechts eigener Versuch, seinen Bühnenerfolg ins Kino zu bringen. Der Meta-Film ist derzeit bei Prime Video im Abo enthalten:
Aus Brechts Versuchen wurde letztlich nichts, jedoch wurde der Stoff bereits 1931 als „Die 3-Groschen-Oper“* verfilmt. Verantwortlich war der einflussreiche Regisseur G. W. Pabst, dem Brecht vorwarf, das satirische Element zu stark zu verwässern. Jedoch zählte später der japanische Meisterregisseur Akira Kurosawa Pabsts Version zu seinen 100 Lieblingsfilmen.
Kurzum: Obwohl diese Filme denselben Kern behandeln, sind sie so variantenreich, dass sich glatt ein „3-Dreigroschenoper-Filme-Filmabend“ anbietet. Und wenn euch nach der Brecht-Völlerei der Sinn nach noch mehr Moral steht, bietet sich folgendes, ebenfalls ungewöhnliches Musical als bunt-bitteres Dessert an:
Einer der größten und ungewöhnlichsten Anti-Kriegsfilme der Geschichte kehrt ins Heimkino zurück*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.